Neal Hall

Blutgeld


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aus B.C. mit dem Transport nach Quebec beauftragt hatten.

      Das Versagen wurde später einem älteren RCMP-Beamten angelastet, der als Beispiel für das Scheitern der Mounties herhalten musste, sich im richtigen Moment einzubringen und die notwendigen Zahlungen zu leisten, um den Fall zu knacken. Andere benannten jedoch den Ermittlungsleiter als Schuldigen, da er seiner Quelle fälschlicherweise misstraute.

      Der Fall der Western Wind wurde zum wunden Punkt einiger Ermittlungsbehörden, die die mangelnde Koordination verschiedener Einsatzkräfte beklagten, die bei optimaler Leitung wohl zu einer erfolgreichen Strafverfolgung geführt hätte.

      Eine weitere Panne gipfelte in einem Prozess im Jahr 2006, bei dem sich der Polizeibeamte Allen Dalstrom, ein ehemaliger Angehöriger der Abteilung gegen Biker-Verbrechen, gegen seine ungerechtfertigte Entlassung zur Wehr setzte. Den von Dalstrom angeforderten Gerichtsakten nach schien der Prozess eine langgehegte Rivalität zwischen der Polizei Vancouvers und der RCMP zu offenbaren, die während eines missglückten Versuchs, die Hells Angels zu überführen, ans Tagesicht kam. Es war ein klassisches Beispiel für Kompetenzgerangel.

      Dalstrom hatte für die Dienststelle gegen organisiertes Verbrechen in British Columbia (Organized Crime Agency of B.C, kurz OCABC) gearbeitet, einen Zusammenschluss mehrerer Behörden, deren Ermittlungen auf das organisierte Verbrechen abzielten. Er wurde 2004 von deren Leiter David Douglas gefeuert. Der Grund hierfür lag in Anschuldigungen gegen Dalstrom, der angeblich eine Multi-Millionen-Dollar-Untersuchung gegen die Hells Angels mit dem Codenamen Projekt Phoenix grob fahrlässig durchgeführt hatte. Dadurch konnten mehrere Mitglieder der Angels nicht belangt werden. Seine Vorgesetzten empörten sich zudem über angebliche Kommentare, die Dalstrom gegenüber Julian Sher, einem Journalisten aus Montreal, zu einem zweifelhaften Fall abgegeben haben sollte.

      Laut den Gerichtsakten behauptete Dalstrom, keinen Fehler begangen zu haben. Der Fall gegen die Hells Angels hätte eine Anklage nach sich ziehen können, doch die Chance wurde durch interne Streitigkeiten in der RCMP zunichtegemacht.

      „Bestimmte Personen der Führungsebene der RCMP in British Columbia stellten sich schon zu Beginn gegen die Gründung der OCABC, da dieser Dienststelle das Mandat erteilt wurde, das zuvor in der Obhut der RCMP lag“, behauptete Dalstrom in seiner Zeugenaussage. „Die RCMP in British Columbia versuchte die Provinzregierung davon zu überzeugen, die OCABC aufzulösen und das Mandat für die Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen wieder der eigenen Behörde zukommen zu lassen.“

      Auf der Zeugenliste für den Prozess standen anerkannte Kriminalbeamte, darunter Deputy-Commissioner Gary Bass, damals der ranghöchste Mountie in B.C., der ehemalige Deputy-Commissioner Bev Busson und der ehemalige Chef der Polizei Vancouvers, Jamie Graham.

      Doch als der Prozess gerade erst begonnen hatte, wurde er abrupt unterbrochen, um den Rechtsanwälten beider Parteien die Chance zu geben, einen Deal auszuhandeln. Dadurch konnte die Gefahr einer potenziell brisanten Zeugenaussage, die die langwährende Rivalität zwischen den Mounties und der Polizei von Vancouver offenbarte, schon im Vorfeld beseitigt werden. Es kam schließlich zu einer außergerichtlichen Einigung, bei der Dalstrom angeblich 2 Millionen Dollar erhielt.

      Ungefähr einen Monat, nachdem man die Western Wind aufgebracht hatte, und wenige Tage vor der Freilassung Stirlings und seiner Crew, die von den USA nicht anklagt wurden, gelang der Polizei in B.C. der erste Erfolg gegen die Hells Angels. Die beiden Mitglieder des East-End-Chapters Ronaldo „Ronnie“ Lising und Francisco Batista „Chico“ Pires wurden des Kokainschmuggels überführt und verurteilt.

      Bei dem Fall, auch bekannt als Projekt Nova, spielte der Drogendealer und Kleinkriminelle Robert Molsberry eine wichtige Rolle. Er hatte als Türsteher im No. 5 Orange gearbeitet, einem Stripclub in Vancouver, an der Ecke Main Street und Powell gelegen – und nur einen Block von der Polizeiwache Vancouvers an der Main 312 entfernt.

      Molsberry gab bereits 1996 bei der Polizei zu Protokoll, dass er um seine Sicherheit fürchte, denn Ronnie Lising, Chico Pires und andere verfolgten ihn aufgrund von Drogenschulden. Molsberry stimmte zu, sich „verdrahten“ zu lassen, also eine Abhörapparatur zu trägen, mit der die Beamten Gespräche mitschneiden konnten, und als Polizeispitzel zu arbeiten. Als Entlohnung erhielt er 1.000 Dollar, um seine Drogenschulden zu bezahlen, und das Versprechen einer monatlichen Zahlung für die Dauer der Ermittlung. Zusätzlich stellte man ihm eine Barzahlung nach einem abgeschlossenen Prozess in Aussicht.

      Insgesamt erhielt Molsberry 25.000 Dollar. Für den Fall eines Fehlschlags der Untersuchung wurde ihm die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm versprochen. Basierend auf der Vereinbarung mit Molsberry stellte die Polizei einen Antrag für ihren „Lauschangriff“ gemäß Paragraf 184.2 des Strafgesetzbuches. Er wurde vom damals beim Supreme Court in B.C. tätigen Richter Wally Oppal genehmigt, der später seine berufliche Tätigkeit als Richter am Berufungsgericht fortsetzte und zum Generalstaatsanwalt aufstieg.

      Als Nächstes stellte man eine Gruppe vertrauenswürdiger Cops für die Geheimoperation auf, die von der OCABC koordiniert wurde, um die Anzahl der eingeweihten Beamten zu klein zu halten.

      Die Polizei beobachtete zwei Stripclubs, in denen Drogen verkauft wurde – das No. 5 Orange und die Marble-Arch-Bar. Die Transaktionen erfolgten meist im Clubhaus der Hells Angels in Vancouver, an Tankstellen, in Restaurants und Fitnessclubs. Die Angels bezeichneten das Kokain auf Papierbotschaften und in Handy-Telefonaten als „Lunch“, „Dinner“ oder „Bier“.

      Im Prozess stellte sich heraus, dass Lising und Pires zusammen einen „Großhandel“ aufgebaut hatten, der die beiden Stripbars mit Koks versorgte. Die Polizei konnte 1996 und 1997 insgesamt 36 Lieferungen an „Einzelhändler“ beobachten. Sie beliefen sich, gemessen am „Großhandelspreis“, auf eine Summe von 47.000 Dollar. Die Polizei benutzte den Begriff „Großhandelspreis“, um den Verkauf größerer Mengen besser einzuschätzen, die dann später auf der Straße vertickt wurden.

      Lising und Pires mussten eine viereinhalb Jahre lange Haftstrafe verbüßen. Die Ermittlungsbeamten feierten den Fall als erste bedeutende strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung der Hells Angels in B.C. Darüber hinaus diente er als mustergültiges Beispiel für die Kompetenz, Zeugen effektiv zu schützen, die mit der Polizei arbeiteten und gegen die Biker aussagten. Die Cops hofften, damit andere mögliche Kandidaten ins Boot zu holen.

      „Wir senden hier eine ganz klare Botschaft: Wir können für Ihren Schutz garantieren, wenn Sie mit der Polizei zusammenarbeiten wollen. Diese Botschaft richtete sich auch an Mitglieder der Gruppierung“, erklärte der zwischenzeitlich verstorbene Larry Butler von der Outlaw-Gang-Unit damals in einem Interview mit der Vancouver Sun. Ein weiterer leitender Ermittler in dem Fall, Inspektor Andy Richards, zu der Zeit bei der OCABC tätig, kommentierte die Lising-Pires-Verurteilungen wie folgt: „Sie sind ein klarer Beleg für die Effizienz der Gesetzeshüter bei der Verfolgung der Hells Angels. Das System funktioniert.“

      Als Fußnote des Prozesses ist noch ein Fall von Einschüchterung gegen Ernie Froess, den Vertreter der Krone, zu nennen: Er wurde vom aufstrebenden Hells Angel John Virgil Punko, damals 34, im Speisesaal des Pacific Centre, zwei Blocks vom Gerichtsgebäude entfernt, bedroht. Man verurteilte Punko aufgrund dieser Drohungen, was die Kumpels von den Hells Angels beeindruckte und dazu führte, dass die Biker des East-End-Chapters ihn aufnahmen. Er sollte zukünftig noch viel mit einem besonderen Spitzel der Cops zu tun haben – Michael Plante …

      Michael Plante wuchs in Burnaby auf, einem Vorort Vancouvers, und besuchte die Cariboo Hill High School. Nach der zwölften Klasse schrieb er sich für Vorlesungen im nahegelegenen Douglas College ein. Um sich Geld für das Studium zu verdienen, nahm er an Sportveranstaltungen im Gewichtheben und an Bodybuilding-Meisterschaften teil. Zu einem gewissen Zeitpunkt wog er über 110 kg und war in der Lage, mehr als 180 kg aus der Rückenlage zu stemmen. Erste polizeiliche Untersuchungen wegen eines möglichen kriminellen Hintergrunds brachten ans Tageslicht, dass er bis dato nur wenig Ärger mit dem Gesetz gehabt hatte. Während eines Streits in einem örtlichen Fitnesscenter hatte er einen Mann angegriffen, wofür man ihn auch belangte.

      Plante arbeitete zuerst als Rausschmeißer im North Burnaby Inn, das zu der Zeit Bob Green, ein Mitglied der Hells Angels, managte (heute ein sogenannter Nomad, also ein Biker,