eingestiegen ist. Griechenland steuert so 1,5 Milliarden Euro Umsatz und 600 Millionen Euro beim EBITDA bei. Ohne diesen Deal würde im Telekom-Hauptquartier Katerstimmung herrschen. Darauf einen Ouzo.«16
Wie man Gewinn macht? Die deutsche Telekom hat ihren Anteil an der vormals staatlichen griechischen Telefongesellschaft OTE vergrößert, wurde so Hauptanteilseigner – und hat gleich mal 2000 Leute entlassen.
Der Ausverkauf Griechenlands? Auch die 14 ertragsreichsten Flughäfen des Landes gingen zum Schnäppchenpreis an die deutsche halbstaatliche Fraport.17 Vielleicht sind die chinesischen Unternehmen in Europa sogar etwas vorsichtiger im Umgang mit ihrem Personal. Sie haben hier nicht die Vorrangstellung – die hat zweifellos Deutschland inne (siehe »Troika« in Griechenland).
Es handelt sich immer nur um Kapital, das seine Interessen verfolgt – die nicht die Interessen der arbeitenden Bevölkerung sind. Das westliche Kapital fühlt sich natürlich von der neuen, fernöstlichen Konkurrenz bedroht.
Grönland und der Ferne Osten
Ein anschauliches Beispiel für die panische Angst vor diesem Konkurrenten, dem man sich im Westen augenscheinlich nicht so ganz gewachsen fühlt, liegt ein wenig außerhalb der Route von Europa nach Asien: in Grönland.18
Grönland, direkt vor Kanada gelegen, hat eine sechsmal größere Fläche als Deutschland, aber nur 56.000 Einwohner, die überwiegend vom Fischfang leben, von Kabeljau und Krabben. Damit wird 90 Prozent des Exports bestritten. Aber Grönland ist reich an Bodenschätzen, an Erz, Zink, Blei, Uran, Öl, Edelsteinen und Seltenen Erden, deren gewinnträchtige Erschließung aufgrund der geografischen und besonders der klimatischen Lage bisher nicht möglich war. 2014 wollte das chinesische Bergbauunternehmen General Nice Group (GNG) ein insolventes britisches Unternehmen mit dessen Lizenzen für Grönland aufkaufen. Die grönländische Regierung verband mit diesem Deal natürlich große Hoffnungen. Aber plötzlich tauchte die NATO auf. Außenpolitisch ist Grönland an Dänemark gebunden, einem NATO-Mitglied. Es handelt sich also um NATO-Gebiet – dort liegt auch der US-Militärstützpunkt Thule Air Base. Die USA witterten Gefahr, sie wollten keine »Arktische Seidenstraße«. Der dänische Verteidigungsminister erklärte nach einem Treffen Ende Mai 2018 mit seinem US-Kollegen Jim Mattis: Das Pentagon möchte keine chinesischen Investitionen in Grönland, egal, welcher Art, das bedrohe »die Sicherheit«, und Dänemark sehe das natürlich ganz genauso. Grönland hat ausgeträumt.
Warum investiert China astronomische Summen in die »Neue Seidenstraße«?
Was ist dieses »Belt & Road Project«19 genauer? Welche Rolle spielt es bei der Entwicklung des chinesischen Kapitalismus?
Die Vorstellung von China als kostengünstiger Werkbank der Welt für die ausländischen Konzerne ist längst überholt. Nach dem »Center for China and Globalization« hat bereits 2015 der chinesische Kapitalexport das in China vorhandene Auslandskapital übertroffen: Die direkten chinesischen Auslandsinvestitionen (OFDI) betrugen 145,6 Milliarden Dollar, das ausländische Kapital in China nur 135,6 Milliarden Dollar.20 Massiver Kapitalexport als Ausweg aus einer wirtschaftlichen Krise am Horizont?
Folgende Punkte dürften die wichtigsten wirtschaftlichen Ziele Chinas bei Belt & Road sein:
Lösung für zu große Produktionskapazitäten. Die chinesische Inlandsnachfrage steigt nicht, wie man es erhofft hatte, denn dazu wären massive Lohnerhöhungen nötig. Sie kann es nicht geben, wenn man China konkurrenzfähig halten will. Der Bevölkerungsanteil des konsumfreudigen, kaufkräftigen Mittelstands stagniert, zudem tendiert bei ihm die Nachfrage mehr zu Dienstleistungen, nicht zu Konsumprodukten. Betroffen sind besonders grundlegende Industriezweige: Stahl, Aluminium, Maschinen. »Belt & Road« kann über einen längeren Zeitraum ein Ausweg aus der sich abzeichnenden Überproduktion sein.
Direkte Auslandsinvestitionen. Die enormen, lang angesammelten Geldreserven Chinas müssen investiert werden. Eine besondere Rolle spielen die großen Staatsunternehmen als natürlich finanziell völlig abgesicherte Basis für spekulative Unternehmungen und die Staatsbanken mit überaus günstigen Zinsen für Privatunternehmen.21
Absicherung der Energieversorgung. China verfügt über zu wenige kostengünstige Ressourcen in diesem Bereich. Erdöl und Erdgas müssen aus Russland, dem Nahen Osten und Nordafrika importiert werden. Alternativ dazu wurden im Großraum Zentralasien eine Pipeline nach Kasachstan gebaut (Beineu–Bozoy–Shymkent), Anteile an Energieunternehmen erworben (Kashagan) und ein Abkommen mit Turkmenistan zur jährlichen Lieferung von 25 Milliarden Kubikmeter Erdgas getroffen.
Größerer Einfluss auf die Länder entlang der Seidenstraße. Bereits 2014 wurden 77 Freihandelsabkommen mit Staaten entlang der Route abgeschlossen. China wurde der wichtigste Handelspartner für Kasachstan und Turkmenistan, der zweitwichtigste für Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan. In allen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens hat längst nicht mehr Russland das Sagen, sondern China. Als Währung für die internationalen Geschäftsabkommen wurde schon der chinesische Renminbi eingeführt.
Dazu kommen weitere politische und strategische Überlegungen verschiedenster Art, etwa die amerikanische Dominanz auf den Weltmeeren definitiv zu beenden, eine Achse Beijing–Moskau–Berlin gegen die USA zu bilden, usw.
Die Schaffung einer adäquaten Infrastruktur zur Verwirklichung dieser gigantischen chinesischen Wirtschaftsoffensive bedeutet die Überbrückung der Strecke zwischen Asien und Europa von rund 6000 Kilometern.
»The belt« umfasst drei Bahnstrecken in Richtung Europa, Route 1 verläuft über Russland nach Berlin, Route 2 über Zentralasien und den Mittleren Osten und Route 3 nach Südostasien.
»The road« ist der lange Weg durch das Südchinesische Meer, an Vietnam vorbei nach Singapur, durch den Indischen Ozean und den Suezkanal zum Mittelmeer.
Ein paar Zahlen vom »Center for Strategic & International Studies« (CSIS) in Washington zu diesem Projekt: Über 60 Länder werden davon erfasst, in ihnen leben 4,4 Milliarden Menschen – 62 % der Weltbevölkerung. Der Handel zwischen diesen Ländern erreichte auch ohne »Belt & Road« in den Jahren von 2014 bis 2016 die astronomische Summe von 3000 Milliarden Dollar.
Da lohnen sich die rund 1000 Milliarden Dollar, die China bereits investiert hat. 26.000 Milliarden Dollar sind laut CSIS insgesamt notwendig. Zum Vergleich – vorstellbar sind diese Summen alle nicht –: die italienische Staatsverschuldung betrug im Februar 2018 genau 2363 Milliarden Euro.22
Der eigentliche Anstoß für diese astronomischen Investitionen, für dieses Jahrhundertprojekt, für dieses Weltwunder, ist in erster Linie ein banaler Überschuss an Produktionskapazitäten.
Nehmen wir den Stahl als klassisches Beispiel für Überproduktion – wir kennen das Problem aus Deutschland. Von der Stahlkrise aktuell betroffen ist der frühere chinesische »Ruhrpott«: Nordostchina, die Mandschurei.
Beispiel einer klassischen Überproduktionskrise: Stahl
Krisen der Stahlindustrie gab es im Kapitalismus immer und überall. Was kann man dagegen tun? Mitte der 1960er-Jahre bildeten die 31 Stahlproduzenten in der Bundesrepublik Deutschland ein Verkaufskartell, um der ruinösen Konkurrenz aufgrund der weltweiten Überkapazitäten zu entgehen. Die eingehenden Aufträge wurden nach einem Quotensystem unter den Unternehmen aufgeteilt. Nach den Wirtschaftswunderjahren war der Bedarf an Stahl zuerst einmal gedeckt, dazu kamen einerseits der zunehmende Einsatz von Ersatzmaterialien – Keramik und besonders Kunststoffe – und andererseits die zunehmende internationale Konkurrenz durch staatlich hoch subventionierte Wettbewerber. Während z. B. Japan auf dem internationalen Stahlmarkt keinerlei Rolle gespielt hatte,23 änderte sich dies in den 1970er-Jahren. Auch Länder wie Brasilien, Algerien, Indonesien und Indien begannen mitzumischen