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Dramen und Komödien für das Theater
Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel u.a.
Über den Autor:
Der Name Valentin Krasnogorov ist Theaterliebhabern in Russland und vielen anderen Ländern bekannt. Seine Stücke , die in mehr als 400 Theatern aufgeführt werden, finden bei Kritikern und Zuschauern sehr positive Aufnahme. Die Aufführungen in mehr als 700 Amateurtheatern zeugen von der großen Beliebtheit des Dramatikers. So herausragende Regisseure wie Georgy Tovstonogov, Lev Dodin und Roman Viktyuk arbeiten an den Produktionen seiner Stücke.
Mit gleichem Können kreiert er Multi-Act- und One-Act-Stücke verschiedener Genres – Comedy, Drama, Tragödie. Die Spannungen und Konflikte seiner Stücke werden durch lebhaften Dialog und schnelles Handeln gelöst. Der Autor verwendet paradoxe Situationen und ungewöhnliche Handlungen, um Leser und Betrachter in die Welten zu ziehen, die durch seine Vorstellungskraft geschaffen werden. Scharfe Satire, subtiler Sinn für Humor, Groteske, Absurdität, Lyrik, tiefes Eindringen in die menschliche Natur – das sind die Hauptmerkmale von Krasnogorovs Werken.
Die Stücke des Dramatikers sind fest im Repertoire der Theater verankert und halten Hunderten von Aufführungen stand. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs Stücke leicht Grenzen überschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgenössischen Stücken gehören". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen übersetzt, in Theatern in verschiedenen Ländern (Australien, Albanien, England, Bulgarien, Deutschland, Indien, Zypern, Mongolei, Polen, Rumänien, Slowakei, USA, Türkei, Finnland, Montenegro, Tschechische Republik) aufgeführt und erhielten Preise bei ausländischen Theaterfestivals, darunter den "Preis für das beste Drama" und den "Publikumspreis". Krasnogorov fungiert auch als Prosaschreiber und Publizist, Autor von Artikeln über Theater, Novellen, Kurzgeschichten und Essays, die in verschiedenen Publikationen veröffentlicht wurden.
Valentin Krasnogorov ist Präsident der St. Petersburger Dramatiker-Vereinigung. Einer der Gründer der Gilde der russischen Dramatiker Gild.
Liebe bis zum Gedächtnisverlust
Любовь до потери памяти
Verrückte Komödie in zwei Akten
Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel
Von einer Komödie sollte man nicht
jedes beliebige Vergnügen erwarten,
sondern nur das ihr eigene.
Aristoteles
Inhaltsangabe
Ein an Gedächtnisverlust leidender Mann erscheint in der Arztsprechstunde mit der Bitte um Hilfe. Der Arzt versucht Symptome und Ursachen der Krankheit herauszufinden, doch erfolglos: Die Antworten des Kranken sind dermaßen widersprüchlich, dass aus ihm nichts Vernünftiges herauszubekommen ist. Zum Glück gelingt es, die Frau des Kranken hinzuzurufen. Sie antwortet auf alle Fragen klar und überzeugt, aber ihrer Meinung nach, leidet auch der Arzt an Gedächtnisverlust. Die Situation verwirrt sich noch mehr, als unerwartet noch eine Frau auftaucht und ebenfalls behauptet, die Ehefrau des Kranken zu sein. Die Lage wird vollkommen absurd. Der Arzt wird beinahe verrückt. Diese dynamische und lustige Komödie entwickelt sich zielstrebig und lebhaft, in einer unerwarteten Auflösung endend.
Handelnde Personen
Doktor
Anton
Johanna
Marina
Mann
Das Alter der Personen hat keine entscheidende Bedeutung.
Gut möglich, dass sie um die Vierzig sind, der Doktor und der Mann auch etwas älter.
Erster Akt
Reich ausgestattetes Behandlungszimmer eines Arztes, das mehr an ein geschmackvolles Wohnzimmer erinnert, als an einen sterilen ärztlichen Raum. In einem bequemen Sessel, am Schreibtisch, hat sich der Doktor niedergelassen – ein gut gekleideter entspannter Mann in den besten Jahren, sehr selbstsicher. Ein Besucher tritt ein.
BESUCHER: Herr Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.
DOKTOR: Seit wann?
BESUCHER: Was heißt „seit wann“?
DOKTOR: Seit wann leiden Sie an Gedächtnisverlust?
BESUCHER: (Überlegt gequält.) Ich erinnere mich nicht.
DOKTOR: Gut. Das heißt, das ist sehr schlecht. Aber alles ist behebbar. Hauptsache, dass Sie zum richtigen Arzt gekommen sind. Zu dem, der Sie heilt. Ärzte, die heilen, gibt es nicht so viele. Und solche, die vollkommen auskurieren gibt es überhaupt nicht. Lassen Sie uns zuerst, wie das so üblich ist, Ihre Krankengeschichte erfassen. (Beginnt, Daten in den PC einzugeben.) Also, Sie leiden an Gedächtnisverlust.
BESUCHER: Woher wissen Sie das?
DOKTOR: Sie haben es mir doch gerade selbst gesagt.
BESUCHER: Ja? Sehr schade. Eigentlich verberge ich das, damit ich keine Unannehmlich-keiten bekomme.
DOKTOR: Keine Sorge, das bleibt unter uns. Ärztliches Geheimnis. Ihr Name?
BESUCHER: Mein Name? (Überlegt gequält.) Den habe ich vergessen.
DOKTOR: (Beruhigend.) Regen Sie sich nicht auf, das ist nicht schlimm. Haben Sie einen Pass oder einen anderen Ausweis bei sich?
BESUCHER: Ja, natürlich. (Kramt in seinen Taschen.) Entschuldigen Sie, Doktor, ich fürchte, ich habe ihn zuhause gelassen.
DOKTOR: Ehrlich gesagt, Sie bereiten mir einige Probleme.
BESUCHER: Ich weiß selbst nicht, wie das passiert ist. Ich erinnere mich, dass der Name sehr verbreitet ist.
DOKTOR: Versuchen wir, uns zu erinnern. Vielleicht Martin?
BESUCHER: (Unsicher.) Vielleicht.
DOKTOR: Oder Peter?
BESUCHER: Ich weiß nicht.
DOKTOR: Und an den Familiennamen erinnern Sie sich auch nicht?
BESUCHER: Und an den Familiennamen erinnere ich mich auch nicht. Aber regen Sie sich nicht auf. Ich muss einen Zettel bei mir haben, mit meinem Namen und der Adresse. Meine Frau steckt mir immer diesen Zettel in die Tasche, wenn ich aus dem Haus gehe. Für alle Fälle. (Sucht in den Taschen und findet den Zettel. Triumphierend.) Hier, Sehen Sie!? Jetzt erfahren Sie, wie ich heiße. Wenn das schon so wichtig für Sie ist. (Reicht dem Doktor den Zettel.)
DOKTOR: (Entfaltet den Zettel und liest.) Also… Telefonnummer. Scheint ein Handy zu sein. Und hier ist auch der Name: „Marina“. (Verblüfft.) Aber das ist doch nicht Ihr Name!
BESUCHER: Sind Sie sicher?
DOKTOR: Sie etwa nicht? Sie sind doch ein Mann!
BESUCHER: Woher wissen Sie das? Habe ich Ihnen das gesagt?
DOKTOR: Wissen Sie denn das selbst nicht?
BESUCHER: Dass ich ein Mann bin? Wenn Sie das bestätigen, dann glaube ich Ihnen. (Grübelnd.) Falls Marina, dann ist das nicht mein Name, aber wessen dann?
DOKTOR: (Beginnt nervös zu werden.) Eigentlich wollte ich Sie das fragen.
BESUCHER: Wahrscheinlich ist das der Name meiner Frau.
DOKTOR: Was heißt „wahrscheinlich“? Erinnern Sie sich nicht an den Namen Ihrer Frau?
BESUCHER: Sie beleidigen mich. Natürlich erinnere ich mich.
DOKTOR: Also, ist sie das, oder nicht?
BESUCHER: Natürlich, sie. Meine zärtliche, liebende und geliebte Frau. Eine treue Freundin seit den ersten Jugendtagen. Sie glauben es nicht, aber ich bin mir ihr seit der ersten Klasse bekannt. Wir haben doch in ein und derselben Schule gelernt. Ach, Doktor, erinnern denn Sie sich an Ihre Flitterwochen?
DOKTOR: (Ungläubig.) Und Sie erinnern sich?
BESUCHER: