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Wild, zerklüftet, entlegen: die Ostflanke der Gedererwand, TOUR 9
Vorwort
Dieses Buch zu schreiben, das hieß für mich wieder ein Stück Abenteuer. Jetzt sind die Wege als Entdeckerpfade bezeichnet, um so die Folgeversion der Vergessenen Pfade aus dieser Region zu beschreiben. Man könnte auch sagen »Vergessene Pfade 2«. Vordergründig sind es die Natureindrücke der Entdeckerpfade, damit verbunden die Ruhe der Natur. Ja, dieses herrliche Nichts hat mich so fasziniert. Das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter im Wind, tief unten in der Schlucht das Glucksen der Gumpen und Bäche. Wohltuende Anderswelten als Kontrast zu den so hektisch gewordenen Zeiten. Bei solchen Touren stellt sich mir immer wieder die Frage: Was ist eigentlich wichtig im Leben? Manch einer stellt hier materielle Werte in den Vordergrund, mir würde nach solchen Touren ein kleines Zimmer oder ein Kutschenwagen mit Pferd im Tal genügen, um gleich zur nächsten Tour aufzubrechen. Ich finde, man sieht es den Gleichgesinnten an, die man da und dort trifft. Sie tragen ihre ganz eigene Bergkleidung, bunt, bisweilen schrill, ein origineller Wanderrucksack, nur die Bergschuhe entsprechen zumeist dem Standard. Trittsicherheit hat ihren Preis. Kein Wortwitz, sondern Realität.
So gesehen beschreiben die Entdeckerpfade auch eine ganz eigene Welt, in der die Musik für mich einen wichtigen Platz hat. Auf jeder Tour hatte ich meinen ganz eigenen Ohrwurm, der am Ende des Buches in einer Playlist zu finden ist. Ich möchte mich bei meiner Bekannten Monika Schäfer ganz herzlich bedanken, die mich hin und wieder begleitet und ihre persönlichen Ohrwürmer beigesteuert hat, neben schönen Bildmotiven und einem perfekten Spürsinn für die Entdeckerpfade. Ebenso bei ihrem Vater Michael Schäfer, der diesen Spürsinn an seine Tochter weitergegeben hat. Oftmals haben wir drei an einer Weggabelung diskutiert, wie es weitergeht. Jeder hatte mal Recht, gegangen sind wir jedes Mal den richtigen Weg.
Mit ganz herzlichen Grüßen
Michael Kleemann
Gemütliche Rast von Margit und Michael Kleemann nahe der Oberauer Brunstalm, TOUR 7
Die Idee der Entdeckerpfade
Warum sind Entdeckerpfade manchmal nicht mehr zu finden?
Früher war es in den Bergen wichtig, gut zu Fuß voranzukommen. Ein ganzes Wegenetz an Pfaden und Steigen zog sich durch die Bergregionen, um Jagdhütten aber auch die Diensthütten der Forstämter miteinander zu verbinden. So konnte man auf diesen Pfaden auch größere Wegstrecken zurücklegen. Heute werden solche Wege nicht mehr oder nur noch vereinzelt benötigt. Forststraßen durchschneiden ganze Bergflanken und machen quasi jede Alm und Diensthütte mit dem Jeep erreichbar. Das bedeutet auch, dass diese Forststraßen die Pfade regelrecht zerschneiden. Gelangt man von einem Pfad auf eine querende Forststraße, ist es oft schwer, den Fortlauf des Weges auf der anderen Seite der Forststraße zu erkennen. Geht es mehreren Wanderern so, dann verwächst der Weg zusehends und es dauert nicht lange, bis schon nach zwei bis drei Jahren nicht mehr zu finden ist.
Wegweiser zum Lainbachfall, TOUR 35
Haben die »Entdeckerpfade« noch eine Zukunft?
Neben den erwähnten Verbindungssteigen zu Forst- und Jagdhütten erschlossen diese Wege auch Almen. Um mit dem Vieh und den Tragetieren hier heraufzukommen, führten die Wege in angenehmer, gleichmäßiger Steigung und in vielen Kehren bergauf. Sie waren zudem als Reitwege bekannt. Auch die königliche Gesellschaft wollte sich hier heraufbringen lassen. Vereinzelt wurden sogar Wege, zum Beispiel für König Ludwig II., angelegt, so um die Soiernkessel-Umrundung. Nur noch bruchstückhaft sind manche dieser alten Steige zu erkennen. Daneben gibt es Wartungswege, wenn beispielsweise Wasser aus einer Quelle mittels Rohrleitungen in das Tal geleitet wird. Diese Wege sind bis heute gut erhalten. Auch gibt es ehemals markierte Wanderwege, die aus verschiedenen Gründen aufgelassen wurden. Dann erinnern nur noch verblichene Markierungen an lebhaftere Zeiten.
Neben den erwähnten Forststraßen machen Stürme den Pfaden zu schaffen. Cyrill fegte aus Südwesten heran und traf Waldgebiete, die bislang als relativ windgeschützt für solche Wetterlagen galten. Ganze Waldflächen wurden hier vernichtet. Beispiel dafür ist die Region um Schwarzbachwacht in den Berchtesgadener Alpen. Auch einzelne Waldstücke in den Chiemgauer Alpen, die nach Südwesten ausgerichtet sind, waren betroffen, etwa am Gurnwandkopf und am Hochscharten. Dort, wo es die Hangneigung zuließ, wurden neue Forstwege gebaut, um Holz abzutransportieren. Sie zerschnitten abermals das Wegenetz dieser Pfade. An steilen Bergflanken, wo oft keine neuen Forstwege gebaut wurden, türmen sich zum Teil bis heute noch umgeknickte Bäume. Ein Durchkommen war an solchen Stellen nicht mehr möglich. Und dennoch, da und dort schlängeln sich neue Pfade hinauf – dort, wo der Wald noch intakt ist. Manche Einheimische markieren die Pfade, doch die gesprühten Punkte an den Bäumen halten Wind und Wetter vielleicht gerade einmal zwei Jahre stand, dann sind sie verblichen. Da hilft es, Steinmännchen zu bauen, die an einigen Pfaden zahlreich den Wegesrand säumen.
Ein Herz und eine Seele: Begleiterin Monika Schäfer mit Autorenhund Akira, TOUR 24
Buchautor Michael Kleemann an den Josefsthaler Wasserfällen, TOUR 26
Auch wenn wir am Berg schöne Aussichten genießen können, heißt meine Devise: Der Weg ist das Ziel. Deshalb sollten wir bedenken, dass das Wissen um diese Wegkultur weitergegeben werden sollte. Nur dadurch können wir auch ihren Erhalt sichern.
Erschließen wir die letzten ruhigen Ecken der Berge?
Durchaus skeptisch werden vor allem manche Einheimische dieser Art von Bergbuchliteratur gegenüberstehen. Doch ich bin sicher, dass dieses Werk nicht die Massen anlocken wird. Es bleibt eher den Individualisten vorbehalten. So gesehen hat es auch sein Gutes, denn der Erhalt der Entdeckerpfade bleibt nur dann gesichert, wenn sie regelmäßig begangen werden. Sonst würden sie zuwachsen. Viele Wanderer werden diese Wege ohnehin nicht begehen, denn die meisten möchten neben einem Panoramablick auch das kulinarische Erleben am Berg nicht missen. Auf den beschriebenen Wegen in diesem Buch gibt es jedoch selten Hütten oder Berggasthöfe, die am Rand liegen.
Sind die »Entdeckerpfade« in der Karte zu finden?
Diese Frage ist nicht immer eindeutig zu beantworten. Um tatsächlich die schwarz gestrichelten Linien der topografischen oder Alpenvereinskarten zu finden, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Weg entspringt aus einer Abzweigung anderer Wege heraus oder man sucht den Weg direkt im offenen Gelände. Steil bergauf werden wir ihn aber kaum finden. Zum einen sind diese Pfade beim Aufstieg durch die Bergflanken nicht zu erkennen, zum anderen sind wir dann schon etwas außer Puste und haben den Blick nicht dafür. Besser ist es, bergab in der Falllinie