Reiner Hänsch

Reisch un berümp!


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      Reiner Hänsch

      Reisch un berümp!

      Eine Band rockt sich durch

      Ein Jugendroman

      FUEGO

      - Über dieses Buch -

      Till Heisterkamp will´s wissen. Mit seinen Freunden Alex und Abdullah will er sich ganz nach oben durchrocken - als Band. Einfach ist es nicht, aber der ´Club der Loser´ muss es schaffen. Unbedingt. „Reisch un berümp“ wollen sie werden. Erst mal in Jückerath, diesem verpennten Kaff am Niederrhein, aber dann …

      Doch es wird ein eisenharter Kampf gegen die Schlieper-Gang, einen arroganten Schnösel, die ewige Schule und nix-kapierende Eltern. Werden sie das schaffen?

      Ein Band-Wettbewerb bringt die dramatische Entscheidung.

      Lesen, Leute. Lesen!

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      Für alle, die es wissen wollen.

      Hier passierts …

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      1

      Nix passiert!

      „Tillmann, Tillmann, wat bis’ du mir doch ’n hoffnungslosen Fall. Aus dir wird doch nie ’n rischtijen Musiker! Vill zu lahm und vill zu schlapp spiels’ du dat! ’Dä fröhlische Landmann’, dat is’ doch auch ’n fröhlisches Liedschen! Un’ dat da is’ e ’ne Cis! Mannomann! Tillmann!“, krächzt Hannelore Dröge-Semmeling, meine eisenharte linksrheinische Klavierlehrerin.

      Dann hustet sie dreimal ziemlich rostig, weil sie immer so furchtbar viel raucht, und sagt dann etwas ärgerlich aber auch irgendwie ganz froh, weil sie ja dann gleich wieder rauchen kann: „Schluss für heute! Du bis’ doch ma’ wieder jar nisch bei dä Sache. So jeht dat nisch. Du MUSS’ mehr üben, Tillmann! Ährlisch!“

      Und dann schüttelt sie ihren knochigen Kopf mit den wirren grauen Haaren obendrauf, dass ich sogar meine, es knirschen zu hören. Es staubt sogar ein bisschen, glaube ich.

      „Ja, klar, muss ich“, murmle ich kleinlaut, klappe dann doch ziemlich erleichtert den Klavierdeckel zu - etwas zu heftig vielleicht - und packe schnell meine Noten zusammen, bevor sie sich’s doch noch anders überlegt. Nichts wie raus hier! Der fröhliche Landmann und diese schlecht gelaunte Frau machen mich noch fix und fertig. Und Klavier … find’ ich einfach nicht gut.

      Boah! „Der fröhliche Landmann.“ Die Nummer ist doch wirklich das Allerletzte.

      „Bis Donnerstag, Frau Dröge-Semmeling!“

      „Bis Donnestach, Tillmann!“

      Tillmann.

      Ja, das bin ich. Meine Freunde sagen natürlich Till zu mir, aber eigentlich heiße ich TILL! MANN! Doch, doch, das ist ein durchaus möglicher Vorname für Jungen. So was kann man machen. Hat meine Mutter sich damals so ausgedacht und mein Vater hatte wohl keine bessere Idee. Oder es war ihm egal.

      „Es wär’ doch was ganz Besonderes“, haben sie sich dann beide später rausgeredet, als ich mich mal beschwert habe. Ja, ja, was Besonderes ist es wirklich. So heißt keiner. Jedenfalls hab’ ich noch nie einen getroffen. Natürlich sagen alle Till zu mir. Nachname Heisterkamp. Daran ließ sich leider auch nichts mehr ändern, aber ich denke, es gibt Schlimmeres.

      Tja, ich bin also fast fünfzehn und … irgendwie so mittel. Eigentlich in allem. Mittelgroß, also nicht besonders groß, aber eigentlich auch nicht zu klein, so mittel gebaut, also nicht dick und auch nicht dünn, in der Schule bin ich so mittelgut, sehe verdammt mittelgut aus, also nicht so besonders, aber auch nicht so ganz daneben … naja, ich bin eben so’n ganz mittelmäßig normaler Typ – mit ’nem besonderen Namen allerdings - und mit Brille.

      Vor Knoches An- und Verkauf, lehne ich mein Rad an die Hauswand.

      „AN- UND VERKAUF, ...ALTER KNOCHE“, steht da in vergilbten Aufklebebuchstaben auf einem schmutzigen Neonschild über dem Eingang. Ich weiß, dass der Besitzer Walter heißt, aber das „W“ hat sich schon vor längerer Zeit abgelöst und für immer verabschiedet. Ein sagenhafter Laden. Alles drin. Ich stiere neugierig durch die halbblinden, ungeputzten Scheibe des Schaufensters. Ja, da hängt sie noch. Mittendrin, superrot und wunderschön. Meine Gitarre.

      Ein Mega-Teil! Die muss ich haben. Unbedingt.

      Tiefrot ist sie mit glänzendem Chrom und perlmuttfarbenen Knöpfen. Außerdem hat sie einen „Jammerhaken“. Das ist ein Vibratohebel, der alle Töne zum Jaulen bringen kann. Irre.

      Ich habe keine Ahnung, was sie kosten soll. Ein Preisschild kann ich nicht entdecken, aber heute mache ich auf jeden Fall eine Anzahlung. Fünfzig Euro habe ich dabei, die ich mir hart in den letzten Wochen für das Austragen des blöden Niederrhein-Kuriers verdient habe. Ich hoffe, das reicht dem alten Knoche.

      Walter Knoche selbst ist so ein älterer Typ, der manchmal ganz lässig an den Türpfosten gelehnt im Eingang seines Ladens steht, Schnupftabak schnupft und etwas brummig über den Dorfplatz von Jückerath schaut. Das ist unser verpenntes kleines Kaff hier am Niederrhein.

      Er sieht eigentlich ganz irre aus, der Knoche. Der schrägste Typ im ganzen Kaff, aber ziemlich chillig. Für Jückerath ist er auf jeden Fall ’ne echte Bereicherung. Er ist ein reichlich dünner Kerl mit langen, grauen Haaren, die zu ’nem Zopf zusammengebunden sind, der hinten durch die Schnalle seiner Baseballkappe raushängt. Sein langer Körper steckt meistens in so ’nem orangenen Overall, sodass er fast aussieht wie einer von der Müllabfuhr. Aber irgendwie ganz cool. Außerdem kommt er aus Bayern und redet auch so.

      „Griaß di“, brummt er, wenn Leute kommen, und „Pfiat di“, wenn sie wieder gehen. Es kommt aber fast nie jemand, zu dem er das brummen könnte. Und grüßen tut ihn eigentlich auch keiner. Den Leuten in Jückerath ist er jedenfalls nicht ganz geheuer und sein Laden ist den meisten zu schäbig - und auch irgendwie verdächtig. „Der alte Spinner“, sagen sie immer und „Wat will denn dä Bayer hier?“ Die Jückerather sind lieber unter sich. Spießer.

      Oh Mann, was da für ’n Kram in dem Laden rumsteht. Kramladen, sagt man ja auch. Wahrscheinlich hat er sie doch nicht mehr alle, der alte Knoche, und die Leute haben tatsächlich recht. Ich sehe verstaubte, urzeitliche Radios mit labbrigem, zerissenem Stoff vor den Lautsprechern und riesigen, goldenen Knöpfen, an denen sowieso nie mehr jemand dreht. Es gibt Fernseher, die aussehen, als würden sie noch mit Kohle betrieben, alte zerfledderte Comic-Hefte, eine Carrerabahn, bei der die Fahrspuren rosten, ein rosa Mountain-Bike ohne Reifen, ein einigermaßen modernes Keyboard mit jeder Menge bunten Schaltern und Knöpfen … und ’ne Menge alter Waffen. Drei riesige Uralt-Flinten und Messer, Krummdolche und andere Mordwerkzeuge sieht man da an der Wand hängen.

      Die rote Gitarre ist das Beste, was er hat. Von Knoche selbst ist allerdings durch das schmierige Schaufenster nichts zu sehen.

      „Hallo, Till-Män!“, schnauft es plötzlich ganz unangenehm hinter mir und ein beißender Schweißgeruch verpestet augenblicklich die Atmosphäre, dass ich mich nicht mehr traue, tief einzuatmen.

      Oh, oh, jetzt habe ich wohl ein Problem. Es ist ziemlich groß, dick und schwer und heißt Ronny Prosocha. Es tritt in Gestalt eines gemeingefährlichen, menschenähnlichen Blödmanns ohne nachweisbare Gehirnfunktionen auf. Alle nennen ihn Ronny Rexona, weil er so schrecklich nach Schweiß riecht und unbedingt mal ein Deo benutzen sollte - oder einfach überhaupt mal duschen.

      Aufpassen, was jetzt passiert. Es könnte gut sein, dass das schon das Ende dieser Geschichte bedeutet, weil ich dieses Kapitel gar nicht überlebe.

      „Was willst du, du Vollpfosten?“, schnauze ich ihn an, was ziemlich mutig ist, denn Ronny ist echt gefährlich und nicht alleine. Er hat seine ganze Steinzeitlertruppe mitgebracht, die hohl grinsend um ihn herum steht. Wir nennen sie die Schlieper-Gang. Benannt nach der abgewrackten Siedlung, in der sie alle wohnen. Alle sind schon seit vielen, vielen Jahren in der siebten oder achten Klasse der Ede-Kowalski Hauptschule und kommen irgendwie nicht weiter.

      Ich schaffe es gerade noch, mich zu bücken, sodass sein