Mitwirkenden dieses Komplotts alles andere als eine verschworene Gemeinschaft waren, schubste Walsingham den augenscheinlich zutiefst beleidigten Frizer zurück in die Polster der Rückenlehne und rückte seinem Sitznachbarn, der sein Gesicht im hochgeschlagenen Kragen vergraben hatte, noch enger auf den Pelz, um ihm ins Ohr flüstern und trotzdem den offiziellen Duktus des Secret Service-Mitarbeiters in Diensten Ihrer Majestät überzeugend an den Tag legen zu können: »Also ich darf dich in gebotener Kürze unterrichten. Ihr Name: Lady Jane Blankfield. Geboren 1560 als Tochter des Duke of Bothwell, Schottland. Aber keine Sorge, sie ist im Begriff, ihrem Katholizismus abzuschwören, und ohnedies … «
Frizer quiekte wie ein junges Ferkel, das seit Tagen nicht mehr an eine Zitze gekommen war: »Im Begriff? Ihr habt mir doch versichert … «
Wieder machte einer dieser Steinbrocken auf sich aufmerksam, die den zu konturlosem Matsch zerfließenden Weg durchsetzten und die tief einschneidenden Kutschenräder ins Stolpern brachten, nachdem zuvor die tellergroßen Hufe der kraftstrotzenden Rösser Anstoß daran genommen hatten. Die von langer Fahrt messerscharf abgewetzten Eisenreifen der schweren Räder sodann schabten mit unbändiger Gewalt die Moose und Flechten von ihrer Granit-Spielwiese ab und legten die Stolpersteine bloß.
Dessen ungeachtet stieß und zerrte Frizer an Walsingham herum, als habe er es mit einem störrischen Abgesandten des Leibhaftigen zu tun: »Habt Ihr mir nicht höchstpersönlich selbst versichert, dass Lady Jane bereits vor Jahren zum letzten Mal ein katholisches Kirchengemäuer von innen gesehn habe und mit fliegenden Fahnen zum Protestantismus übergelaufen, also eine ehrbare Britin sei?!«
Mit einem spitz gezischten »Frizer!« und einigen energischen Ellbogenstößen ließ Walsingham Frizers Ferkelquietscher verstummen und richtete das Wort erneut an den Dritten im Bunde, der da ohne Wort und ohne Gesicht neben ihm auf der Bank kauerte: »Du musst wissen, bester Freund, dass Lady Blankfields eigentliche Obsession weniger der Konfession gilt, als vielmehr der schönen Literatur. Eine ausgewiesene Freundin überbordender Fantasie! Was durchaus in deinem Sinne sein dürfte, seh ich das richtig? – Ach, und noch dies: tragisch verwitwet seit anderthalb Jahren, durch welchen unglückseligen Umstand ihr das erwähnte Castle zufiel.«
»Ihr seid also in besten Händen«, schob Frizer kleinlaut nach.
Wissen Sie, ganz ehrlich, wenn ich mir diesen plumpen Kerl so vorstelle, wie er sich diesen Satz aus dem stinkenden Maul rausgedreht haben mag – ich werd den Eindruck nicht los, dass er das brave Phräschen nicht nur aus serviler Untergebenheit abgesondert hat, nicht bloß, um sich bei Großmeister Walsingham wieder einzuschleimen. Da wird, da muss blanker Neid mitgeschwungen haben.
Aus der nebelnassen Finsternis türmte sich plötzlich ohne jede Vorwarnung die hochaufgereckte Fassade des mehrfach beschworenen Castles auf. Mit tanzender Zunge rollte der komplett durchnässte Mann auf dem Bock sein »Brrr« über die Lippen, zog die Zügel an, ließ die Feststellbremse knirschen. Ein Geräusch, das die Nebel ebenso begierig schluckten wie das Schnauben der geschundenen Rösser. Er konnte getrost oben auf dem Kutscherstand hocken bleiben, das ächzende Wachbewegen der erstarrten Knochen würde er noch ein Momentchen aufschieben können. War er sich doch sicher, dass er sich ums Öffnen des Schlossparktors unten nicht zu bekümmern hatte. Würden die Herrschaften schon selbst erledigen.
Und er sollte recht behalten. An den leise zu ihm herauffispernden Stimmen erkannte er, dass die beiden feinen …
… na ja, sagen wir: um Eleganz bemühten …
… Herren, die ihn bezahlt hatten, als Erste herausstolperten, bevor dieser Dritte im Bunde folgte, dessen Gesicht er, der Kutscher – dabei gehörte es zu den ehernsten seiner Grundsätze, dass er nie losfuhr, ohne seine Fahrgäste, und zwar alle, persönlich in Augenschein genommen zu haben. Ein Grundsatz, den außer Kraft zu setzen, sich die Herren einen stattlichen Zuschlag hatten kosten lassen –, dessen Gesicht er also weder beim Einsteigen noch bei einer der drei Fahrtunterbrechungen unterwegs zu sehen bekommen hatte. Und auch jetzt schien den beiden Herren die Dunkelheit der nebelverhangenen Nacht äußerst gelegen zu kommen. Sie nahmen den Dritten in die Mitte und schoben grußlos ab.
»Das letzte Stück Weg«, raunte Frizer der geheimnisvollen Schemengestalt neben ihm ins Ohr, »das letzte Stück Weg müssen wir aus Sicherheitsgründen zu Fuß zurücklegen, hier oben hört man jedes Kutschenrad meilenweit.«
Das wenig kunstvoll geschmiedete Eisentor kreischte herzzerreißend.
Ja gut, ist vielleicht etwas anmaßend, das Urteil Ihrer treuen Seele, aber wo sie recht hat, hat sie recht. Dieses grobschlächtigste aller Tore hätte Ihnen auch nicht gefallen, da bin ich mir sicher.
Die Männer marschierten unterm Schirm der schottisch mitternächtlichen Nebel durchs Tor, und ihre Schritte nahmen auf dem Kiesweg sofort einen hochherrschaftlichen Knirschklang an. Während just in diesem Moment eine Zofe …
… weiß der liebe Himmel, welche Rolle die zarte Person im Dunstkreis der Blankfield spielte, aber Zofe kann hinkommen …
… während eine Zofe aus der Tür trat und den drei Herren mit einer flackernden Laterne in der Hand die Freitreppe hinaufleuchtete, auf der Walsingham und Frizer schon nach wenigen Stufen um die Wette schnauften.
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