auszuhalten.«
»Dad, du wirst fragen«, sagt Cal ruhig. »Ich habe nichts anderes zu sagen als das, was ich geschrieben habe. Ich mußte sie offen abgeben. Dad, nichts an allem, was sie geschrieben oder geredet haben, ist wahr. Ich habe nie jemandem Informationen geliefert.«
Der Alte nickt, brummelt unwirsch:
»Was soll das? Hätte ich eine Sekunde an dir gezweifelt, wäre ich nicht hier. Ich habe diesen Narren meine Meinung gesagt.«
»Du hättest das nicht tun sollen. Für sie bin ich ein Verräter, dem sie nur nichts beweisen konnten, Dad!«
Der alte Mann sieht ihn scharf an, zerrt und zupft an seinem Bart.
»Verräter, wenn ich das Wort nur höre. Diese Narren, sie sind ja nicht normal.«
Brendan liegt still. Er blickt seine Mutter nicht an, nur seinen Vater. Und plötzlich weiß er, daß der alte Mann krank ist, krank vor Zorn, daß man seines Sohnes Ehre in den Dreck gezogen hat und damit auch seine.
»So ist das? Die Nachbarn reden?« fragt er gepreßt. »Ihr habt wohl meinetwegen etwas Ärger?«
»Junge, was du denkst…«, flüstert seine Mutter schnell. »Du kennst doch unsere Nachbarn. Es waren Südstaatler, die meisten jedenfalls. Für sie könntest du nur…«
»Was?« fragt er, ehe der alte Mann etwas sagen kann. »Für den Süden ein guter Mann – oder was sonst? Und die anderen Nachbarn? Sie reden doch, sie schneiden euch, oder?«
»Das – das kann man nicht schneiden nennen, Sohn«, murmelt der alte Mann finster. »Ihre verdammte, falsche Freundlichkeit nach außen. Ich kann sie nicht mehr ansehen, ohne daß mir schlecht wird. Diese verlogenen Gesichter und Augen, hol’s der Teufel!«
»William, der Junge ist krank. Wir wollten doch nicht darüber reden, William.«
»Mutter«, sagt Brendan ganz gelassen. »Ich habe viel Zeit gehabt, nachzudenken, das kannst du mir glauben. Sicher habe ich über euch und unsere Nachbarn nachgegrübelt. Ich weiß schon einige Zeit, wie Menschen sein können. Heute lieben sie dich, morgen bist du ihnen verhaßt.«
Er hört ihre heftigen Atemzüge und blickt seinen Vater an.
»Dad, hast du direkten Ärger?«
»Nein, den nicht, aber man merkt es, daß nichts mehr wie früher ist und sein wird. Wir hatten eine Menge Freunde, sogar oben in Washington. Ich bin schließlich nicht irgendwer. Aber sie haben es vergessen. Mich stört es nicht, ich habe schlimmere Dinge erlebt. Es regt mich nur auf, daß sie dich ohne Angabe von Gründen entlassen haben. Das ist genauso schlimm, als hätten sie es dir auf die Stirn gebrannt, daß du für sie ein Verräter bist. Entweder wird man ehrenhaft aus der Armee entlassen, oder man stößt jemanden unehrenhaft aus. Das Mittelding ist die Entlassung ohne Angabe von Gründen. Du hast deine Pflicht getan die ganzen Jahre. Und dann versagst du einmal. War es ein Versagen?«
»No, Dad«, antwortet Brendan leise. »Ich habe mir hundertmal überlegt, was ich anders hätte tun sollen. Es gab jedoch keine andere Möglichkeit für mich. Wenn es irgendeinen Fehler an der Sache gegeben hat, dann den, daß ich nicht auf freiem Gelände hielt und die nächste Patrouille abwartete. Das hätte jedoch meinem Befehl widersprochen, ohne Aufenthalt den Transport ans Ziel zu bringen. Bei der ganzen Sache gibt es einige Ungereimtheiten, seltsame Dinge, die unbegreiflich sind für mich.«
»Und was sind das für Dinge?«
»Alles, was mit Captain Dweller zusammenhängt, Vater!«
»Mit Dweller, diesem untadeligen Mann, der sein Leben verlor, um das anderer zu retten, Junge!« fragt der Alte verstört. »Man hat mir nicht erlaubt, die Protokolle zu lesen, aber ich hab’ dennoch alles erfahren. Einige Verbindungen sind mir ja geblieben. Was ist mit Dweller?«
»Nichts, was für mich in Ordnung wäre«, gibt Brendan zurück. »Ich begreife nicht, warum kein anderer daran gedacht hat, aber ich liege hier und beschäftige mich seit Monaten nur noch mit dem Captain, Dad. Da gibt es zuerst zwei Fragen, und auf jede einige Antworten.«
»Ich verstehe nicht, Junge, was soll das? Der Mann ist tot.«
»Ist er das?«
»Was?«
»Ist er wirklich tot?« wiederholt Brendan grimmig. »Oder lebt er noch? Halte mich nicht für verrückt. Ich weiß, es klingt alles verrückt, was ich sagen werde. Es kommt mir ja selbst völlig närrisch vor, aber es könnte genau passen. Es gibt auf alles eine Antwort, und jedesmal stimmt sie. Da war zuerst mein Zusammenstoß mit Dweller. Er verlangte von mir, daß ich zum Nachschubweg zurückkehren sollte. Er wußte, daß ich im Wald Rebellen vermutete. Er wollte mit aller Gewalt zurück zur Straße. Die Antwort darauf bekommst du gleich. Vorher aber die nächste Frage, Dad: Warum schickte Dweller Fisk vom Wagen? Fisk war auf dem Wagen so sicher wie unter ihm. Und dann, warum fuhr Dweller den Kurierwagen plötzlich selbst? Wo blieb sein Fahrer Mansfield?«
Er macht eine Pause und schließt die Lider.
»Und nun die Antworten«, sagt er danach. »Mansfield war tot. Er muß tot auf dem Wagen gelegen haben, Dad, denn er ist mit ihm in die Luft geflogen. Man hat ihn so wenig gefunden wie Dweller. Uniformfetzen, das war alles. Dweller schreit Fisk an, der Wagen brenne, er solle wegrennen. Und was ist mit Mansfield? Zu der Zeit, als Fisk in den Wagen blickt, lebt Mansfield noch. Dann fährt der Wagen hinter dem Porters her. Porter sagt aus, man habe nicht mehr auf ihn geschossen. Warum nicht? Weil sich der Kurierwagen unmittelbar hinter Porter befand und die Rebellen, wollten sie Porter treffen, erst durch den Kurierwagen schießen mußten. Auf den aber sollten sie auf keinen Fall feuern, besagte ihr Befehl! Jetzt frage ich dich: Wie kann Mansfield sterben, wenn er nicht beschossen und also auch nicht getroffen wird? Dennoch fliegt Mansfield mit dem Wagen in die Luft. Er muß es, denn man hat nichts mehr von ihm gefunden.«
Der alte William Brendan reißt die Augen auf und sieht seinen Sohn bestürzt an.
»Das sind doch nur Ideen, Junge.«
»Nur langsam mit deinem Urteil, Dad«, murmelt Brendan grimmig. »Ich habe auch erst gedacht, ich sei närrisch, aber nach und nach wurde mir alles klarer. Hör zu: Mansfiel muß auf dem Wagen erschossen oder niedergeschlagen worden sein. Wenn Dweller Fisk wegschickte, warum ließ er dann Mansfield nicht abspringen? Wollte er Mansfields Leben retten, mußte er ihn vom Wagen schicken, das ist doch klar, wie? First Sergeant Bowley sah Dweller fahren, nicht Mansfield. Also lag Mansfield zu der Zeit schon im Kasten. Die ganze Sache ist faul, Dad. Dweller war der einzige Mann, der wußte, was auf seinem Wagen war. Er hatte als Nachschub- und Kurieroffizier alle Möglichkeiten, an Transportpläne für die ganze Armee zu kommen. Er war der einzige Mann, der wußte, daß er Geld in den Kisten hatte. Jemand bat ihn, den Sprengstoff mitzunehmen. Das war so vorgeplant, um unter den Sprengstoffkisten andere mit Geld zu verstecken. Dweller wollte mit Gewalt zur Straße zurück. Ich kann dir sagen, warum. Er wollte überfallen werden. Er glaubte mir jedes Wort.«
»Großer Gott, viele Fragen und auf jede eine Antwort«, keucht William Brendan verstört. »Junge, noch verstehe ich nicht alles, aber rede weiter, schnell.«
»Ja«, sagt Brendan kühl. »Dweller schenkte meinen Worten Glauben, tat aber so, als hielte er mich für einen Narren. Er wollte mich veranlassen, die Wagen oder doch ihn mit seinem Kurierwagen zur Straße zu schicken. Dort hätte man ihn überfallen. Er muß den Ort gewußt haben, die Stelle im Wald, an der man wartete. Dieser Rebellen-Second hat ausgesagt, sie hätten Befehl gehabt, im Wald den Überfall zu machen, aber Jackson habe sich geweigert und den anderen Platz am Hohlweg vorgeschlagen. Jackson weigerte sich, weil er erfuhr, daß ich die Kolonne führte. Er wußte, daß ich, erfuhr ich von durchgerittenen und irgendwo verschwundenen Rebellen, den Weg vor den Wagen absuchen würde. Begreifst du, Dad, Jackson änderte den Überfallplan. Das konnte Dweller nicht wissen. Er war sicher, daß man im Wald auf ihn warten würde. Deshalb wollte er unbedingt hin. Er muß seinen Plan fertig gehabt haben. Dweller wollte den Wagen in die Luft fliegen lassen, nachdem er davongejagt war. Er brauchte nur Mansfield und Fisk zu erschießen, dann konnte er mit dem Wagen davonjagen. Er wußte, niemand würde auf ihn feuern.