Klaus Mann

Der Vulkan


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       Klaus Mann

      Der Vulkan

      Roman unter Emigranten

      e-artnow, 2021

       Kontakt: [email protected]

      EAN 4064066384098

       Prolog

       Erster Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Zweiter Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Dritter Teil

       Erstes Kapitel

       Zweites Kapitel

       Drittes Kapitel

       Viertes Kapitel

       Fünftes Kapitel

       Epilog.

       Unsre Bestimmung verfügt über uns, auch wenn wir sie noch nicht kennen; es ist die Zukunft, die unserm Heute die Regel giebt.

      Nietzsche Vorrede zu „Menschliches Allzumenschliches”

      Prolog

       Inhaltsverzeichnis

      Ein junger Mensch saß in einem Berliner Pensionszimmer und schrieb einen Brief.

      Berlin, den 20. April 1933.

      Lieber Karl!

      Ich hoffe, du bist gut in Paris angekommen und fühlst Dich wohl. Ich bin einmal zehn Tage lang dort gewesen – weißt Du, damals mit den drei Jungens aus unserer Klasse; Du durftest damals nicht mitkommen, weil Deine Eltern sagten, Paris ist ein zu gefährliches Pflaster für einen jungen Menschen. Das Allerschönste, woran ich mich in Paris erinnern kann, ist der Blick von der Place de la Concorde die Champs Elysées hinauf, bis zum Arc de Triomphe. Das ist wirklich großartig. Ich bin doch etwas neidisch, daß Du das nun jeden Tag genießen kannst. Ob Du sehr viel Schwierigkeiten mit der Sprache hast? Und ob Du es jetzt bereust, daß Du immer so sündhaft faul gewesen bist, gerade in der französischen Stunde? – Aber ich stelle mir vor, in Paris lernt man ja die Sprache fast von selbst.

      Lieber Karl: Ich denke sehr oft an Dich – fast immer, wenn ich gerade mal nichts anderes zu tun habe –: wie es Dir gehen mag, und ob Du Deinen Entschluß nicht bereust. Denn es ist doch ein großer, schwerer Entschluß – sich von der Heimat zu trennen.

      Ich habe mir das alles während der letzten Wochen hin und her überlegt, und ich bin zu der ganz festen inneren Entscheidung gekommen: Du hast einen Fehler gemacht.

      Mißverstehe mich nicht, Karl: es ist ein anständiger Fehler, den Du gemacht hast. Aber doch ein Fehler.

      Ich weiß nicht, ob es noch irgend einen Sinn hat, Dir zuzureden: Komme zurück! Ich fürchte, es hat keinen Sinn mehr. Als ich Dir, vor drei Wochen, am Bahnhof Zoo Aufwiedersehen gesagt habe, fühlte und wußte ich, daß wir uns sehr lange nicht wiedersehen werden.

      Natürlich könntest Du auch jetzt noch Deine Meinung ändern und zurückkehren – wohin Du gehörst. Da Du ja ein sogenannter „Arier” bist und Deine alten Herrschaften feine Beziehungen haben, würde man Dir sicher alle Deine Sünden verzeihen – wenn Du jetzt erklärst, daß alles nur jugendliche Torheit und Unwissenheit von Dir gewesen ist.

      Du würdest Dir natürlich wie ein Schuft vorkommen, wenn Du eine solche Erklärung abgeben müßtest. Aber vielleicht wäre es in diesem Augenblick das Klügste und das Anständigste, was Du machen kannst. Denn jetzt brauchen wir hier Burschen wie Dich. Hier können sie jetzt nützlich sein, und nur hier.

      Was gibt es denn im Ausland für Dich zu tun? Bei den Franzosen auf uns Deutsche schimpfen? Aber Karl! Ich kenne Dich doch! Das bringst Du ja gar nicht fertig. Du weißt viel zu genau, wie sehr die Franzosen mit-schuldig, oder sogar hauptsächlich schuldig sind an dieser radikal-nationalistischen Entwicklung in Deutschland, die wir immer so bedauert haben. Nicht nur der Vertrag von Versailles ist schuld – obwohl der die schlimmste und eigentliche Ursache für alle Verwirrungen in Europa bleibt –; sondern die ganze Art, wie die Franzosen uns während all dieser Jahre gedemütigt haben. Wir hatten wirklich keine nationale Ehre mehr.

      Die Frage ist, ob wir jetzt wieder eine bekommen werden. Ich weiß wohl, daß Du es nicht glaubst – und Dir ist nicht unbekannt, daß auch ich schwere Zweifel habe. Ich war nie ein Nazi – Dir muß ich das nicht erst lang und breit versichern –, und ich werde nie einer werden. Ich trete nicht in die Partei ein, habe nur keine Angst – ich denke gar nicht daran. Ich mache hübsch brav meine Examina zu Ende, und dann tue ich was Vernünftiges.

      Ich bin kein Nazi, und ich gebe auch zu, daß hier viel Häßliches geschehen ist, während der letzten Monate – alle besseren Menschen sind sich darüber einig, und wir alle glauben, daß dies am Anfang einer großen Umwälzung vielleicht unvermeidlich war, aber bald ganz anders werden muß. Keinesfalls hat es Sinn zu leugnen, daß eine große Umwälzung im Gange ist; daß ein nationales Erwachen sich in Deutschland vollzieht. Überall ist echte Begeisterung zu spüren. Aus der könnte allmählich etwas Schönes, Fruchtbares, Positives wachsen, etwas, was dann auch Europa zugute käme, und dem Frieden.

      Du findest sicher, ich bin zu optimistisch. Vielleicht bin ich es. Vielleicht kommt alles ganz anders, nicht so gut. Aber sogar wenn schwere Jahre für Deutschland kommen, will ich hier bleiben. Wenn der Führer seine begeisterten, idealistischen Anhänger enttäuschen sollte – vor allem: wenn er die Jugend enttäuscht –, dann wird in Deutschland eine Opposition entstehen, und dann ist eben von dieser Opposition alles zu hoffen … Ich würde, wenn es sein muß, bei den Oppositionellen sein, wie ich heute bei den Loyalen bin. Das kommt mir tapferer und vernünftiger vor, als ins Ausland zu gehen. Verzeih das harte Wort, Karl: aber es hat doch etwas von Fahnenflucht.