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Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im October 1813


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dem Peters-Steinwege lagen noch allenthalben tode Menschen und Pferde. Schwer Verwundete suchten sich, auf Händen und Füßen kriechend, hart an die Häuser angeschmiegt, gegen das militärische Getümmel, welches die Mitte der Straße füllte, und wo der Menschenstrom über die Toden, wie über Pflastersteine weggieng, zu sichern. So war auch der schöne Platz um die Bildsäule des Kurfürsten jetzt ein scheußlicher Anblick. Am Petersthore sah man an den, aus den architektonischen Steinmassen herausgesprungenen Stücken, wie heftig es beschossen worden war.

      Wir gelangten in die innere Stadt. Von der Petersstraße bis zum Markte, und von da durch die übrigen Hauptstraßen, drängte sich Kopf an Kopf; es war eine unabsehbare Krieger-Menge aller verbündeten Heere, die aus ihren Bivouacqs hereinströmend, bei dem großen Mangel an Lebensmitteln hier etwas aufzufinden hofften. In den großen Seitenstraßen, dem alten und neuen Neumarkte, wo das Gedränge geringer war, hatten sich die Plätze mit Verwundeten gefüllt. Die Zahl der Verwundeten und Kranken kam der Population von Leipzig, welche man auf 33,000 Seelen schätzt, fast gleich, da man die Zahl der Erstern gegen 30,000 angiebt. Bei der großen Mildthätigkeit der Leipziger war es jetzt, wo diese unglückliche Stadt durch die Franzosen in den letztern Monaten namenlos gelitten und planmäßig ausgeplündert worden war, nicht möglich, ihre Bedürfnisse schnell zu befriedigen.

      Als wir glücklicherweise eine Wohnung für uns bereitet fanden, so ließen wir schnell abpacken, und eilten noch vor einbrechender Nacht die nächsten Umgebungen der Stadt vor dem Peters- und Rannstädter-Thore zu besehen. Als wir zum Petersthore heraustraten, und uns Rechts zur Promenade wendeten, fanden wir diese reizenden Anlagen ganz zerstört, die Barrieren niedergerissen, die Pflanzungen ausländischer Gesträuche, die unser Auge im Frühjahr so oft ergötzt hatten, zertreten, und allenthalben die frischen Spuren eines wüthenden Kampfes. Bei jedem Schritte stießen wir auf Tode, nackend oder bis auf’s Hemde entkleidet. Eben so häufig lagen Pferde umher. Von der Gegend des Barfüßer Pförtchens gegen den Reichelschen Garten und dem Rannstädter Steinwege zu häuften sich die Bilder des gräßlichsten Mordkampfes. Von hier fiengen die Ueberbleibsel der französischen Niederlage an.

      Als Napoleon bei seiner Flucht durch das äußere Rannstädter Thor die steinerne Brücke zwischen der kleinen Funkenburg und dem Zollhause hatte sprengen lassen, so geriethen die Colonnen von Artillerie, Bagage, so wie die zurückgebliebenen Truppen in die fürchterlichste Verwirrung. Gedrängt von den nacheilenden siegreichen Truppen, suchte sich Alles über die kleinen hölzernen Brücken, welche über die eigentliche Pleiße in die Gärten führen, zu retten. Die Brücken stürzten unter der Last der Darüberhineilenden zusammen, zahllose Menschen ertranken, die Uebrigen wurden gefangen, Kanonen und Fuhrwesen erbeutet. Als wie von einem Sturmwind auf die Erde hingeschleudert, lagen hier umgestürzt zahllose Wagen und Kanonen über einander, und füllten den ganzen Raum der Promenade bis zum Hallischen Thore an. Man soll hier allein über 100 Kanonen, und gegen 800 Wagen erbeutet haben. Sehr viele dieser Wagen gehörten der Garde, und hatten die Aufschrift: Fourgon de la Garde Imperiale. Vom Place de Repos an, besonders aber auch auf dem sogenannten Fleischerplatze, an dem Richterschen Garten, so wie am Hahnrey-Brückchen, lagen ganze Leichenhügel und hohe Haufen von Gewehren, welche man bereits aus dem Flusse herausgezogen hatte. Nahe der Brücke nach dem Richterschen, sonst Hermannschen Garten lag am Flußrande, neben andern entkleideten Leichnamen, ein Toder von edler Bildung. Die Nachbarn erzählten, wie sie ihn hier im Wasser hätten mit dem Tode kämpfen sehen; es sey ein stattlicher Mann in französischer Generals-Uniform gewesen. Man hielt ihn für Poniatowsky1), von dem die allgemeine Sage gieng, daß er in dieser Gegend ertrunken sey. Mit Wehmuth betrachteten wir den ritterlichen Mann, dessen Verdienste Freund und Feind anerkennen, und der verdient hätte, für eine bessere Sache, als die der französischen Tyrannie, zu fallen.

      Hier auf diesem Platze trug noch Alles das Gepräge der gestrigen Zerstörung; es dünkte uns ein ungeheurer Schiffbruch auf festem Lande. Kaum konnten wir durch die Trümmer des zahllosen Fuhrwerks uns hindurchwinden, zwischen denen Sterbende ächzten, und schwer Verwundete, aus Liebe zum Leben, mit den letzten Anstrengungen ihrer Kräfte am Boden fortkrochen. Schon wurde es dämmerig, einzelne Wachfeuer loderten zwischen diesen Leichenhügeln auf, an denen der, gegen menschliche Leiden abgehärtete Krieger ruhig sich sein Abendessen bereitete. Ich fand, daß diese gehäuften fürchterlichen Scenen menschlichen Elends das gewöhnliche Mitleid unterdrücken; sie erzeugen einen dumpfen Ernst, der bei dem ältern Krieger eine Gleichgültigkeit gegen Gefahr und Tod, aber freilich meistens auch gegen die Leiden Anderer, hervorbringt. Wohl dem, der dann noch ein menschlich-theilnehmendes Herz sich erhält !

      Wir wollten versuchen, bis zum äußern Rannstädter Thore zu kommen, doch war dieses unmöglich. Es zogen so eben Russische Truppen (ich glaube von der Bennig’schen Armee) zur Verfolgung des Feindes mit klingendem Spiele in gedrängten Reihen den Rannstädter Steinweg hinaus. — Die gesprengte Brücke am Thore ist bereits wieder hergestellt, noch brannten aber rechts über dem Mühlgraben einige Gebäude, welche durch die Sprengung in Brand geriethen.

      Diese Brücke wird in der Geschichte Napoleon’s, so wie der Schlacht von Leipzig, ewig denkwürdig bleiben. Billig sollte sie künftig den Namen ihres kaiserlichen Zerstörers2) tragen.

      Ueber den Weg, welchen der Kaiser, als er gestern Morgen Leipzig verließ, einschlug, herrschen verschiedene Meinungen, doch ist Folgendes die glaubwürdigste. Napoleon brachte die Nacht vom 18ten auf den 19ten October im Gasthofe, dem Hotel de Prusse, am Petersplatze zu; der König von Neapel und seine Begleitung in den nahgelegenen Häusern. Gestern Morgen, als der Kaiser zu Pferd steigen wollte, erhielt er durch einen Adjudanten des Königs von Sachsen einen Brief dieses Monarchen, er las ihn, und sagte dem Ueberbringer, daß er im Begriff sey, sich selbst zum König zu begeben, welches auch geschah. Er blieb eine halbe Stunde bei dem Könige, im lebhaftesten Gespräch begriffen. Als er ihn verließ, (der König wohnte, wie immer, im Apelschen Hause am Markte,) sagte er dem vor dem Logis aufmarschirten Sächs[ischen] Garde-Grenadier-Bataillon: Adieu, Saxons, gardez bien votre Roi! Der Kaiser setzte sich zu Pferde, neben ihm ritt der König von Neapel, hinter ihm Berthier, Caulaincourt, Marschälle, Generale und Escorte der Garde zu Pferd. Als der Kaiser an das innere Rannstädter Thor kam, war es mit fliehenden französischen Truppen so angefüllt, daß es unmöglich war, durchzudringen. Der Kaiser ritt durch die Fleischergasse und Burgstraße zurück, zum Petersthore hinaus. Hier trieb er seine, auf dem Roßplatze aufgestellten Truppen, welche gegen die eindringenden Russen zu weichen anfiengen, noch einmal vorwärts, und entfloh für seine Person mit der vorigen Begleitung rechts die Allee entlang, wo er auf Nebenwegen das äußere Rannstädter Thor erreichte, und durch Sprengung der Brücke den weiteren Rückzug für den ersten Andrang der siegreichen Alliirten sicherte. —

      Ueber den Einzug der alliirten Monarchen hoffe ich noch einige genauere Nachrichten einzuziehen, welche mein nächster Brief enthalten soll.

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      1)Dieses war falsch. Der Fürst Joseph Poniatowsky, seit dem 16ten October zum französischen Marschall ernannt, war zwar am 19ten October Morgens auf der Flucht ertrunken, aber nicht in der Pleiße, sondern in der Elster.

      Spätere Anmerk.

      2)Mehrere spätere Nachrichten bestätigen es, daß diese Brücke auf unmittelbaren Befehl Napoleon’s in die Luft flog. Der sachkundige Bericht in den Deutschen Blättern, Nro. 58. sagt : „Der Kaiser Napoleon selbst wiederholte den Befehl zur Sprengung der Brücke, als er am Ende des Saales der großen Funkenburg hielt. Hinter dem Kuhthurme ließ er noch die über den Lindenauer Mühlwehrgraben und die vor dem Gasthofe zu Lindenau über die Luppe gehenden Brücken ebenfalls sprengen, und blieb darauf in Lindenau bis gegen 3 Uhr, ehe er von dannen ritt.“

      Spätere Anmerk.

       Dritter Brief

      Leipzig, den 21sten October 1813

      Der heutige Tag war zu einer Wanderung auf das ewig denkwürdige Schlachtfeld bestimmt, die ich, da in der jetzigen Lage von Leipzig weder Reitpferde