der draußen in der Eingangshalle auf ihn gewartet und auf einen Spaziergang im Park gehofft hatte, winselte kläglich, als der kleine Fürst nach oben lief.
Das sah nicht nach einem Spaziergang aus.
*
»Was hat er gesagt?«, fragte Patrick Herrndorf besorgt, als Corinna mit blassem, verschlossenem Gesicht aus dem Büro des Direktors zurückkehrte. »Er hat dich doch nicht etwa entlassen?«
Sie schüttelte den Kopf. Als sie die Tür zu ihrem Büro öffnete, folgte er ihr. »Darf ich? Oder willst du lieber allein sein?«
»Im Gegenteil, ich will jetzt auf keinen Fall allein sein.« Ihre Stimme zitterte kaum merklich. »Er hat mich nicht entlassen, Patrick, aber er hat mir gesagt, dass es dem Hotel auf Dauer schadet, wenn ich schlechte Presse habe. Noch ist es nicht so, weil viele Leute unbedingt einen Blick auf die Frau werfen wollen, die den Vater des kleinen Fürsten zu Unrecht beschuldigt hat, aber …« In ihre Augen traten Tränen.
Er musste an sich halten, um sie nicht in die Arme zu nehmen. »Du weißt doch, wie schnell sich die öffentliche Meinung ändert«, sagte er besänftigend. »Die ganze Zeit war die Stimmung eher für dich, jetzt dreht sie sich ein bisschen, aber das geht bald wieder anders herum. Die Polizei hat doch praktisch schon zugegeben, dass sie nichts gegen dich in der Hand haben.«
»Wie denn auch?«, rief sie verzweifelt. »Ich sage doch die Wahrheit, sie KÖNNEN überhaupt nichts gegen mich in der Hand haben.«
»Dann versuch, dich zu beruhigen«, riet er. »Lass dir nicht anmerken, wie es in dir aussieht. Bisher hat das Hotel nur Nutzen aus deiner Geschichte gezogen, und das weiß der Chef auch ganz genau.«
Sie nickte, aber ihre Augen waren immer noch feucht. »Du bist ein echter Freund, Patrick, ich werde dir das nie vergessen«, sagte sie leise.
Nun umarmte er sie doch, aber nur ganz leicht und nur sehr kurz. Danach verließ er schnell ihr Büro, damit sie nicht merkte, wie sehr es ihn aufwühlte, ihr so nahe zu kommen. Er musste gut auf sich aufpassen, sonst verliebte er sich am Ende doch noch in sie, und das konnte, wie er sich ja schon oft genug klar gemacht hatte, eigentlich nur schief gehen.
*
»Ich kann es noch immer nicht richtig glauben, dass ich jetzt hier sitze und mit Ihnen allen Tee trinke«, sagte Jakob. »Schloss Sternberg ist schließlich berühmt, ich hatte mir schon oft vorgenommen, es mir einmal aus der Nähe anzusehen, aber es ist immer beim Vorsatz geblieben. Ich danke Ihnen sehr für die Einladung.«
»Wir duzen uns mit allen Gästen«, klärte Anna ihn auf. »Mama und Papa nicht, aber Chris, Konny und ich. Was hast du dir gedacht, als Chris dich angerufen hat?«
»Anna, du bist vorlaut«, rügte die Baronin. »Vielleicht möchte Herr von Falckenberg sich gar nicht mit euch duzen.«
»Doch, gerne, Frau von Kant, es fällt mir, ehrlich gesagt, schwer, Jugendliche zu siezen.« Jakob wandte sich Anna zu. »Ich bin aus allen Wolken gefallen, was dachtest du denn? Zuerst habe ich sogar überlegt, ob mich vielleicht jemand auf den Arm nimmt – aber er hat dann ja meinen Brief zitiert, und da war ich ziemlich sicher, dass er der ist, der er behauptet zu sein.« Er lächelte Christian zu. »Nochmals vielen Dank, Chris, dass du mir nicht mehr böse bist. Die Entdeckung, wen ich da zusammen mit Frau von Hessen fotografiert hatte, war ein ziemlicher Schock für mich.«
Eberhard Hagedorn erschien an der Tür und räusperte sich kurz. »Frau Baronin, Herr Baron«, sagte er, »es wäre dann so weit …«
Christian sprang auf. »Komm mit, Jakob, wir haben dir doch eine Überraschung versprochen.«
Jakob erhob sich. »Ich bin aufrichtig gespannt«, sagte er.
»Du musst Herrn Hagedorn folgen«, erklärte Christian. »Wir anderen bleiben hier.«
Fragend sah Jakob Baronin Sofia und Baron Friedrich an. »Wissen Sie, worum es bei dieser Überraschung geht?«, erkundigte er sich.
»Ja, und Sie brauchen keine Angst zu haben«, antwortete der Baron mit breitem Lächeln.
Jakob folgte also dem alten Butler mit dem sympathischen Gesicht und den klugen Augen, der zu seinem Erstaunen das Hauptportal öffnete. »Es ist Besuch angekommen, mit dem Sie einiges zu klären haben, Herr von Falckenberg«, sagte er. »Ein Spaziergang im Schlosspark würde sich für das Gespräch sicherlich anbieten, das Wetter lässt das ja heute zu.«
Jakob trat aus dem Gebäude und fing an zu blinzeln, als er sah, wer soeben aus einem Auto stieg und auf ihn zukam: Es war Caroline von Hessen. Sie schien ebenso unvorbereitet zu sein wie er, denn sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihn erkannte.
»Was soll das denn?«, fragte sie. »Ich …« Sie brach ab, sichtlich verwirrt. »Ich glaube, Sie sind mir ein paar Erklärungen schuldig«, sagte sie schließlich.
»Gerne«, erwiderte er. »Wollen wir in den Park gehen?«
»Ich weiß nicht, ich werde erwartet, ich bin eingeladen worden …, wobei mir das schon ein wenig seltsam vorkam. Christian von Sternberg sprach von einer Überraschung …«
»Ich nehme an, die Überraschung bin ich«, erklärte Jakob. »Mich haben sie auch hierhergelockt, jetzt wird mir einiges klar. Ich glaube, sie wollten uns nur helfen, uns auszusprechen.«
»Auszusprechen?«, fragte Caroline, und ihr Gesichtsausdruck wurde abweisend. »Ich wüsste nicht, warum ich mich mit Ihnen aussprechen sollte.«
»Gehen wir? Ich erkläre Ihnen alles.«
Widerwillig folgte sie ihm in den Schlosspark. Er begann ein wenig überstürzt mit seinen Erklärungen, aber schon bald wurde er ruhiger, als er merkte, wie aufmerksam sie ihm zuhörte und dass alle Feindseligkeit aus ihren Zügen wich. Sie lächelte sogar, als er ihr seine Verzweiflung nach dem missglückten nächtlichen Abenteuer beschrieb. »Am Tag darauf bin ich abgereist, habe die Bilder entwickelt, und dann kommt zufällig ein Freund vorbei und fragt mich, ob ich überhaupt eine Ahnung hätte, wen ich da fotografiert habe – außer Ihnen, meine ich. Ich hatte wirklich nur Augen für Sie.«
Er beschrieb ihr auch noch, wie die Geschichte weitergegangen war und schloss mit den Worten: »Jedenfalls hat Christian mich angerufen und mir gesagt, ich müsste unbedingt herkommen, seine Tante und sein Onkel bestünden darauf, mich kennen zu lernen. Na ja, ich hatte ja noch Urlaub, weil ich zu früh aus dem Kellerwald abgereist war, also habe ich mich auf den Weg nach Sternberg gemacht. Und jetzt laufe ich mit Ihnen durch den Schlosspark, wo ich eigentlich davon ausgegangen bin, Sie nie wiederzusehen.«
»Geben Sie immer so schnell auf?«, fragte sie.
»Aufgeben? Na, hören Sie mal, nachdem Sie mir das Gesicht zerkratzt und auch sonst ziemlich deutlich gemacht hatten, was Sie von mir hielten …«
»Es tut mir leid«, sagte sie mit überraschend sanftem Lächeln. »Ich war furchtbar sauer, weil ich dachte, Sie hätten schon im Informationszentrum nur wegen Christian auf der Lauer gelegen, wo ich doch insgeheim gehofft hatte, Sie hätten sich für mich interessiert.«
»Das haben Sie gehofft?«, fragte Jakob. Sein Herz schlug schneller. »Aber das hieße ja …, das hieße ja …«
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Ja, natürlich, das heißt es ja auch«, sagte sie. »Du bist mir nicht aus dem Kopf gegangen, und dann ertappe ich dich dabei, wie du Fotos vom kleinen Fürsten machst. Wundert es dich da, dass ich sauer geworden bin?«
Er legte den Kopf in den Nacken und begann zu lachen. Es war ein lautes, glückliches, erleichtertes Lachen, mit dem die Anspannung der letzten Woche endlich von ihm wich. Alle Gedanken, die er sich gemacht hatte, seine Scham, seine Reue, sein Zorn – alles war ganz überflüssig gewesen. Er hätte diese eigenwillige junge Frau nur dazu bringen müssen, ihm zuzuhören und ihm seine Geschichte zu glauben.
»Bist du bald fertig mit Lachen?«, fragte sie.
Er gluckste noch immer leise, als er sie in die Arme nahm und an sich zog. »Caroline von Hessen«, murmelte er, bevor er sie küsste, »ich wusste sofort,