Aristoteles

Gesammelte Werke


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Sinn für Freundschaft erheben wir mit Lob, und den Besitz vieler Freunde halten wir für schön, und mancher glaubt, die braven Männer müßten auch Freunde sein.

      Zweites Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Es sind also drei Dinge, derentwegen man liebt. Nun spricht man aber bei der Liebe zu leblosen Dingen nicht von Freundschaft. Denn hier ist keine Gegenliebe noch Wohlwollen vorhanden. Es wäre ja wohl lächerlich, dem Wein wohlzuwollen, höchstens will man ihn erhalten, um ihn selbst zu haben. Dem Freunde aber, sagt man, muß man um seiner selbst willen das Gute wünschen.

      Denjenigen aber, der jemanden in dieser Weise das Gute wünscht, nennt man wohlwollend, wenn nicht seitens des anderen dasselbe geschieht; denn erst gegenseitiges Wohlwollen nennt man Freundschaft.

      Oder muß man noch hinzufügen, daß keinem diese Gesinnung des anderen verborgen bleiben dürfe? Viele sind wohlwollend gegen solche, die sie nie gesehen haben, aber für tugendhaft und tüchtig halten, und ebenso kann (1156a) es den letzteren wieder mit bezug auf jene gehen. Somit herrscht augenscheinlich zwischen ihnen gegenseitiges Wohlwollen. Aber wie könnte man sie Freunde nennen, da dem einen die Gesinnung des anderen verborgen bleibt? Mithin gehört zur Freundschaft, daß man sich gegenseitig wohlwolle und Gutes wünsche, ohne daß einem diese gegenseitige Gesinnung verborgen bleibt, und zwar aus einer der angeführten Ursachen.

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Da diese Ursachen der Art nach von einander verschieden sind, so sind es folgerichtig auch die Zuneigungen und die Freundschaften. Demnach sind drei Arten der Freundschaft, entsprechend der dreifachen Beschaffenheit des Liebenswerten, da es bei jedem Liebenswerten eine Gegenliebe gibt, die nicht verborgen bleibt, und die sich Liebenden sich unter der Rücksicht Gutes wünschen, unter der sie sich lieben.

      Eine derartige Freundschaft kommt wohl zumeist unter alten Leuten vor, da es solchen nicht um das Lustbringende, sondern um das Vorteilhafte zu tun ist, bei reifen Männern und jungen Leuten nur dann, wenn sie auf ihren Vorteil aus sind. Freunde dieses Schlages pflegen auch auf das Zusammenleben nicht eben viel zu geben; denn manchmal erwecken sie nicht einmal bei dem anderen Gefallen; daher vermissen sie den gegenseitigen Verkehr gar nicht, wenn ihnen kein Nutzen daraus erwächst, da ihre ganze Anziehungskraft darin besteht, daß sie die Aussicht auf einen Vorteil gewähren. Zu dieser Art von Freundschaft zählt man auch die Gastfreundschaft.

      Die Freundschaft der jungen Leute aber scheint auf der Lust zu beruhen; denn die Jugend wird vom Affekt beherrscht und lebt vorwiegend der Freude und der Gegenwart. Mit den Jahren wird aber auch das Lustbringende ein Anderes, daher die Jugendfreundschaften sich schnell schließen und lösen. Denn mit dem Lustbringenden schlägt (1156b) auch die Freundschaft um, und die jugendliche Freude unterliegt raschem Wechsel. Dann sind die jungen Leute aber auch stark zur Liebe geneigt, sofern in dieser eben Affekt und Lust vorwiegen. Daher lieben und erkalten sie schnell, oft so, daß sie noch am selben Tage eine Neigung fassen und wieder fahren lassen. So lange dieselbe aber anhält, wollen sie mit dem Freunde zusammen sein und zusammen leben; denn so gestaltet sich bei ihnen das Freundschaftsverhältnis.

      Viertes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Vollkommen aber ist die Freundschaft guter und an Tugend sich ähnlicher Menschen. Denn sie wünschen einander gleichmäßig Gutes, insofern sie gut sind, und sind gut an sich. Die aber dem Freunde um seiner selbst willen Gutes wünschen, sind Freunde im vollkommenen Sinne, weil sie diese Gesinnung an sich, nicht mitfolgend, haben. Daher bleibt die Freundschaft zwischen solchen Menschen bestehen, solange sie tugendhaft sind, Tugend aber ist beständig.

      In solchem Freundschaftsverhältnis ist jeder der beiden Freunde schlechthin gut und gut für den Freund. Denn die Tugendhaften sind gleichzeitig schlechthin gut und einander nützlich, und in der nämlichen Weise sind sie lustbringend, sofern der Tugendhafte wie schlechthin so auch einer