target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_7fa06ee8-1eb9-55e0-b686-4c154c683e98">146.Das Sinnenfällige weiß man nur so lange, als es unter die Sinne fällt. Wenn ich den Sokrates sehe, weiß ich z. B., daß er sitzt. Sehe ich ihn nicht mehr, so kann er sich erhoben haben, und dann ist es nicht mehr wahr, daß er sitzt. Trotzdem kann auch Erfahrungsmäßiges Gegenstand des Wissens sein, z. B. der Inhalt der Physik, doch nicht nach dem, was an den einzelnen Körpern geschieht, sondern nach den allgemeinen und notwendigen Gesetzen, denen die Naturvorgänge unterstehen.
147.Aristoteles bezieht sich hier auf I, 1 der zweiten Analytiken, um die Natur der Wissenschaft zu erklären. Jedes Wissen geht von Anfängen aus, die ebenso sicher oder noch sicherer sind als das, was man in der logischen Konklusion aus ihnen ableitet. Es muß aber erste Anfänge geben, weil man nicht ins Endlose fortschreiten kann. Diese ersten Anfänge werden durch Induktion gewonnen. Aristoteles spricht sich darüber auch in dem bekannten Schlußkapitel der ganzen Analytik aus. Trendelenburgs Elementa logices Aristoteleae sowie auch seine Erläuterungen zu den Elementen schließen mit einer Auslegung dieses Kapitels. Dieselbe scheint aber den Autor selbst nicht ganz befriedigt zu haben. Es sei erlaubt, salvo meliori die Vermutung auszusprechen, Aristoteles verstehe hier unter Induktion dies, daß genügend viele Wahrnehmungen und Erinnerungen vorausgegangen sein müssen, um dann beim Erwachen des Geistes aus denselben jene ersten obersten und allgemeinsten Begriffe zu abstrahieren, aus denen die obersten Grundsätze gebildet werden, also Begriffe wie Sein, Werden, Ursache, Notwendigkeit, Möglichkeit, Unmöglichkeit, Kompatibilität, Inkompatibilität. So bildet man denn aus den obersten Begriffen etwa den Grundsatz des Widerspruchs oder der Ursächlichkeit. Diese Grundsätze sind selbst nicht Gegenstand des Wissens, sonst müßten sie, weil Wissen Erkenntnis aus der Ursache ist, wieder aus anderen Sätzen abgeleitet sein, sondern Gegenstand der einfachen geistigen Erfassung von seiten des νους, wie Aristoteles sagt. Daher der Ausspruch: νου̃ς αν είη τω̃ν αρχω̃ν, und: νου̃ς άν είη επιστήμης αρχή und: αρχὴ τη̃ς αρχη̃ς. Das Wissen aber in seiner Totalität umfaßt dann grade so den ganzen Wissensstoff, wie der νους, der Intellekt, die Prinzipien der Wissenschaft. Hiernach ist also auch der Sinn des Satzes in unserem Kapitel der Ethik klar: wo eine bestimmte Überzeugung ist und man die Prinzipien kennt, da ist Wissenschaft: die Wissenschaft ist eine sichere Erkenntnis des aus bestimmten Vordersätzen rechtmäßig Erschlossenen. Die darauf folgende Bemerkung heißt dies: wenn ich z. B. einen mathematischen Satz gut kenne und weiß, seine Vordersätze aber nicht weiß, so wäre mir dieses Wissen nur durch Zufall gekommen.
148.Vgl. I, Kap. 3, Anm. 17.
149.Das rechte Hervorbringen ist Sache der Kunst, das rechte Handeln Sache der Klugheit. Beide haben es als praktischer Habitus mit dem Kontingenten und Einzelnen zu tun im Gegensatz zu dem theoretischen Wissen. Die Kunst ist von der Natur verschieden, insofern ihre Werke nicht von innen heraus oder durch Selbstbewegung entstehen. Mit dem Zufall hat sie das Ähnliche, daß beide eine Beziehung zur Vernunft haben, insofern das Werk der Kunst mit Vernunft zustande kommt, das Ergebnis des Zufalls ohne Vernunft. Der Zufall, τύχη, nämlich, im engeren Sinne und im Gegensatz zum αυτόματον, liegt im Felde menschlichen Tuns. Darum tat Agathon jenen Spruch, daß Kunst und Zufall Freunde sind, was sagen will, daß der Zufall der Kunst oft mehr hilft als Überlegung. – Dies im großen der Sinn des K.
150.Als käme sophrosyne von sozein und phronesis.
151.So zeigt sich also die Abhängigkeit des Denkens und Urteilens vom Leben und der Gesinnung. Vgl. Kap. 1, Anm. 141.
152.Aristoteles sagt wörtlich: »es gibt eine Tugend der Kunst, aber keine Tugend der Klugheit«. Die Klugheit ist nämlich schon an sich Tugend, die Kunst aber nicht. So kann einer z. B. die Redekunst besitzen und sie in den Dienst einer schlechten Sache stellen, weil er nicht tugendhaft ist.
153.Gewiß! Ein Künstler, der absichtlich einen Fehler macht, tut dies unbeschadet seines Könnens, so z. B. Raffael in der Verklärung Christi, die von einem dreifachen Standpunkte aufgenommen ist. Wer aber freiwillig gegen eine Tugend fehlt, verläugnet sie.
154.Vgl. Kap. 2 Anm. 143.
155.Das ist der Vorzug jeder Tugend: eine Art Unverlierbarkeit. Das Gewußte wird vergessen, der gute Wille bleibt, weil er durch Gewöhnung zur zweiten Natur wird.
156.Hier ist von einer weiteren der fünf im 3. K. genannten Mitgiften des Verstandes die Rede, vom Intellekt, νου̃ς. Man vergleiche die Anm. 148 des 3. Kap.
157.Aus dieser angeblichen Dichtung des Homer sind nur noch wenige Verse erhalten. Nach der Art, wie Ar. den betreffenden Mann erwähnt, mag derselbe ein Weiser, wenn auch in praktischen Dingen ungeschickt gewesen sein, wie ja auch Plato bekanntlich den ächten Philosophen schildert.
158.Die Weisheit ist Verstand als Wissen der Prinzipien, Wissenschaft als Wissen der Folgerungen. Sie nimmt im Organismus der Wissenschaften die Stelle des Hauptes ein, weil sie als Wissenschaft des Allgemeinen die Voraussetzungen und Regeln für alle enthält, und alle von ihr wie die Glieder vom Haupte abhängig sind. Sie umfaßt die ehrwürdigsten Objekte, τὰ τιμιώτατα, besonders die Erkenntnis Gottes, des ersten und vorzüglichsten Prinzips, πρώτη καὶ κυριωτάτη αρχή, Met. XI, 7. 1064b 1. Vgl. Met. I, 2. 983a 6: επιστήμη τω̃ν θείων.
159.Die beste, d. i. die höchste Wissenschaft. Die Würde der Wissenschaft richtet sich nach ihrem Objekte, nicht nach ihrem unmittelbaren Nutzen, vgl. den Anfang von de anima. Staatskunst und Klugheit, die es mit dem Besten des einzelnen Menschen oder der Gesamtheit zu tun haben, könnten nur dann die höchste Stelle einnehmen, wenn der Mensch das vornehmste Wesen wäre.
160.Die Klugheit verhält sich bald so bald so, z. B. erträgt sie bald, bald widersteht sie. Die Weisheit verhält sich immer gleich. Die höchsten Ziele sind der unverrückbare Polarstern, auf den sie ihren Blick gerichtet hat. Was aber wechselt, kann nicht den höchsten Gegenstand haben und also auch nicht die höchste Erkenntnis sein. Also hat die Klugheit nicht den höchsten Gegenstand und ist nicht die höchste Erkenntnis, sondern jenen hat und dieses ist die Weisheit.
161.Wie die Klugheit nicht die höchste Erkenntnis ist und somit der Weisheit nicht gleich sein kann, so auch nicht die Politik, diese Klugheit gleichsam im großen. Wie es für die verschiedenen Arten der Lebewesen verschiedene Heilkünste gibt, so gibt es auch viele Arten der Klugheit in privaten und öffentlichen Dingen, während die Weisheit als Wissenschaft der Dinge, die allem Seienden gemeinsam sind, nur eine ist.
162.Ar. sagt nicht schlechthin, daß die himmlischen Bestandteile des Universums am göttlichsten sind, sondern daß sie das Göttlichste von dem sind, was in die Augen fällt. Die Himmelskörper sind nach aristotelischer Auffassung gewissermaßen ein höheres Abbild der aus Leib und Seele zusammengesetzten Menschennatur. Der Himmelskörper