Frank Winter

Süffiger Single Malt für MacDonald


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Er vermied es, ihr in die Augen zu sehen, um so mit etwas Glück das drohende Gespräch zu vermeiden.

      »Hast du dich mit unseren neuen Gästen auch schon angelegt?«

      »Besucher haben Rechte und Pflichten.«

      »Was bedeutet, dass sie deiner strengen Regimentordnung folgen müssen. Warum bringst du deine Gebote nicht an zentralen Plätzen des Hauses an?«

      Alberto setzte sich, was bedeutete, dass er interessiert war.

      »Denk nicht darüber nach. Ich habe nur Spaß gemacht.«

      »So schlecht ist deine Idee …«

      »Alberto!«

      »Überleg doch mal. Wenn alle die Regeln kennen und sich daran …«

      »Basta cosi!«

      Selten wurde seine Frau so wütend. Es war besser, den Rückzug anzutreten. »Ich schau mal, ob die Gäste noch etwas brauchen.«

      »Ottima idea! Tolle Idee!«

      Alberto klatschte in die Hände, als es an der Haustür klingelte. »Ciao, Angus, wie schön, dich zu sehen.«

      »Oh, vielen Dank.« MacDonald hatte damit gerechnet, dass sein Freund auf die geschäftige Frühstückszeit verwies und war deshalb hocherfreut über die nette Begrüßung. »Ich schlief wieder sehr unruhig und …«

      Alberto hob den Zeigefinger vor den geschlossenen Mund. »Lass uns nach oben gehen. Zimmer eins ist frei.«

      »Sind noch Gäste im Frühstücksraum?«

      »Die Chinesen!«

      »Müssen wir unbedingt die Treppe hoch?«

      »Si! Es sei denn, der Raum kommt zu uns geflogen!«

      »Dicke Luft in der Küche?«

      »Kann man wohl sagen. Hast du deine Ärztin angerufen, Angus?«

      »Leider habe ich Sie, äh, noch nicht erreicht. Ich würde gerne über den Fall mit dir sprechen. Bei Imperial Whiskys bin ich nicht weitergekommen und schätze, morgen wird die Tür wieder verschlossen werden, sowie ich mich nähere. In der Balmoral-Whisky-Bar konnte ich auch nichts Sachdienliches ermitteln. Rufst du den Indianer an?«

      »Hat das nicht Zeit, bis er die Arbeit in deinem Haus beginnt?«

      »Ich fürchte nein, denn es ist die einzige Spur, die wir haben.«

      Alberto grinste, verließ das Zimmer und kehrte erst nach fünf Minuten zurück. »Alles klar. Wir sehen ihn heute Abend um sieben Uhr in der Bow Bar.«

      »Können wir uns nicht woanders treffen? Ich bin dort bekannt und möchte meinen schönen Pub nicht in Verruf bringen.«

      »Genug, ich werde MacCracken nicht noch einmal anrufen.«

      »Wird er gefedert erscheinen?«

      »Non so. Weiß ich nicht!«

      Wer Campbeltown-Whiskys im Sortiment hatte, so wie die Bow Bar, besaß MacDonalds Sympathie. Von einst stolzen 21 Brennereien im Jahr 1885 (1794 waren es sogar 34 gewesen) existierten nur noch drei: Springbank, Glen Scotia und Glengyle. Er war etwas früher erschienen, um einen Tisch zu besetzen. Keinesfalls wollte er mit MacCracken am Tresen stehen. Ein zehnjähriger Springbank würde ihn aufheitern. Sämtliche Produktionsschritte fanden in der Destillerie statt. Außer Springbank stellte man noch Longrow und Hazelburn Scotch her. Die Whiskys wurden keiner Kühlfilterung unterzogen. Er führte das Gläschen zur Nase. Die Marketingmenschen von Springbank verglichen den Geruch mit einem Obstgarten. Wem das zu allgemein war, der durfte mit der in Klammern aufgeführten Birne glücklich werden! MacDonald roch Eiche, Torf und eine exotische Frucht. Der Geschmack war salzig und pfeffrig, leicht getorft, mit einem würzigen Ende. MacCracken kam laut tönend herein, einen Kumpel, ohne Irokesenbürste, aber mit knallgelben Haaren, im Gefolge. Der Klempner blieb dicht hinter der Tür stehen und betrachtete aufmerksam alle vier Wände. Vorsichtsmaßnahme oder suchte er instinktiv nach einem lukrativen Wasserschaden? Er nickte seinem Begleiter zu und ging, das sah MacDonald erst jetzt, auf riesigen, breiten Füßen zur Theke. Im Ernstfall würde er keine Schneeschuhe benötigen! Die beiden Männer gaben ihre Bestellung auf. Mit vier Pints (!) kamen sie an seinen Tisch und setzten sich, ohne ein Wort zu verlieren.

      »Guten Abend, Gentlemen.«

      Der Handwerker und sein Kumpel leerten ihre Gläser mit aufdringlichem Geräusch, das sich wie »gulp-gulp« anhörte. MacCracken streckte ihm den Zeigefinger entgegen. »Ihnen will ich mal was sagen, MacArthur …«

      »MacDonald ist der Name, mit Angus und Thinnson davor.«

      Der Klempner streichelte seine Irokesenbürste. »Sie ham was anderes vor?«

      »Möchten Sie mir Ihren Begleiter vorstellen?«, antwortete MacDonald, auf die stupide Frage nicht eingehend.

      »Hä? Ach, so. Billy ist das.«

      Der Mann lehnte sich zurück und lachte wie ein Truthahn. »Bin aber nicht verwandt mit Connolly, hohoho.«

      »Ihr Bruder?«

      »Nein!« Erneut sah MacCracken sich im Pub um.

      »Sie kennen die Bow Bar gut, nicht wahr?«

      »Sagt wer?«

      »Mister Vitiello.«

      »Viti…, was, wer soll das sein?«

      »Der italienische Gentleman, den Sie unlängst im Baumarkt trafen.«

      »Kann sein. Treff ’ ne Menge Leute. Das mit Ihrem Rohrbruch geht mindestens zwei Wochen, wenn nicht länger. Hab Ihrem Kumpel, dem Italo-Mann, schon alles erzählt.«

      Wieso hatte Alberto ihm nicht berichtet? Lag es am Stress mit seinen neuen Gästen? Dem Himmel war es gedankt, dass er just in diesem Moment erschien. Er nickte allen zu und holte sich am Tresen einen Orangensaft. »Habt ihr ohne mich angefangen?«

      »Ja!«, antwortete MacCracken bellend und leerte das zweite Glas, imitiert von Billy.

      Alberto sah zu Angus: »Wenn du so gut wärst?«

      »Wie bitte? Ach, so, ja, natürlich! Das Gleiche noch mal, meine Herren?«

      Sollte er zwei oder vier Pints kaufen? Er konnte sich an keinen Präzedenzfall erinnern. Besser vier! Noch einen Ardmore Legacy, leicht getorften Highlander, für ihn. Bestellen war nicht schwierig, das Balancieren von vier Pints schon eher! Er wankte zum Tisch zurück. »Können wir bitte zur Sache kommen?« MacCracken und Billy leerten ihr drittes Glas Bier. Wenn irgendjemand Kampfschlucker genannt werden sollte, dann die beiden, dachte MacDonald.

      Des Handwerkers Halsadern schwollen an. »Wir haben schon geredet!«

      Wie viele Menschen bezog MacDonald seine Kenntnisse über Native Americans von Filmen und befürchtete, dass der Mann ihm gleich einen Tomahawk an die Gurgel drückte!

      »Ich bin sicher, Mister MacDonald hat es nicht so gemeint«, versuchte Alberto zu schlichten. »Er holt Ihnen später auch wieder etwas zu trinken.«

      »Auf gar keinen Fall!«, sagte MacDonald lautstark.

      MacCracken bekam Respekt. Jemanden, der sich wehrte, mochte er leiden. »Okay! Was wolln Se hören?«

      Angus war über diesen Sinneswandel ebenso erstaunt wie Alberto, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Wir würden gerne wissen, welcher Whisky Ihnen hier illegal angeboten wurde.«

      »Auchentoshan und Glen Garioch.«

      »Wirklich?«

      »Warum sollte ich ’n das erfinden?!«

      »Da muss ich ihm recht geben«, sagte Vitiello.

      MacCracken breitete die Hände auf dem Tisch aus und betrachtete sie wie Kunstwerke. »Was noch?«

      »Wann war das?«

      »Vor ’n paar Wochen. Immer sonntags kommt der