sich der Zustand Ihrer Mutter verschlechtert?« fragte er.
»Ich kann es nicht finden, aber sie tut so. Sie steigert sich immer mehr in ihre Beschwerden hinein, dadurch werden sie ja auch schlimmer. Sie weigert sich zu gehen, obgleich sie es könnte. Ich tue eben noch immer nicht genug für sie. Daran habe ich mich ja schon gewöhnt. Wenn sie doch wenigstens mal ein paar Wochen in ein Sanatorium gehen würde. Dafür habe ich ja gespart, aber sie weigert sich. Selbst Dr. Norden hat sie dazu noch nicht überreden können. Wahrscheinlich denkt sie, ich würde unter die Räder kommen, wenn sie nicht da ist«, fuhr sie mit einem leisen Lachen fort, »aber lassen wir das. Was ist denn so wichtig, Boß?«
»Ich sage es gleich, worum es geht. Ich muß zu einer klinischen Untersuchung, und da gibt es vorher einiges zu regeln.«
»Es ist doch hoffentlich nichts Schlimmes«, sagte sie leise.
»Es raubt nur Zeit«, redete er sich heraus.
»Ich möchte Sie mit meinem Bruder bekannt machen, der Ihnen in dieser Zeit zur Seite stehen wird, Franzi. Sie wissen ja über alles Bescheid. Auch, wenn die Pläne fertig sein müssen. Mein Bruder Jürgen ist bereit, dazu beizutragen, damit alles seinen Gang geht.«
»Wird er mich denn akzeptieren?«
»Aber sicher. Er weiß, daß Sie meine Assistentin sind und meine engste Mitarbeiterin.«
Und dann kam die Überraschung. Jürgen und Franzi sahen sich an und waren sprachlos.
»Wir sind uns doch schon begegnet«, sagte Jürgen, »erst gestern abend.«
Franzi brachte noch kein Wort über die Lippen. Sie sah Frank hilfeheischend an.
»Wo denn?« fragte er.
»In einem Hausgang. Franzi – darf ich Sie so nennen? – wurden von einem üblen Burschen belästigt, der zufällig in unserer Mannschaft ist.«
»Ich bin Ihnen Dank schuldig«, sagte Franzi leise. »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie der Bruder von Dr. Derksen sind.«
»Wie hätten Sie das auch vermuten können. Hat Köhler Sie schon öfter belästigt?«
»Ja, wir kennen uns von der Handelsschule, und da wir in einer Gegend wohnen, waren wir früher auch öfter zusammen. Da war er nicht unrecht. Er hat sich leider zu seinem Nachteil verändert.«
»Ich kenne ihn nicht gut, aber ich werde mal ein Auge auf ihn haben aus verschiedenen Gründen. Wir sind in einer Hockeymannschaft. Das heißt, ich bin der Trainer, deshalb war ich auch gestern dort zu einer Besprechung.« Er sah Frank lächelnd an. »Seltsamer Zufall.«
»Gut, daß du Franzi helfen konntest. Vielleicht fördert es die Zusammenarbeit. Jetzt werden wir gemeinsam besprechen, was vordringlich zu erledigen ist.«
Jürgen war beeindruckt, wie sachlich Franzi ihre Stellungnahme kund tat. Er spürte, welche Energie in dieser zierlichen Person steckte. Sein Blick wanderte zwischen seinem Bruder und Franzi hin und her, aber er konnte nicht feststellen, daß sie Blicke tauschten, die mehr als ein freundschaftliches Verhältnis verraten konnten. Er dachte an das verängstigte Mädchen von gestern abend und lernte nun eine junge Frau kennen, die genau wußte, was sie wollte. Nein, ganz so war es nicht, denn etwas Frauliches hatte Franzi nicht an sich. Er hatte noch nie ein Mädchen kennengelernt, das so viel Reinheit ausstrahlte. Und das sollte Frank unberührt gelassen haben? Er konnte es nicht glauben.
Aber er entdeckte in sich jetzt auch den Willen, Frank und sich, aber auch Franzi zu beweisen, daß mehr in ihm steckte, als man vermuten konnte.
Frank staunte auch, wie schnell er sich auf diese Arbeiten einstellte und auch Kostproben über seine mathematischen Kenntnisse gab.
»Es wird schon gutgehen, davon habt Ihr mich überzeugt«, sagte Frank. »Gehen wir noch gemeinsam essen?«
»Eigentlich müßte ich ja heim«, sagte Franzi, »aber warum nicht. Meine Mutter denkt doch, daß ich arbeite.«
*
Das dachte Waltraud Buchholz nicht. Ihr war der Gedanke gekommen, daß es eine feine Sache wäre, wenn Franzi ihren Chef heiraten würde. Er schien doch sehr gut situiert zu sein, hatte ein schönes Haus und auch den besten Ruf. Natürlich mußte Franzi darauf bestehen, daß ihre Mutter dann bei ihnen wohnen würde. Es war ein schöner Gedanke, aber gleich kam ihr der, daß es so schnell keinen Mann geben würde, der seine pflegebedürftige Schwiegermutter bei sich aufnahm.
Wenn sie sich nun aber aufraffte und sich ihr Zustand doch bessern würde? Vielleicht wäre es gut, wenn sie in ein Sanatorium gehen würde, wie es Franzi und auch Dr. Norden vorgeschlagen hatten? Vielleicht auf die Insel der Hoffnung, wo so viel Prominente Genesung suchten? So übel wäre das doch gar nicht.
Dann hätte Franzi auch mehr Zeit, mal privat mit Dr. Derksen zusammenzusein.
Ein Akademiker als Schwiegersohn, ja, das könnte ihr gefallen und so verlor sie sich in Zukunftsträumen und schlief dabei ein. Sie merkte gar nicht, wie spät es war, als Franzi heimkam, und Franzi konnte sich nur wundern, wie freundlich ihre Mutter war.
Waltraud war schlau, sie fiel nicht gleich mit der Tür ins aus.
»Was gab es denn so Dringendes?« fragte Waltraud ganz beiläufig, als Franzi ihr das Essen brachte.
»Dr. Derksen muß sich einer klinischen Untersuchung unterziehen. Ich hatte dir doch erzählt, daß er beim Skifahren so schwer gestürzt war, Mutter. Da scheint etwas nicht ausgeheilt zu sein. Wir haben besprochen, daß ich ihn vertrete in dieser Zeit. Das ist für mich eine große Anerkennung.«
Jürgen wollte sie lieber nicht erwähnen, denn sie kannte die etwas krankhafte Phantasie ihrer Mutter.
»Ja, das finde ich auch«, sagte Waltraud. »Er muß dich sehr schätzen, aber du wirst jetzt wohl auch länger arbeiten müssen.«
»Das wird leider der Fall sein.«
»Dann ist es wohl doch besser, wenn ich eine Zeit ins Sanatorium gehe.«
Franzi war so überrascht, daß sie erstmal gar nichts sagen konnte.
»Wäre es dir jetzt nicht recht?« fragte Waltraud.
»O doch, das ist eine vernünftige Idee, Mutter.«
»Meinst du, daß ich vielleicht auf die Insel der Hoffnung könnte?«
Franzi war momentan so froh, daß sie zu allem ja und amen gesagt hätte.
»Ich werde gleich am Montag mit Dr. Norden sprechen«, erwiderte sie. »Es ist sicher möglich zu machen. Ich bin wirklich froh, daß du dich durchgerungen hast, Mutter. Du wirst sehen, daß es dir bald viel bessergeht, wenn du Abwechslung und richtige Pflege hast und nette Menschen kennenlernst.«
»Und du bist froh, wenn du mich los bist.«
»So ist es doch nicht, Mutter. Aber du solltest einsehen, daß ich einen Beruf habe und etwas leisten muß, wenn ich vorankommen will. Und jetzt kann ich beweisen, was ich kann. Außerdem kann ich Dr. Derksen auch endlich zeigen, wie dankbar ich ihm bin, daß er mir solche Chancen gegeben hat. Er ist ein großartiger Mensch.«
»Vielleicht lerne ich ihn dann auch mal kennen«, meinte Waltraud vorsichtig, denn sie wollte jetzt keine Unstimmigkeit aufkommen lassen.
»Jetzt komm erstmal wieder auf die Beine. Ich freue mich wirklich, daß du so vernünftig bist.«
Frank freute sich, daß sein Bruder Jürgen plötzlich so ernsthaftes Interesse an der Arbeit zeigte. Aber er fragte auch, was sich am gestrigen Abend zugetragen hatte.
»Ich kam ganz zufällig dazu, wie Köhler die kleine Franzi gepackt hatte. Heute kam sie mir nicht so hilflos vor, aber Köhler ist ein brutaler Bursche. Er hätte bei der Sitzung mit den anderen dabeisein sollen, aber er hat sich wieder mal herumgetrieben. Da muß ihm Franzi in den Weg gelaufen sein. Ich werde ihn mir noch mal vorknöpfen.«
»Und du wirst Franzi respektieren.«
»Ich