Klaus Fischer

Trips & Träume


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zu holen.

      Don war nicht mehr zu stoppen. »Ich will Bands ein Forum bieten. Und wenn dabei Geld rumkommt, dann ist das legitim, ich habe ja schließlich investiert. So funktioniert die Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage.«

      Er lächelte siegessicher, als sei er schon ganz der Businessmann.

      Ich starrte ihn ungläubig an. »Du konntest doch gar nicht wissen, was hier abgeht, dass sich vier Bands hier und heute im Rats gegründet haben?«

      »Das macht einen guten Geschäftsmann aus, dass er weiß, was der Markt verlangt. Vier Bands, das ist doch ein guter Anfang für einen Impresario«, antwortete er selbstbewusst. »Als Mark bei Guru Guru auftrumpfte, da hatte ich einfach so ein Gefühl, dass sich daraus etwas entwickeln wird.«

      Ich wusste nichts mehr zu sagen.

      Don schaute mich triumphierend an. »Hör auf, so blöd zu glotzen, hilf mir lieber, den Scheiß aufzusammeln.«

      Ein Rascheln erfüllte das Rats. Mark und Andi waren die Ersten, die sich ein Flugblatt vom Boden fischten.

      drei Septober Energy

      Ich lag in meinem Dachzimmer auf dem Bett und las es wieder und wieder. Der Artikel in Das Auge war aufgemacht wie eine Titelgeschichte im Spiegel. Großes Foto auf dem Cover und im Innenteil drei Seiten.

      Rock Power gegen grauen Spießermief, lautete die Überschrift. Das war nicht besonders originell, Überschriften waren nicht meine Stärke. Den Begriff Rock Power hatte ich mir bei der Musikzeitschrift Sounds ausgeliehen. Einmal für dieses Blatt schreiben, das wäre der Wahnsinn. An New Musical Express oder Rolling Stone wagte ich gar nicht zu denken.

      Don hatte einen Typ namens Meurer für die Fotos engagiert. Der machte das hobbymäßig, hatte aber eine Spiegelreflex und konnte mit dem Ding umgehen. Meurer bekam kein Honorar, dafür hatte Don ihm versprochen, er dürfe beim Festival fotografieren. Und wenn die Bands mal groß rauskämen, könne er die Bilder an alle großen Blätter verkaufen. Die gesamte Hot-Rats-Bande positionierte sich vor der Tür des Ladens. Meurer verschoss einen kompletten Film. Mark und Andi standen in der ersten Reihe. Das war dann auch das Titelbild. Und ich? Ich versuchte den theoretischen Überbau zu liefern. Mir kam die Aktion im Eckfritz wieder in den Sinn. Befeuert davon, kam mein Text daher wie eine politische Kampfschrift gegen Spießer und Reaktionäre:

      Sie sind noch keine zwanzig. Genau das richtige Alter, um Revolutionär zu werden. Und wie alle Revolutionäre kämpfen sie für eine neue Welt. Ihre Welt ist voll mit neuen Klängen. Sie führen einen Kampf und greifen dafür zu den Waffen. Ihre Waffen sind Gitarre, Keyboard, Mikrophon, Bass und Schlagzeug. Diese Jugend verwandelt ihre Wut in kreative Energie. Eine Energie, die zu Sound wird. Ein Sound voller Rock Power, der die Mauern unserer kleinen Stadt zum Einstürzen bringen wird. Um ihre Ziele zu erreichen, formieren sie sich in Kollektiven. Nur in Kollektiven, auch Band oder Gruppe genannt, können sie ihre kreative Kraft zur wahren Blüte entfalten. Sie wollen keinen Erfolg, keine Karriere. Ihre Seelen sind für Geld nicht zu haben. Sie suchen ihr Glück in der künstlerischen Erfüllung. Gegen die Langeweile, nieder mit grauer Städte Mauern!

      Es folgte eine Auflistung aller Bands, die sich innerhalb der vergangenen vier Wochen in unserem Ort formiert hatten. Ich stellte ihre Mitglieder vor und welche Stilrichtung sie spielten. Fra Mauro, Dreamlight, Storm und Electric Junk (Falko und Bab hatten inzwischen mit Nick aus der Unterprima einen Schlagzeuger gefunden) waren die Ersten. Außerdem gab es noch Alpha Centaurus, Inri, Fragile Age, Pharos und Beyond. Da sich einige Bands noch unschlüssig waren, in welche musikalische Richtung ihre Reise gehen sollte, dachte ich mir einfach etwas aus.

      Ich beschrieb ihre Musik als Progressiven Rock und Underground. Keine der Bands, die es betraf, traute sich zu widersprechen, denn das wäre das Eingeständnis gewesen, von nichts, aber auch von gar nichts eine Ahnung zu haben. In einer Band zu spielen, die nicht wusste, was für eine Musik sie machte, war nur peinlich.

      Alpha Centaurus und Inri waren im Grunde ein und dieselben Musiker. Das funktionierte so: Wenn Fränki Lust hatte, Bass zu spielen, hießen sie Inri. Fränki, in dem anscheinend ein kleiner Multiinstrumentalist steckte, konnte noch ein bisschen was auf der Orgel. Dann daddelte er auf einem alten Elektroklavier herum, der Gitarrist wechselte kurzfristig auf den Bass, und schon hieß der Verein Alpha Centaurus.

      Sonny und Moses mischten auch mit. Sie nannten sich Waisel-Villwock, nach einem Namen auf dem Klingelschild in dem Haus, in dem sie in Kürze das Müsli eröffnen wollten. Sie spielten akustische Versionen von Frank-Zappa-Songs und standen auf diese ironischen Texte, die immer mit sexuellen Anspielungen garniert waren. Da sie im Moment nur zu zweit waren, erinnerte ihr Sound eher an Schobert & Black.

      Weitere spontan gegründete Bands hießen Occulta, Oxygen Factory, Staffelbruch (mit einem Schlagzeuger, so urig wie Buddy Miles), Stiebel Eltron (getauft nach den Elektrogeräten) und Zoon Politikon (stammte von Aristoteles: der Mensch als Gemeinschaftswesen).

      Fünfzehn Bands waren für den Anfang nicht schlecht.

      Nicht schlecht? Das war sensationell!

      Die Story endete mit einem neuerlichen Aufruf, sich fürs Festival anzumelden. Die Frist lief noch. Nach dem fünften Durchlesen ließ ich mich mit einem Seufzer der Zufriedenheit ins Kissen fallen. Mein erster richtiger Aufmacher war ein Volltreffer.

      »Holst du dir jetzt einen runter? Ich meine geistig«, fragte Mark.

      Er saß im Schneidersitz vor dem Bett, ein Exemplar von Das Auge mit dem Rock-Power-Artikel aufgeschlagen in den Händen. Durch das offene Fenster in der Dachschräge kam ein angenehmer Luftzug, die Sonne warf ein gleißendes, unwirkliches Licht ins Zimmer, die Sommerhitze ließ unsere T-Shirts am Rücken kleben.

      Statt zu antworten, erhob ich mich und legte Embryo auf.

      »Dass du immer diesen Krautrock-Mist hören musst«, knurrte Mark.

      »Klappe, kannst ja gehen, wenn dir der Sound nicht passt«, antwortete ich. Das war ein Spiel zwischen uns, wir stritten uns nicht wirklich. Es ging darum, wer als Erster aufgab und wer seine Musik durchsetzte.

      »Mal ehrlich, schreiben kannst du ja, aber mit einigem, was du da verzapft hast, bin ich nicht einverstanden.«

      »Und was, bitte, gefällt dir an meinem Artikel nicht?«

      »Die Passage, wo es um Erfolg geht. Zu pathetisch: Ihre Seele ist für Geld nicht zu haben. So ein Quatsch. Alter, da liegst du völlig falsch. Don hat schon recht. Natürlich geht es um Kohle. Ich will Musik machen und damit mein Geld verdienen. Davon leben zu können, das ist mein Traum.«

      Ich verspürte Lust auf einen kleinen Diskurs. »Zwischen Musik machen und davon leben können und Musik machen, um damit Geld zu verdienen, liegen doch Welten. Oder willst du so enden wie Led Zeppelin?«

      »Was hast du gegen die? Machen geile Mucke, fliegen im Privatjet um die Welt, spielen in riesigen Hallen und verkaufen Millionen von Platten. Die sind reich, können sich alles leisten. Und haben alle künstlerische Freiheit, die sie brauchen«, antwortete er.

      Freiheit, das war mein Stichwort. Jetzt kam ich richtig in Fahrt.

      »Der Rock ’n’ Roll ist eine Industrie, eine riesige Geldmachmaschine. Rockstars sind ein Teil davon. Die Fans haben nur als Konsumenten herzuhalten. Du musst einen Hit landen, sonst lässt dich die Plattenfirma fallen. Ohne Hit geht niemand auf deine Konzerte. Und dann die Tourneen. Was soll das für ein Leben sein? Jeden Tag ein anderes Hotel, eine andere Stadt. Da verlierst du den Bezug zur Realität, das macht Freundschaften und Beziehungen kaputt. Rockstars wissen gar nicht mehr, wie das wirkliche Leben funktioniert. Frag Robert Plant und Jimmy Page, wann sie das letzte Mal im Supermarkt einkaufen waren. Die haben keine Ahnung vom normalen Leben. Kriegen alles umsonst hinten reingeschoben.«

      »Hey, das mit dem Hit ist gar nicht so verkehrt. Reich, berühmt und sexy werden. Und dann raus hier aus dem langweiligen Kaff. Einen richtig guten Song müsste man haben. Einen, der dich groß rausbringt«, sinnierte er.

      Ich ignorierte ihn. »Nicht zu vergessen die Drogen, die Groupies, der Alkohol und was weiß ich noch alles. Dafür