über lange Zeit zu verheimlichen, werden sehr ehrlich und offen dargelegt. In Kenntnis seines Krankheitsbildes habe ich mich als behandelnder Arzt immer wieder darüber gewundert, mit welcher Willenskraft Roland Kaiser in der Lage war, seinem Beruf als Sänger weiter nachzugehen. Ich war immer wieder erstaunt, wenn er mir erzählte, dass er zweieinhalbstündige Live-Konzerte geben und dabei auch live singen könne. Dies war ihm unter anderem sicher deshalb möglich, da er im Laufe der Jahre auch positive Effekte der Erkrankung erkannte wie das „Entdecken der Langsamkeit“, die bei ihm insgesamt zu einem ruhigeren und wohl auch sehr harmonischen Familienleben führte. Mit einer bemerkenswerten Presseerklärung hat sich Roland Kaiser schließlich auch vor der Öffentlichkeit als einer unter Millionen betroffener COPD-Patienten geoffenbart – ein Schritt, der richtig war. Sicher ist dadurch der Umgang mit den Medien und auch mit den vielen Zuhörern von Roland Kaiser für alle Beteiligten leichter geworden. Das vorliegende Buch gibt zahlreichen, weniger prominenten Betroffenen wertvolle Hinweise, wie man mit der Erkrankung COPD umgehen muss, um mit ihr leben und durchaus auch arbeiten zu können. Besonders begrüßenswert ist zum Ende des Buches der eindringliche Appell, das Inhalationsrauchen zu unterlassen oder am besten erst gar nicht damit anzufangen. Das vorliegende Buch ist insgesamt äußerst lesenswert und sollte weite Verbreitung finden. Wenn Roland Kaiser seinen Mitmenschen sagte: „Ich sehe schlimmer aus, als es mir tatsächlich geht“, so drückte er damit in bewundernswerter Weise seine Einstellung zu der Krankheit und zu den damit verbundenen Behinderungen aus.
Am Ende des Jahres 2009 verließen Roland Kaiser dann aber doch zunehmend die Kräfte. Im Kapitel „Alles ist möglich“ beschreibt er diese Situation sehr genau. Der Zeitpunkt für eine Lungentransplantation ist immer dann gekommen, wenn ein Patient seinem Arzt sagt, dass ein Leben in der von Roland Kaiser geschilderten Form für den Betroffenen nicht mehr lebenswert ist. In der Medizinischen Hochschule Hannover wurde die Indikation zur Lungentransplantation mit höchster Dringlichkeit gestellt. Erfreulicherweise hat sich dann nach kurzer Wartezeit ein passendes Spenderorgan gefunden. Als ich etwa 14 Tage nach der Operation Herrn Kaiser in Hannover besuchte, stand mir ein lachender und strahlender Mann gegenüber. Mir ist es dabei genauso ergangen, wie er es beschreibt, als er nach der Transplantation das erste Mal in einen Spiegel schaute. Was eine Lungentransplantation aus einem vorher schwerstkranken Menschen machen kann, beschreibt Roland Kaiser selbst am besten. Dem ist nichts hinzuzufügen.
In vielen langen Gesprächen und auch durch die Lektüre dieses Buches habe ich Roland Kaiser nicht nur als Patienten und Künstler, sondern auch als gläubigen Menschen kennengelernt. Als „sein Professor“ möchte ich ihm, aber auch seiner ganzen Familie daher Gottes Segen wünschen. Ich freue mich mit ihm über sein neues Leben, das am 26. Februar 2010 in Hannover begann.
Prof. Dr. med. H. Steppling
Münster, im August 2011
Atemlos
Eigentlich wollte ich 90 Jahre alt werden, ohne Hilfe. Jetzt müssen wir zwei das eben gemeinsam schaffen. Wir, das sind natürlich meine Ehefrau Silvia und ich – aber das sind auch meine seit annähernd neun Jahren im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende ständige Begleiterin und ich. Wir haben uns arrangiert und sehen der gemeinsamen Zukunft nicht zuletzt dank der Liebe, Toleranz und Stärke meiner Ehefrau nach bewegten und nicht gerade leichten Zeiten mittlerweile freudig und zuversichtlich entgegen.
Es war wieder einmal einer der Abende, die kein Ende nehmen. Ein Abend, an dem man in netter Runde sitzt, zu viel trinkt und zu viel raucht. Silvia und ich hatten uns mit Freunden eigentlich nur zum Abendessen verabredet. So nennt man diese zwanglosen Treffen gerne, bei denen man von vornherein weiß, dass sie mit Sicherheit nicht mit dem Dessert enden werden. Irgendwann war es dann so spät, dass wir die letzten Gäste waren. Daher entschlossen wir uns, den Abend beziehungsweise das, was noch davon übrig war, in gemütlicher Runde bei unseren Freunden ausklingen zu lassen und nicht mehr nach Hause zu fahren. Die Zeit verging wie im Fluge. Gegen 4.00 Uhr morgens, nach endlosen Gesprächen, zahlreichen Gläsern Wein und vor allem viel zu vielen Zigaretten, gingen wir dann endlich ins Bett.
Ich schlief ruhig und entspannt, bis ich gegen 10.00 Uhr morgens mit dem vagen Gefühl erwachte, dass etwas Bedrohliches mit mir geschehen sei. Die Luft, die ich einzuatmen gedachte, kam einfach nicht mehr da an, wo ich sie hinatmen wollte. Sie blieb mir vorne in der Brust stecken. Auf halber Strecke war einfach Schluss. Ich versuchte noch einmal, mit aller Konzentration tief durchzuatmen – und musste husten. Die unteren Lungenflügel blieben leer. Ich konnte mir das nicht erklären. Diese Situation war für mich unfassbar, machte mir Angst. Panik machte sich in mir breit. Ich rief nach Silvia, die bereits im Badezimmer war. Sie sah mir sofort an, dass etwas nicht stimmte, und fragte: „Was ist los, was ist los?“ Ich sagte: „Ich kriege keine Luft mehr, ich kriege keine Luft mehr. Ich habe das Gefühl, als ob mir ein Stein auf der Brust liegt und mich daran hindert zu atmen.“ Sie konnte sich das zwar auch nicht erklären, beruhigte mich aber erst einmal durch ihre bloße Anwesenheit und ihre Anteilnahme. Wir hätten nicht so viel rauchen sollen, war die banale und plausible Erklärung, die wir für meine überraschend heftige Atemlosigkeit fanden. Man werde eben auch nicht jünger und sollte es künftig maßvoller angehen lassen.
Dieser Gedanke entspannte mich vorübergehend. Ich fügte mich in das durch den vermeintlichen „Zigaretten-Kater“ verursachte körperliche Unwohlsein. Ich ging davon aus, dass es mir im Laufe des Tages schon wieder besser gehen würde. Doch die beklemmende Atemnot blieb. Wir frühstückten mit unseren Freunden, ich ging hinaus an die frische Luft – aber die Atembeschwerden wollten sich einfach keinen Deut bessern. Meine Lungen versagten mir unerbittlich den einen tiefen, den befreienden Atemzug. Ich war unglaublich matt. Jede Bewegung strengte mich unverhältnismäßig an. Dabei war mein Kopf völlig klar.
Erst viel später sollte ich verstehen, warum ich tatsächlich an diesem Morgen so atemlos und müde war. Die Zigaretten waren sicher ein Auslöser für die heftige Kurzatmigkeit, aber die Wurzel des Übels saß viel tiefer. Aber dazu später mehr. Ich möchte nicht vorgreifen.
Silvia und ich fuhren um die Mittagszeit nach Hause und holten auf der Heimfahrt die Kinder bei unserer Kinderfrau ab. Mit ihr sind unsere Kleinen von Geburt an vertraut. Anschließend machten wir es uns zu Hause gemütlich. Ich versuchte zu schlafen. Ruhelos suchte ich eine bequeme Lage, in der ich freier atmen könnte. Ich legte und setzte mich im Wechsel aufs Sofa und ins Bett. Ich rang im Garten nach Luft. In mir machte sich mit jedem weiteren Atemzug die lähmende Gewissheit breit, dass etwas von meinem Körper Besitz ergriffen hatte, das mein Leben von nun an massiv beeinträchtigen, mir den Atem abschnüren und auch nicht mehr so einfach weggehen würde – wenn ich es überhaupt noch einmal loswerden könnte. Doch diesen Gedanken verbot ich mir sofort wieder. Wer wird denn gleich hysterisch werden?
Ich versuchte, mich nicht mehr auf meine Atmung zu konzentrieren und mich abzulenken, um den immer wieder aufsteigenden Panikwellen den Nährboden zu entziehen. Dann würde es schon besser werden, redete ich mir ein. Ohne Erfolg.
Noch am selben Nachmittag rief ich meinen Hausarzt an, um einen kurzfristigen Untersuchungstermin zu vereinbaren. Aber ich hatte Pech. Es war ein Mittwoch, und da ging nachmittags gar nichts mehr. Nun wollte ich aber auch nicht als Notfall zu einer Vertretung gehen. So beruhigten Silvia und ich uns mit der Absichtserklärung: „In Ordnung, dann warten wir eben die eine Nacht noch ab. Das geht schon irgendwie. Aber morgen fahren wir so früh wie möglich zum Arzt.“
Außerdem hatte uns der Blick in den Terminkalender gezeigt, dass wir eine wichtige private Verabredung am Abend übersehen hatten. Also quälte ich mich weiter durch den Tag, diszipliniert bemüht, mir ja nichts anmerken zu lassen. Ich dachte immer noch, mir hingen die Nachwirkungen der Party nach. Und damit wollte ich nun wirklich nicht hausieren gehen. Ich saß also wie vereinbart bei dieser privaten Verabredung, konnte aber an nichts anderes denken als daran, dass ich keine Luft in meine Lungen bekomme. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Das Atmen forderte meine ganze Aufmerksamkeit.
Geraucht habe ich an diesem Tag übrigens keine einzige Zigarette. Die Lust daran war mir gründlich vergangen. Gab ich doch den Zigaretten die alleinige Schuld an meiner Atemnot. Insgeheim hoffte ich ja auch immer noch, die Rauchabstinenz würde meine Lungen