Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 17 – Familienroman


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hatte? Deshalb wollte er unter allen Umständen Whisky aus den Hotelbeständen haben.

      »Ich möchte Whisky von Ihnen serviert haben, und zwar sofort«, herrschte er den erschrockenen Zimmerkellner an, der es nur gut gemeint hatte. Denn Selbstbedienung aus der Privatbar war billiger als Zimmerservice.

      »Sehr wohl, mein Herr«, murmelte der junge Mann und nahm sich vor, die kleine Bar im Zimmer der beiden Deutschen zu überprüfen. Vielleicht fehlte die richtige Whiskysorte. Man sollte als Kellner eben grundsätzlich den Mund halten und tun, was der Gast wünschte. Dann ging man Grobheiten aus dem Weg.

      Doch zu seiner Überraschung gab ihm Kurt Schlüter ein gewaltiges Trinkgeld, als er mit dem Whisky auf einem Tablett zurückkehrte. Er hatte Eisstückchen in einer Schale danebengestellt, damit der Gast sich selbst etwas in den Whisky tun konnte, wenn er das wünschte.

      »Vielen Dank, Herr Generaldirektor«, dienerte der Kellner und verließ die Suite. Dabei dachte er, dass es wirklich ein Kunststück besonderer Art sei, aus dem klug zu werden, was Gäste dachten und wünschten.

      Kurt Schlüter trank nun von seinem unverdünnten Whisky. Es kam ihm dabei vor, als werde es auf einmal glasklar in seinem Hirn. Ich habe immer gewusst, dass sie nur mein Geld will, dachte er. Aber dass sie so weit gehen könnte, mich zu beseitigen, um am Ende nur mein Geld zu besitzen, nein, das hätte ich ihr nicht zugetraut.

      Aber noch etwas wurde Kurt Schlüter bewusst: dass er, seit er nur noch an das gierige Zusammenraffen von Geld dachte, keinen einzigen wirklichen Freund mehr besaß. Selbst Alexander von Schoenecker, den er auf dem Abituriententag wiedergesehen hatte, zeigte ihm gegenüber eine gewisse Reserviertheit. Damals, als er in Sophienlust gewesen war, um seinen Jungen abzuliefern, hatte er absichtlich die Augen davor verschlossen, dass das Ehepaar von Schoenecker seine Verhaltensweise nicht billigte. Denise von Schoeneckers Frage, ob er mit seiner Frau verreise, klang ihm so deutlich im Ohr, als sei sie eben erst ausgesprochen worden.

      Die Einzige, die immer zu mir halten wollte, war Angela, dachte Kurt Schlüter. Es fiel ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ja, sie hatte nicht aufgehört, ihn zu lieben. Sie hasste obendrein das viele Geld, von dem sie annahm, dass es die Schuld an der Zerrüttung ihrer Ehe trage. So abgrundtief war ihre Abneigung gegen diesen zusammengerafften Reichtum, dass sie auf eine Unterstützung von seiner Seite verzichtete und sich ihren Lebensunterhalt lieber selbst verdiente. Sie mochte von dem bösen Geld nichts annehmen. Keinen Cent wollte sie.

      Es ist zu spät, ging es dem reichen, müden Mann durch den Sinn. Gegen ein Flittchen wie Hella von Walden kann ich mich zur Wehr setzen und Hella bestrafen, wie sie es verdient. Aber das, was früher war, kann ich nicht zurückholen. Mit dem vielen Geld, das in mein Haus gekommen ist, ist das Glück hinausgegangen. So ähnlich hat Angela es auch ausgedrückt, als ich sie fortschickte. Warum habe ich sie eigentlich verstoßen?

      Kurt Schlüter strich sich über die Stirn, auf der Schweißperlen standen. Seit ich die vielen Geschäfte im Kopf habe, habe ich mir keine Zeit mehr zum Nachdenken genommen, überlegte er weiter. Gesellschaftliches Ansehen und Geld hielt ich für die wichtigsten Dinge im Leben. Jetzt kommt es mir vor, als wäre mir verdammt wenig geblieben. Ich habe keine Zeit gehabt, mir alles richtig zu überlegen. Und Angela hat nur geweint. Sie wehrte sich ja nicht. Wenn sie sich doch wenigstens gewehrt und um unser Glück gekämpft hätte!

      Kurt Schlüter schüttelte den Kopf. Nein, nein, er durfte Angela keine Vorwürfe machen. Es hatte zu jenem Zeitpunkt keinen Sinn gehabt, den Kampf mit ihm aufzunehmen. Auf ihre Weise hatte Angela es sogar versucht, indem sie seinem Begehren nach Scheidung ihr Nein entgegengesetzt hatte. Das hatte er ihr übel genommen. Aber ohne ihre Weigerung wäre er heute bereits mit Hella von Walden verheiratet und vielleicht schon – tot. Durch die Ehe wäre Hella automatisch seine Erbin geworden und hätte ihr das Gift besorgt, und sie hätte es ihm mit einem leckeren Paprikagericht oder im Kaffee serviert! Da jedermann wusste, dass er sich in den letzten Jahren überarbeitet und keine Ruhe gegönnt hatte, hätte es dann vielleicht geheißen, Herzinfarkt – wieder einmal die Managerkrankheit!

      Kurt Schlüter schüttelte sich ein wenig. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass ihn eine kalte Hand berühre. Unwillkürlich blickte er sich um. Aber er war allein im Wohnzimmer seines Luxusappartements, in dem der Duft von Hellas Parfüm hing.

      Fast zwei Stunden vergingen so. Dann öffnete sich die Tür.

      »Ach, hier bist du, Liebster«, vernahm Kurt Schlüter Hellas Stimme, deren falscher Ton seinen Ohren jetzt weh tat. »Ich habe lang mit dem Essen gewartet und dachte, dass du vielleicht aufgehalten worden bist in der Stadt oder Bekannte getroffen hast. So etwas kann ja mal vorkommen.«

      »So? Ist die Essenszeit schon vorbei? Ich habe gar nicht darauf geachtet. Aber ich habe auch keinen Hunger. Hast du mit Herrn Borek gespeist?«

      »N-n-nein. Er saß an seinem Tisch und ich an meinem.«

      »Natürlich, du musstest ja damit rechnen, dass ich jeden Augenblick kommen konnte«, warf er spöttisch hin und spürte dabei ihren unsicheren, forschenden Blick. Mochte sie sich ruhig ein wenig das Köpfchen zerbrechen!

      »Willst du … willst du dich jetzt nicht schlafen legen wie jeden Tag? Ich möchte mich umziehen und schwimmen gehen.«

      »Tu nur, was du vorhast. Ich ruhe mich nachher noch ein bisschen aus. Im Augenblick sitze ich ganz gut hier.«

      »Soll ich dir noch einen Whisky einschenken? Herr Borek hat mir eine Flasche Gordon’s besorgt, als ich ihm erzählte, dass du den besonders gern magst. Er ist wirklich sehr aufmerksam.«

      »Danke, im Augenblick habe ich genug. Stelle ihn nur dorthin. Dann kann ich die Flasche später aufmachen.«

      »Wie du willst. Ich werde den Whisky ins Kühlfach tun, damit er schön kalt ist.«

      »Danke. Sehr aufmerksam von dir.«

      Spürte sie seinen Spott? Jedenfalls bemerkte er deutlich, dass ihre Hand zitterte, als sie das Barfach mit der elektrischen Kühlung öffnete und die Flasche mit dem Whisky hineintat. So also wird es gemacht, dachte er ergrimmt. Sogar meine Lieblingsmarke, die hier bestimmt schwer zu bekommen ist, haben sie aufgetrieben. Ich muss sagen, die Sache ist wirklich brillant ausgedacht, und sie haben den Vormittag gut ausgenutzt. Ich muss mir nachher die Flasche ansehen. Sie muss ja geöffnet und dann wieder verschlossen worden sein. Aber das ist wohl für einen Halunken wie Borek kein besonderes Kunststück.

      Kurt Schüler schaute nicht einmal hin, als Hella sich auszog und in den Bikini schlüpfte. Das schöne blonde Mädchen war ihm vollkommen gleichgültig geworden. Sie jedenfalls würde nicht neben ihm in seiner prunkvollen Villa in Augsburg Gäste empfangen und als Hausfrau repräsentieren! Das war aber im Augenblick das Einzige, worin sich die heimlichen Gedanken der beiden deckten. Nur sah der Weg, der zur endgültigen Trennung führte, von Hellas Seite etwas anders aus als von der seinigen.

      Nun, Kurt Schlüter wusste, er hatte den längeren Atem, weil er den teuflischen Plan seiner Geliebten und ihres Komplicen haargenau kannte und nun sogar annehmen konnte, dass sich das tödliche Gift in der Whiskyflasche befand. Wie plump das doch war! Dennoch gestand er sich ein, dass er wahrscheinlich darauf hereingefallen wäre, hätte er nicht das Gespräch der beiden am Swimming-pool belauscht!

      Hella ging an ihm vorbei, streifte dabei mit einer scheinbar zärtlichen Bewegung seine Wange und beugte sich nieder, um ihn zu küssen: »Ruh dich nur schön aus, Liebster. Um halb fünf trinken wir wie immer Tee.«

      »Danke, Hella.« Kurt Schlüter wendete den Kopf weg, denn er wollte ihren Kuss nicht. Sie war ihm plötzlich widerlich und unsympathisch geworden. Dass eine Frau sich so verstellen konnte? Dass sie monatelang Liebe heucheln und doch nur an sein Geld und obendrein an seine Ermordung denken konnte!

      Er atmete befreit auf, als sie hinausgegangen war. Dann nahm er die Flasche aus dem Kühlfach der Bar und betrachtete sie aufmerksam. Wenn etwas hineingetan worden war, dann war es mit größter Geschicklichkeit und Vorsicht geschehen. Der Verschluss wirkte unberührt. Aber es war dieser englische Klappverschluss, der sich verhältnismäßig leicht öffnen und wieder verschließen ließ. Gordon’s eignete sich also offenbar besonders