und das hat mir genügt. Es ist schlimm genug, daß er Arzt war, abgesehen davon, was er Geli angetan hat.«
»Ich habe mal etwas Ähnliches durchgemacht, Kirsten, und ich habe es auch überstanden. Ich habe einen wundervollen Mann bekommen, und da hat Daniel Norden auch eine entscheidende Rolle gespielt.«
»Es ist tröstlich, daß es Ärzte wie ihn und Sie beide und Schorsch Leitner gibt, sonst müßte ich verzweifeln.«
»Es sind schon noch mehr da, die die Ethik unseres Berufes hochhalten, Kirsten, aber es ist wirklich ein Jammer, daß die nicht für alle Geltung hat. Die Moral sinkt, wenn man zu sehr ans Verdienen denkt. Aber jetzt gehen Sie zu Dr. Derksen. Er hat schon ein paarmal nach Ihnen gefragt.«
»Hatte er nicht schon Besuch?«
»Nein, er will noch keinen haben. Erst morgen.«
Sie ging zuerst zu ihm. Geli mochte sie jetzt noch nicht ins Gesicht sehen.
Er sah sie forschend an. »Jetzt sehen Sie wieder aus wie neulich, als Sie den Kummer mit Ihrer Freundin hatten«, stellte er fest.
»Heute war es noch schlimmer, aber darüber reden wir besser nicht. Haben Sie Schmerzen?«
»Nein, gar nicht, es geht mir sehr gut.«
»Nicht gleich übertreiben. Ganz ohne Schmerzen wird es nicht abgehen, bis die Schnitte verheilt sind.«
»Ich kann es noch gar nicht glauben, daß es so gutgegangen ist. Man sollte sich wirklich nicht schon vorher den Kopf heiß machen.«
»Sie hätten sich schon früher unters Messer begeben sollen«, sagte sie lächelnd.
»Dann hätte ich Sie aber nicht kennengelernt. Es sollte so sein, oder darf ich das nicht sagen, Kirsten?«
Ihr Herz schlug schneller, als er sie mit dem Vornamen ansprach. Und seine Worte ließen ahnen, daß er auch mehr als nur Sympathie für sie empfand.
»Es ist wirklich seltsam«, sagte sie leise. »Mit Ihnen könnte ich über alles reden, das ist mir noch nie passiert.«
»Da kann ich ja von Glück sagen«, lächelte er.
»Haben Sie nicht Franzi, mit der Sie über alles reden können?«
»Franzi ist doch noch ein halbes Kind. Jedenfalls sehe ich sie so. Sie ist reizend, und sie ist sehr wißbegierig. Sie wird Ihnen gefallen, Kirsten. Ich hoffe nämlich sehr, daß wir den Kontakt nicht verlieren werden. Sie werden doch hoffentlich in München bleiben?«
Er empfand es schon als Handicap, im Bett zu liegen und über Gefühle zu sprechen. Er konnte es nicht, obgleich er Kirsten so gern gesagt hätte, wie sehr er sie mochte. Aber er hatte das Gefühl, daß sie ihn auch so verstand.
Sie wurden unterbrochen, weil Dr. Behnisch hereinkam.
Kirsten suchte nun Geli auf.
»Ist dir was eingefallen, Kirsten?« fragte Geli ganz direkt.
»Wir brauchen nicht mehr darüber nachzudenken, Geli.«
»Ist er wieder mal verschwunden? Du brauchst dir nichts zu denken, er kommt wieder, wenn er keinen anderen hat. Ich war immer die Dumme.«
»Hat er keine Angehörigen?«
»Die haben längst mit ihm gebrochen. Er kommt aus einer honorigen Familie. Da traut er sich nicht hin. Im Grunde ist er ein Feigling, der seine Brutalität nur an Schwächeren ausläßt. Mir ist alles klargeworden, Kirsten.«
»Diesmal wird er nicht zurückkommen, Geli, nie mehr«, sagte Kirsten leise. »Er hat sich eine Überdosis gespritzt.«
»Das kann ich nicht glauben, dazu war er zu schlau.«
»Vielleicht war es was anderes, als das, was er sonst benutzte. Das wird wohl die Obduktion ergeben müssen. Jedenfalls hat er sich von dieser Welt verabschiedet.«
Geli schloß die Augen. »Er war nicht immer so, Kirsten. Als ich ihn kennenlernte, war er ganz anders. Ein bißchen sehr eingebildet, ja, das gebe ich zu, aber er war Arzt. Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte, daß er sich in diesen Strudel reißen ließ.«
»Der Nervenkitzel der Übersättigten, Geli. Alles probieren und meinen, daß es wirkungslos bleiben würde. Wer die Gefahr sucht, kommt darin um. Man muß sehr stark sein, wenn man allen Versuchungen widerstehen kann.«
»Aber ich habe ihn geliebt, Kirsten, das ist doch keine Versuchung. Es war für mich kein Abenteuer.«
»Aber es hat dich auch veranlaßt, Dinge zu tun, die du sonst nicht getan hättest. Er war nicht gut für dich, Geli.«
»Das weiß ich jetzt auch.«
Kirsten streichelte ihr die Wange. »Jetzt mußt du den Blick nach vorn richten. Nicht zurück, Geli.«
»Ich weiß nicht, ob ich es kann.«
»Du mußt es wollen.«
»Wirst du mir helfen?«
»Das brauchst du doch nicht zu fragen.«
*
Jürgen hatte diesmal nicht lange bitten müssen, um Franzi zu bewegen, mit ihm essen zu gehen. Sie hatte Hunger, einen Mordshunger, wie sie sagte. Da sie nun wußten, daß die Operation glücklich verlaufen war, fühlten sie sich beide freier.
Jürgen hatte ein sehr hübsches französisches Restaurant ausgewählt. Franzi riß die Augen auf, als sie das Büfett sah.
»Ich war noch nie in so einem Restaurant«, sagte sie schüchtern. »Das ist gigantisch. Eigentlich war ich nur zweimal mit Dr. Derksen zum Essen. Einmal an meinem Geburtstag und dann neulich mit Ihnen zusammen.«
»Sonst nie?«
»Nein, ich mußte ja immer für meine Mutter kochen.«
Das gab es also auch noch. Er dachte an die verwöhnten Frauen, mit denen er ausgegangen war, denen es nicht fein und teuer genug sein konnte, wenn sie eingeladen wurden.
Franzi guckte auf die Preise, und ihr gingen die Augen über. »Können wir nicht lieber in ein billigeres Restaurant gehen?« fragte sie beklommen.
»Denken Sie doch nicht an die Preise, Franzi. Ich möchte, daß Sie mal was Besonderes bekommen.«
»Dann suchen aber Sie aus.«
Er kannte sie schon ziemlich gut, und er traf ihren Geschmack. Es war für ihn die reine Freude zu sehen, wie gut es ihr schmeckte.
»Das ist aber wirklich eine Ausnahme«, sagte sie.
»Das nächste Mal bestimmen Sie, wohin wir gehen.«
»Und dann lade ich Sie ein.«
»Das kommt nun wirklich nicht in Frage. Was meinen Sie, was Frank sagen würde. Trinken wir auf sein Wohl, Franzi. Ich wünsche ihm wirklich nur das Beste, aber ich bin trotzdem froh, daß ich durch seine Krankheit festen Boden unter den Füßen bekommen habe und Sie kennenlernte. Sie haben mir bewußt gemacht, was den Sinn des Lebens ausmacht.«
»Daß man mit Freude eine Arbeit tun muß und daß man mit einem Menschen zusammen sein darf, der das Herz auf dem richtigen Fleck hat. Ich bewundere Sie, Franzi.«
»Ach was«, wehrte sie verlegen ab. »Ich hatte nur einen guten Lehrmeister, der das beste Vorbild war.«
»In ihren Augen muß ich wie ein Trottel dastehen.«
»Nein, Sie waren zu sehr verwöhnt. Sie brauchten ja nicht zu arbeiten.«
»Frank hätte das auch nicht gebraucht, wenigstens nicht in diesem Maße.«
»Er liebt seinen Beruf, und es ist ein schöner, ein interessanter Beruf.«
»Jetzt bin ich auch darauf gekommen. Meinen Sie, daß aus mir noch was werden kann, Franzi?«
Sie lachte herzlich. »Aber Sie können doch, wenn Sie wollen. Ihr Bruder wird sich sehr darüber