Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman


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dich kennen zu lernen.«

      »Wenn es sich einrichten lässt, mache ich das vielleicht sogar, Chris«, erklärte Caroline, obwohl sie genau wusste, dass sie es nicht tun würde. Sie kannte solche Einladungen, die im Überschwang der Gefühle ausgesprochen wurden und im selben Moment auch ernst gemeint waren. Aber ein halbes Jahr später war das Leben weitergegangen und die Woche im Kellerwald nicht viel mehr als eine ferne Erinnerung.

      Sie winkte dem Bus nach, dann fuhr sie ins Informationszentrum und klopfte an die Tür zum Büro ihres Chefs.

      Henning Kuhlmann sah ihr gespannt entgegen. »Setz dich«, sagte er, »du hättest dich zwischendurch ruhig öfter mal melden können.«

      »Ich war schwer beschäftigt, Henning, aber ich muss sagen, das war eine ausgesprochen nette Gruppe. Solche hätte ich gern öfter. Und alle haben durchgehalten bis zum Schluss, sogar die mit dem untauglichen Schuhwerk, in dem sie sich Blasen gelaufen haben.«

      »Und Christian von Sternberg?«

      Sie zögerte. Von dem nächtlichen Erlebnis mit dem Fotografen hatte sie ihm bei ihren kurzen Telefonaten zwischendurch noch nichts erzählt, und sie war auch jetzt noch nicht sicher, ob sie es überhaupt erwähnen sollte. Henning würde sich nur darüber aufregen. Aber es war zu spät, ihr Zögern hatte ihn aufmerksam gemacht.

      »Heraus mit der Sprache!«, forderte er energisch. »Was ist passiert?«

      Also erzählte sie ihm, wie sie den Fotografen in die Flucht geschlagen hatte. Zu ihrer Erleichterung fing er an zu lachen, statt sich aufzuregen. »Das hätte ich gern gesehen und gehört, wie du den Mann verfolgt und beschimpft hast«, lachte er. »Dem hast du bestimmt einen Heidenschrecken eingejagt. Ich erinnere mich, als ich dich das erste Mal so wütend erlebt habe. Da bin ich ja aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen. Dass du temperamentvoll bist, wusste ich, aber was da zum Vorschein kam, war ein richtiger Vulkan …«

      Caroline grinste verlegen. »Erinnere mich bitte nicht daran, ich bin nicht stolz darauf. Außerdem gerate ich nur noch selten so außer mir. Aber sich spätabends auf die Lauer zu legen und zu fotografieren, das hat mich wirklich zornig gemacht. Außerdem hatte ich den Typen vorher schon mal gesehen, hier im Zentrum. Allerdings dachte ich da, er wollte vielleicht mit mir flirten, weil er mich nicht aus den Augen gelassen hat.«

      »War er attraktiv?«

      »Ja«, antwortete Caroline ohne zu zögern. »Ich fand ihn sehr attraktiv, jedenfalls in dem Moment. In der Nacht dann überhaupt nicht mehr, da fand ich ihn nur noch eklig, aber vorher …«

      »Schade, dass wir nicht wissen, wer der Kerl ist«, sagte Henning. »Es ist immer gut, wenn man ihre Gesichter kennt, dann haben sie es nicht mehr ganz so leicht, ihrem Geschäft nachzugehen.«

      »Er wird nicht wiederkommen, Henning«, meinte Caroline. »Der kleine Fürst ist abgereist, und andere Prominente verirren sich ja eher selten hierher. Hier ist kein gutes Pflaster für Paparazzi.«

      »Zum Glück«, seufzte Henning.

      »Ich fahre dann mal nach Hause, Wäsche waschen und ein paar Tage lang meine Wohnung genießen«, sagte Caroline. »Die nächste Gruppe kommt ja schon nächste Woche.«

      »Aber nur drei Tage, oder?«

      Sie nickte. »Ich freue mich, mal wieder zu Hause zu sein. Weißt du, ich bin ja gern unterwegs, und die letzten Tage habe ich wirklich genossen, aber es ist auch anstrengend, acht bis zehn Stunden jeden Tag Fragen zu beantworten und sich Geschichten anhören zu müssen. Ich werde jetzt erst einmal die Stille genießen.«

      »Dann viel Spaß dabei, Caro.«

      *

      Zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Sternberg gab der kleine Fürst Ferdinand von Stade das vereinbarte Interview. Der junge Journalist kam zu diesem Zweck ins Schloss, darum hatten Baronin Sofia und Baron Friedrich gebeten. Und sie hatten darauf bestanden, gemeinsam mit Anna, Konrad und Barbara von Kreyenfelss in Hörweite bleiben zu dürfen, um gegebenenfalls eingreifen zu können, wenn sie das Gefühl hatten, dass der Junge zu viel von sich preisgab.

      Doch diese Sorge hätten sie nicht haben müssen. Christian war durch die gründliche Vorarbeit der Anwälte bestens auf diesen Termin vorbereitet. Er wirkte offen und verletzlich, war aber zugleich konzentriert und präzise in seinen Antworten. Als Ferdinand von Stade die Frage stellte, ob er schon einmal auf den Gedanken gekommen sei, sein Vater könnte seine Mutter tatsächlich betrogen haben, hielten seine Zuhörer den Atem an.

      »Ja«, antwortete der kleine Fürst. Er war blass, wirkte aber ruhig und gelassen. »Natürlich bin ich auf diesen Gedanken schon gekommen. Viele Männer betrügen ihre Frauen, warum also nicht auch mein Vater? Aber wenn er es getan hätte, hätte er es meiner Mutter irgendwann erzählt. Und wohl auch uns anderen. Er konnte nicht lügen. Selbst wenn er mal versucht hat zu schwindeln, hat er schon kurz darauf alles zugegeben. Er konnte sich nicht verstellen. Jeder, der ihn kannte, wird Ihnen das bestätigen. Und ein Mann, der nicht lügen kann, kann nicht fast zwanzig Jahre lang ein solches Geheimnis für sich behalten. Wenn ich wieder einmal an ihm zweifele, dann denke ich daran, dass er nicht lügen konnte, und dann verschwinden die Zweifel sofort.«

      »Ein Beweis ist das nicht«, stellte Ferdinand von Stade fest.

      »Beweise hat auch Frau Roeder bisher nicht vorgelegt«, erwiderte der Junge.

      Der Journalist beugte sich vor. »Würden Sie mir davon erzählen?«, bat er.

      »Sie hat uns Fotos geschickt, auf denen sie zusammen mit meinem Vater zu sehen ist, aber es können Fotomontagen sein, das lässt sich nicht feststellen. Und dann hat sie die Kopie eines Briefs geschickt, den angeblich mein Vater an sie geschrieben hat.«

      »Und?«

      »Zwei Gutachter haben gesagt, es sei seine Schrift.«

      »Spricht das nicht gegen Ihren Vater?«

      Der kleine Fürst nickte nachdenklich, bevor er seine nächste Antwort gab. Über diesen Teil des Interviews hatte er besonders lange mit den Anwälten gesprochen. Was Ferdinand von Stade nicht wusste, war, dass zur Stunde die Anzeige bei der Polizei einging, die die Sternberger gegen Corinna Roe­der erhoben hatten. »Es spräche gegen meinen Vater«, sagte er ruhig, »wenn nicht auf dem Computer eines Mannes, den Frau Roe­der regelmäßig aufgesucht hat, eine Schriftprobe meines Vaters gefunden worden wäre. Dieser Mann beschäftigt sich unter anderem mit der Herstellung von Fotomontagen. Wenn Sie so wollen also: mit Fälschungen.«

      Ferdinand von Stade beugte sich vor. Diese Aussage war eine Sensation, denn zum ersten Mal ließen die Sternberger sich in die Karten blicken. Von diesem Mann war bisher nirgends die Rede gewesen. »Und dafür gibt es Zeugen?«, fragte er, mühsam seine Aufregung unterdrückend. »Dass Frau Roeder Kontakt mit diesem Mann hatte?«

      »Dazu möchte ich mich nicht äußern«, erklärte Christian. »Es ist jedenfalls nicht alles so eindeutig und klar, wie es für manche bis jetzt vielleicht ausgesehen hat.«

      »Das mag sein. Aber Sie sind natürlich befangen, als Sohn des Mannes, um den es hier geht. Es ist klar, dass Sie Partei für ihn ergreifen.«

      »Mein Vater ist von sehr vielen Menschen verehrt und geliebt worden«, sagte der kleine Fürst, »viele verehren und lieben ihn noch heute. Wer ihn kannte, weiß, dass mein Bild von ihm nicht falsch ist. Und wer ihn nicht kannte, sollte sich nicht auf die Aussagen einer Frau verlassen, der es nur ums Geld geht.«

      Barbara von Kreyenfelss stieß kaum hörbar die Luft aus und murmelte Sofia zu: »Er macht das großartig, besser kann man es gar nicht machen.«

      Die Baronin nickte. Sie hatte Tränen in den Augen, so sehr wühlte das Gespräch, das ihr Neffe mit dem Journalisten führte, sie auf. Lisa, dachte sie, du wärst sehr stolz auf deinen Sohn, wenn du ihn jetzt sehen und hören könntest.

      Anna war sehr blass, ihre beiden Hände waren zu Fäusten geballt. Auch Konrad wirkte angespannt, aber beide ließen ihren Cousin nicht aus den Augen, als könnten sie ihm auf diese Weise Kraft spenden.

      Wenig