kannst einen wahrhaftig meschugge machen.«
»Petter, lass man, mach halblang«, sagte Finn und wandte sich zu Marit. »Wenn ich nicht aufpass, hab ich morgen die Prüfungskommission am Hals. Wie gesagt. Außerdem: das nächste Sauwetter kommt ganz von allein.«
Dann kniff er die Augen kurz zusammen und gab der Alten, die ihn über die Pfeife in ihrer Faust hinweg anpeilte, zu verstehen, dass für jede weitere Nachfrage wenig Aussicht auf Antwort bestand. Und gleichzeitig mochte in seinem Augenzwinkern etwas wie eine Bekräftigung ihrer Komplizenschaft mitschwingen. Marit jedenfalls legte zufrieden den schweren, immer noch hochroten Kopf gegen die Wand hinter der Rückenlehne ihres Stuhls. Finn blickte ins Leere, hing für einen Moment dem Gedanken nach, dass Schiffsbrüchiger zu sein, auch was Sportives habe. Er sah sich noch einmal durchs schwarzkalte Fjordwasser kraulen, sah, wie er das Boot unter Aufbietung aller ihm noch zur Verfügung stehenden Kräfte tatsächlich gedreht bekam, ohne allzu viel Wasser hineinzuschaufeln, wie er die eingekeilten Ruder in Anschlag bringen konnte und fünf geschlagene Stunden wie wahnsinnig gegen die endlose Entfernung und gegen die nasse Kälte seiner vollgesogenen Klamotten angerudert war.
»War ein kleines Frachtschiff von den Lofoten übrigens, das da abgesoffen ist«, sagte Finn schließlich, ohne Petter oder Marit anzublicken, »und dass ich noch rüberfahre, ist Blödsinn. Sowieso zu spät.« Und damit verschwand er nach draußen auf die Galerie. Dass der Alte, das Gesicht in die Pranken gelegt, sich auf die Tischkante setzen und dass Marit auf ihrem Stuhl plötzlich kerzengrade und kreidebleich sitzen würde, konnte sich der Leuchtturmwärter an fünf Fingern abzählen. Das musste er sich nicht ansehen.
Petter stieß einen Fluch in die Handflächen und nuschelte etwas wie: »Ist nicht wahr! Die doch nicht, die Kollegen doch nicht, warum die aber auch nicht mal aufpassen können.«
Während Marit ein schroffes »Schnauze!« beisteuerte.
___15.
• »Na ja nun, dass man in solch einer Situation das Umfeld abgrast, das gehört eben zum Alltag des Ermittlers. Und da gehören Sie als Mutter des Hauptverdächtigen natürlich zu den allerersten Adressen.«
• »Da sprechen leider etliche Indizien eine sehr deutliche Sprache.«
• »Nein nein. Indizien. Sagte ich ja. Um die Beweiskraft geht's ja grade. Und um das Motiv für einen solchen Sabotageakt. Das ist ja nicht grade von Pappe, da wird ein Kutter nach dem andern vor die Wand gesetzt. Und die Seeleute – da geht's um Leben und Tod.«
• »Etliche.«
• »Ja sicher ist die Mordkommission beteiligt. In deren Auftrag ruf ich ja grade an.«
• »Ach so, ja, auch. Auch im Namen der Küstenwache. Ich komme da manchmal selbst durcheinander. Wissen Sie, das ist letztlich alles eins.«
• »Sicher sicher, wenn Sie meinen. Da können Sie gern anrufen. Natürlich kennen die mich. Fragen Sie nach Strøm!«
• »Kjell. Kjell Strøm.«
• »Na ja, das ist ja klar, das wundert mich jetzt nicht. Als Mutter denkt man natürlich immer, der eigene Sohn, dass der keiner Fliege was zu Leide tun kann.«
• »Wo? Wie?«
• »Ja aber, was weiß ich, woher soll ich wissen, welche Leuchtbake er grade als letzte demoliert hat.«
• »Sicher, natürlich, die ganzen Störmeldungen, das
• stimmt, natürlich führen wir da Buch drüber.«
• »Na ja, doch, die Idee ist nicht schlecht. Ja, die Steine, mit denen er die wahrscheinlich zerdeppert hat, die müsste man, da haben Sie eigentlich recht, die müsste man da vor Ort noch finden. Die wird er ja wohl kaum fein säuberlich entsorgt haben. Nur die Frage, ob die sich von den anderen tausend Steinen unterscheiden lassen, die da rumliegen.«
• »Nein nein, das ist eine gute Idee, da bin ich noch gar nicht drauf gekom...«
• »Wissen Sie, so lange bin ich noch nicht im Amt, und da ist man natürlich noch nicht mit allen Wassern ...«
• »Aber glauben Sie ja nicht, also da geh ich jedenfalls überhaupt nicht von aus, dass die Wurfsteine, dass die seine Unschuld beweisen! Im Gegenteil!«
• »Da sprechen, wie gesagt, zahllose Indizien für. Aber ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich Ihnen keinen Einblick in die Ermittlungen gewähren kann. Trotzdem besten Dank für Ihre Hilfe. Dann adjø dann. Und, ähm, halten Sie sich bitte weiterhin, zumindest telefonisch, zu unserer Verfügung!«
___16.
Und dann kommt der Tag! Der große Tag.
Und natürlich dieser Spieritz wieder! Schleicht verdächtig rum. Sollte meinen, der wartet nur auf 'nen Augenblick, wo ich mal zum Klo muss oder 'n Selters holen. Um hier die Bilder zu klaun am helllichten Tag.
Aber ich hab dich fest im Auge, schöne, bildschöne Tänzerin. Kann dir nichts anhaben, der.
Bloß diese verdammten Zeiger kommen nicht in die Gänge, ziehn die Sekunden lang. – Faule Bande, elende, macht voran! Soll ich euch Beine machen! Mit meinem einen, meinem eiskalten Fuß.
Und dann mal wieder ganz beiläufig runter in die Kellerkammer schlendern, als hättste neuerdings 'en Narren am Dings, am Security-Kollegen gefressen. Und reden und reden und irgendwie schnell rübergreifen zur Zeitschaltuhr, den Zeigern Beine machen und reden und reden.
Und dann ist endlich Feierabend, jedenfalls für die andern. Licht noch ausschalten! Und jetzt, Gunnar, alter Knabe, zack zack zwischen die Zwischenwand. Und noch 'n Sicherheitsabstand aushalten, paar Stunden, hier in diesem pechschwarzen Museum zwischen all den schlafenden Bildern. – Wenn bloß nicht dieser kalte Fuß wär dauernd. – Kann ja verdammt brenzlig werden. Wenn zum Beispiel der Schlüssel nicht passt. Oder wenn der Schlüssel passt und ich verbrenn mir die Finger, weil ich zitter beim Löten und schrei vor Schreck und weck schlafende Geister, Hunde, Mäuse oder was. Oder wenn der Schlüssel passt und ich verbrenn mir die Finger nicht und nur der Schraubenzieher fällt mir runter und löst irgendwie was aus.
Halb elf jetzt, los jetzt. Will ja schließlich von der Nacht noch was haben. Also los jetzt, Gunnar, los, der Fuß, der kalte, klebt fest irgendwie, lahmer Fuß verdammt, los jetzt, also soll ich dir Beine machen, Feigling blödsinniger! Pssst, schrei nicht so, alter Knabe, du weckst ja alles auf, die Bilder, die Geister, die schlafenden Hunde. Aber dass dieser Fuß auch so 'n Affentheater – die Knie auch, weich wie Schmierkäs. Los jetzt! Runter in die Kabause da. Der Schlüssel, also ich hätt doch Goldschmied werden soll'n, passt. Die verdrehten Zeiger, wunderbar zurückgeschoben, haha, geben mir 'ne halbe Stunde noch, satt und genug.
Bloß dieser eiskalte Fuß im überheizten Museum, wie gesagt.
Der Lötkolben ist schon heiß. Also 'n Sensor rausgekramt da, und dann zeig, was du gelernt hast, Gunnar altes Haus, und bloß die Dings, die Finger nicht verbrannt! Also den Sensor, den neuen, auf höchstens einen Zentimeter Reichweite eingestellt. Und jetzt hier, das ist dein Sensor, schöne Tänzerin, müsst er sein. Den neuen also drangefrickelt, statt den eigentlichen mir nichts dir nichts abzurupfen und mir nichts dir nichts dazustehn wie 'n dämlicher Schuljunge, mitten im Alarmgeheul. Stattdessen also einfach 'n Kabel für 'en zusätzlichen Sensor dazu gefrickelt als Brücke, goldene Brücke. Diese ganze Wächterbande also einfach mit ihren eignen Waffen entwaffnen, übertreiben sozusagen, noch eins draufsetzen sozusagen, ha, und schon geht die Stille ungetrübt weiter.
Und wieder rauf. Plötzlich – kann's also doch noch – trabt der Fuß, die Knie laufen wie geschmiert.
Heh, Tänzerin, da bin ich wieder! Und jetzt, jetzt lass deinen Sensor 'nen guten Mann sein, komm, ich nehm dich von der Wand. Siehste. Ich hab dich! Dich in meinen Fingern! Streich dir kurz, nur kurz, keine Zeit verliern, übern Pinselstrich, das Gesicht, die Augen, ein Glück. – Jetzt das Papier drum, fast wie 'n Geschenk, nur ohne rote Schleife. Und raus. Und los! Die Uhr hat mit Dings, mit Barmherzigkeit