Элизабет Гаскелл

Cranford


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ich ihr meine Teilnahme ausdrücken sollte, dass sie nun so allein in der Welt stand. Da legte sie ihr Taschentuch fort und sagte: »Meine Liebe, ich möchte gern, dass Sie mich nicht Matty nennen. Sie konnte es nicht leiden. Aber ich fürchte, ich habe manches getan, was sie nicht mochte – und nun ist sie von uns gegangen! Wenn es Ihnen recht ist, meine Liebe, dann nennen Sie mich Mathilde.«

      Ich versprach es natürlich und übte den neuen Namen noch am selben Tage im Gespräch mit Miss Pole. Nach und nach wurde in ganz Cranford bekannt, wie Miss Mathilde über diese Angelegenheit dachte, und wir versuchten alle, den vertrauten Namen fallenzulassen, aber mit so schwachem Erfolg, dass wir mit der Zeit die Bemühungen wieder aufgaben.

      Mein Besuch bei Miss Pole verlief sehr still. Miss Jenkyns hatte so lange die erste Rolle in Cranford gespielt, dass man nach ihrem Tode kaum noch eine Gesellschaft zu geben wusste. Mrs. Jamieson, der Miss Jenkyns immer den Ehrenplatz überlassen hatte, war dick und träge geworden und stand sehr unter dem Pantoffel ihrer alten Dienstboten. Wenn es diesen einfiel, dass Mrs. Jamieson die Damen einmal wieder einladen könnte, dann erinnerten sie ihre Herrin an ihre Pflicht, sonst unterblieb die Gesellschaft einfach. Ich hatte daher umso mehr Zeit, alte Geschichten von Miss Pole zu hören, während sie strickte und ich Hemden für meinen Vater nähte. Ich nahm immer eine ganze Menge einfacher Näharbeit mit nach Cranford, denn da wir weder viel lasen noch spazierengingen, so hatte ich die schönste Zeit zum Arbeiten. Eine von Miss Poles Geschichten bezog sich auf eine Liebesgeschichte, die vor langen Jahren in schattenhaften Umrissen bemerkt oder wenigstens vermutet worden war.

      Bald rückte die Zeit heran, dass ich zu Miss Mathilde übersiedeln sollte. Sie war sehr besorgt und ängstlich wegen der Vorbereitungen für meine Bequemlichkeit. Während ich auspackte, kam sie immer wieder herein und schürte das Feuer, das dadurch nur umso schlechter brannte.

      »Haben Sie auch Schubladen genug, Liebste?«, fragte sie mich. »Ich weiß nicht genau, wie meine Schwester es einzurichten pflegte. Sie hatte vorzügliche Methoden. Sie hätte ein Mädchen in einer Woche angelernt, ein besseres Feuer anzumachen als dieses hier, und Fanny ist doch schon vier Monate bei mir.«

      Das Thema Dienstboten war ein ewiger Kummer für sie, und ich wunderte mich auch gar nicht darüber, denn wenn es auch wenig Herren in Cranford gab und in der »vornehmen Gesellschaft« von Cranford gar nicht die Rede davon war, so war dafür in den niederen Klassen eine wahre Überfülle an hübschen jungen Männern vorhanden. Die niedlichen sauberen Dienstmädchen hatten die Auswahl unter wünschenswerten »Verehrern«, und ihre Herrinnen konnten, wenn sie auch nicht eine so geheimnisvolle Angst wie Miss Mathilde vor den Männern und dem Ehestand hatten, wohl etwas besorgt sein, dass die Köpfe ihrer hübschen Mädchen durch den Tischler, den Schlächter oder den Gärtner verdreht würden, die in Ausübung ihres Berufes ins Haus kamen und, wie es das Unglück nun einmal wollte, fast immer gut aussahen und unverheiratet waren. Fannys Liebhaber, wenn sie überhaupt welche hatte – und Miss Mathilde traute ihr so viele Liebschaften zu, dass ich, wenn sie nicht so sehr hübsch gewesen wäre, gezweifelt hätte, ob sie überhaupt eine einzige habe –, waren eine fortdauernde Besorgnis für ihre Herrin. Es war ihr durch die Bedingungen des Arbeitsvertrages feierlich verboten worden, »Verehrer« zu haben; und obgleich sie unschuldig genug, mit dem Schürzenzipfel spielend, darauf geantwortet hatte: »Entschuldigen Sie, Madame, ich hatte nie mehr als einen zur selben Zeit«, verbot Miss Matty auch diesen einen. Aber das Gespenst eines Mannes schien in der Küche umzugehen. Fanny versicherte mir, es sei alles Einbildung, sonst hätte ich selbst gesagt, dass ich einmal die Rockschöße eines Mannes in der Abwaschküche verschwinden sah, als ich eines Abends etwas in der Speisekammer zu tun hatte; und eines andern Abends, als unsere Uhren stehen geblieben waren und ich nach der Küchenuhr sehen wollte, quetschte sich eine sonderbare Erscheinung, die einem jungen Manne erstaunlich ähnlich war, zwischen die Uhr und die offene Küchentür, und es kam mir vor, als ob Fanny mir das Licht sehr hastig aus der Hand nähme, so dass der Schatten auf die Uhr fiel, während sie mir sehr bestimmt die Zeit um eine halbe Stunde früher angab, wie wir später durch Vergleich mit der Turmuhr merkten. Aber ich wollte Miss Mattys Besorgnisse nicht vergrößern und erwähnte nichts von meinem Argwohn, um so weniger, als Fanny mir am andern Tage sagte, es sei eine merkwürdige Küche mit sehr sonderbaren Schatten, so dass sie sich beinahe fürchte, dort zu bleiben; »denn sehen Sie, Miss«, fügte sie hinzu, »ich sehe ja keine Menschenseele von abends sechs Uhr an, bis Missus um zehn Uhr zur Abendandacht klingelt«.

      Es fügte sich jedoch so, dass Fanny gehen musste, und Miss Mathilde bat mich, zu bleiben und ihr bei dem Anlernen des neuen Mädchens zu helfen. Ich willigte ein, nachdem mir mein Vater geschrieben hatte, dass er mich zu Hause nicht brauchte. Das neue Mädchen war ein einfaches, ehrlich aussehendes Landmädchen, das bisher nur auf einem Bauernhof gewesen war, aber es gefiel mir, als es sich für die Stellung meldete, und ich versprach Miss Mathilde, es im Hause einzuweisen. Mit heiligem Ernst wurde alles genauso gemacht, wie nach Miss Mathildes Ansicht es ihre Schwester hätte haben wollen. Manche häusliche Regel und Anordnung war, während Miss Jenkyns lebte, ein Gegenstand klagenden Murrens gewesen, aber nun sie nicht mehr war, hätte nicht einmal ich, die ich ein besonderer Liebling war, eine Änderung vorschlagen dürfen. Um ein Beispiel zu erwähnen: Wir hielten uns streng an die Formen, die bei den Mahlzeiten in »meines Vaters, des Pfarrers Hause« eingehalten wurden. Demzufolge gab es immer Wein und Dessert; aber die Karaffen wurden nur für Gesellschaften gefüllt, und was übrig war, blieb meist bis zur nächsten festlichen Gelegenheit unangetastet, obgleich wir jede täglich zwei Weingläser vor uns stehen hatten. Dann wurde der übrig gebliebene Wein im Familienrat geprüft. Der Bodensatz wurde mitunter an die Armen gegeben, aber wenn ziemlich viel von der letzten Gesellschaft her übrig geblieben war (es war mitunter fünf Monate her), dann wurde aus einer frisch aus dem Keller heraufgeholten Flasche nachgefüllt. Der arme Hauptmann Brown schien Wein nicht sehr zu lieben, denn ich bemerkte einmal, dass er sein erstes Glas nicht einmal austrank, und die meisten Offiziere trinken doch mehrere Gläser. Was unser Dessert anbelangt, so pflegte Miss Jenkyns die Johannisbeeren und Stachelbeeren dazu selbst zu pflücken, obgleich ich manchmal dachte, dass sie uns im Garten frisch vom Strauch besser schmecken würden, aber dann, so bemerkte Miss Jenkyns, wäre ja im Sommer nichts zum Dessert dagewesen. So kamen wir uns sehr vornehm vor mit unsern beiden Gläsern, einer Schüssel Stachelbeeren in der Mitte, Biskuits und Johannisbeeren auf den beiden Seiten und im Hintergrund die beiden Karaffen. Wenn es Apfelsinen gab, verfuhr man sehr merkwürdig. Miss Jenkyns liebte es nicht, die Frucht zu zerschneiden, da sie meinte, der Saft liefe heraus, und niemand wüsste, wohin; aussaugen (sie gebrauchte allerdings, soviel ich mich entsinne, ein weniger drastisches Wort) wäre die einzig richtige Art, Apfelsinen zu genießen. Es störte hierbei aber die unangenehme Ideenverbindung mit einer häufig von Babys ausgeführten Prozedur; und so pflegten denn in der Orangenzeit Miss Jenkyns und Miss Matty nach Tisch aufzustehen, sich stillschweigend eine Apfelsine zu nehmen und sich in ihre eigenen Zimmer zurückzuziehen, um sich dem Aussaugen der süßen Früchte hinzugeben.

      Ich hatte ein paar Mal bei solcher Gelegenheit versucht, Miss Matty zum Bleiben zu bewegen, und das war mir zu Lebzeiten ihrer Schwester auch geglückt. Ich hielt einen kleinen Lichtschirm zwischen uns und sah nicht hin, und sie versuchte, wie sie sagte, das Geräusch so wenig aufdringlich wie möglich zu machen. Nun aber, nachdem sie allein zurückgeblieben war, schien sie ganz entsetzt zu sein, als ich sie bat, bei mir in dem warmen Speisezimmer zu bleiben und ihre Apfelsine auf die ihr angenehmste Weise zu genießen. Und so war es mit allem. Miss Jessies Vorschriften wurden viel nachdrücklicher befolgt, seit die Urheberin derselben dorthin gegangen war, wo nicht mehr dagegen appelliert werden konnte. In allen andern Angelegenheiten war Miss Mathilde bis zur Schwäche sanft und unentschlossen. Ich hörte, wie Fanny sie des Morgens manchmal zwanzigmal in Bezug auf das Mittagessen umstimmte, gerade wie es der kleinen Person einfiel; und ich hatte den Eindruck, dass sie auf Miss Mathildes Schwächen hinarbeitete, um diese zu verwirren und immer mehr in ihre Gewalt zu bringen. Ich beschloss, sie nicht zu verlassen, bis ich gesehen hatte, was für ein Mensch Martha war; und wenn ich sie als zuverlässig erkannte, wollte ich ihr sagen, sie möchte ihre Herrin nicht mit jeder kleinen Entscheidung behelligen.

      Martha war plump und äußerst offen, dabei ein frisches, gutmütiges, aber sehr unwissendes Mädchen. Sie war noch nicht acht Tage bei uns, als Miss Mathilde eines Morgens durch den Brief eines Vetters überrascht wurde, der zwanzig