(Joe Hill) Hillstrom King (1972) ist das zweite Kind und der ältere Sohn der Kings. Schon früh trat er in die Fußstapfen seines Vaters. Als er mit zwölf Jahren einen Artikel in der Bangor Daily News veröffentlichte, konnte die Zeitung sich den Hinweis auf den „Bestsellerautor“ Stephen King nicht verkneifen, und Joseph beschloss, nie wieder etwas unter seinem Namen zu veröffentlichen. Da lag das Pseudonym „Joe Hill“ nahe, zumal es auch einen Gewerkschafter dieses Namens gab, der 1915 unter zweifelhaftesten Umständen zum Tode verurteilt und später zum Gegenstand zahlreicher Lieder wurde.
Ab 1997 veröffentlichte er sporadisch Kurzgeschichten, bis er dann 2001 richtig loslegte und regelmäßig in den einschlägigen Genremagazinen publizierte. Seine Storys wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a. dem „World Fantasy Award“ und dem „Bram Stoker Award“. Herausragend sind hier so verstörende Storys wie „Die Maske meines Vaters“, die Geistergeschichte „20th Century Ghosts“ oder die klassische Horror-Story „Best New Horror“. Fast alle dieser Geschichten wurden in der Sammlung BLACK BOX veröffentlicht.
2007 folgte dann der Roman BLIND (HEART-SHAPED BOX), der auf Anhieb in 20 Länder verkauft wurde. Es handelt sich um einen klassischen Horrorroman, den auch sein Vater hätte schreiben können: Ein alternder Rockstar mit einem Faible fürs Abnorme ersteht auf ebay einen „Geist“ – ohne zu ahnen, dass der echt ist und eine perfide Rache vollziehen soll. Aber nicht alles ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Die packende Handlung wird von überzeugenden Charakteren getragen und kann beeindrucken.
Auch auf dem Gebiet der Comics ist Joe Hill aktiv. In der Serie LOCKE & KEY, die von Gabriel Rodriguez gezeichnet wird, ist der Titel des ersten, vorbereitenden Sechsteilers Programm: WILLKOMMEN IN LOVECRAFT. Damit ist allerdings nicht der gleichnamige klassische Autor gemeint, sondern ein Anwesen in Neuengland, in dem die Türen nicht nur in andere Räume führen und ein hasserfülltes Wesen haust, das die letzte und schrecklichste Tür öffnen will … Auch im nächsten Sechsteiler, PSYCHOSPIELE, greift das Übersinnlicht in die Alltagswelt: Das schreckliche Wesen versucht, die Kinder der Familie Locke (gesprochen Lock = Schloss) dazu zu bringen, den Key = Schlüssel zu benutzen.
Die auf insgesamt 25 Einzelhefte geplante Serie wurde von der Kritik aufmerksam und wohlwollend verfolgt und wird auch in Deutschland in Sammelbänden zu je sechs Heften veröffentlicht. Den Abschluss, Teil 25, soll 2011 eine umfangreiche Graphic Novel bilden.
Einzelveröffentlichungen * NIGHTSHIFT: NACHTSCHICHT
„Mein ganzes Leben als Schriftsteller bin ich immer von einem überzeugt gewesen: In der Fiktion muss die Geschichte selbst so gut sein, dass sie alle anderen Qualitäten des Autors in den Schatten stellt; Charakterisierung, Stil, Thema, Stimmung, das alles bedeutet nichts, wenn die Geschichte langweilig ist. Und wenn die Geschichte fesselt, kann der Leser alles andere verzeihen.“
Vorwort zu NACHTSCHICHT, 1978
Stephen King ist in erster Linie als Romancier bekannt, doch gerade seine Kurzgeschichten geben einen Einblick in die schriftstellerische Entwicklung und Vielseitigkeit des Autors. Einigen (hauptsächlich frühen) Geschichten merkt man deutlich an, dass sie aus Geldmangel geschrieben und dementsprechend auf bestimmte Märkte zugeschnitten wurden, in anderen entfaltet er sein wahres Können. King ist ein Erzähler, wie er im Buche steht, seine Storys wirken mitunter mühelos aufgebaut, die Charaktere lebensecht. Es sind die Menschen von nebenan, der Typ aus der Kneipe, der Verkäufer aus dem Supermarkt um die Ecke, die dem Leser begegnen, Menschen, mit denen er sich mühelos identifizieren kann.
Zahlreiche frühe Kurzgeschichten Kings liegen in seiner ersten Sammlung NACHTSCHICHT (NIGHT SHIFT, 1978) vor. Weitere sind in seiner zweiten (BLUT, SKELETON CREW, 1985) bzw. dritten Sammlung (ALPTRÄUME, NIGHTMARES AND DREAMSCAPES, 1993) veröffentlicht worden, doch einige wenige Geschichten will King nicht mehr einem breiteren Publikum zugänglich machen: ALPTRÄUME, so schrieb er im Vorwort zu der Collection, sei „ein Buch, das eine Trilogie vollendet, deren ersten Bände Nachtschicht und Blut sind. Jetzt liegen alle guten Geschichten gesammelt in Buchform vor; die schlechten habe ich, soweit ich konnte, unter den Teppich gekehrt, und da sollen sie auch bleiben.“
Die frühen ungesammelten Kurzgeschichten
Bereits im Alter von dreizehn Jahren hat sich Stephen King als Kurzgeschichtenautor betätigt. Seine frühesten bekannten Storys erschienen in einem Fan-Magazin, das er gemeinsam mit seinem Freund Chris Chesley verfasste, druckte und vertrieb. Ein Vorwort und achtzehn Geschichten umfasst People, Places and Things, wie die beiden Jungschriftsteller ihr Werk nannten. Acht dieser Geschichten stammen von King, neun von Chesley, eine verfassten sie gemeinsam. „The Hotel at the End of the Road“, „I’ve Got To Get Away!“, „The Dimension Warp“, „The Thing At the Bottom of the Well“, „The Stranger“, „I’m Falling“, „The Cursed Expedition“, „The Other Side of the Fog“ und „Never Look Behind You“ (mit Chesley) sind kurze Geschichten von wenigen Seiten, die unter dem Einfluss der EC-Horrorcomics bzw. der Horrorfilme der fünfziger Jahre entstanden: kleine Pointenstorys mit wenig Charakterisierung oder Tiefgang, die typisch sind für erste schriftstellerische Versuche in diesem Alter. Diese Zeitschrift ist extrem selten: King besitzt ein Exemplar, ansonsten sind nur wenige Fotokopien bekannt.
Ebenfalls im Eigenverlag als Fanzine erschien 1964 „The Star Invaders“, eine SF-Story, in der heldenhafte Menschen eine neue Waffe gegen böse Invasoren aus dem All entwickeln.
Ein Jahr später veröffentliche King erneut eine Geschichte in einem Fanzine, das ein Horrorfan aus Alabama, Mike Garrett, herausgab und das den Titel Comics Review trug. „I Was a Teenage Grave Robber“ erzählt von einem Waisenjungen, der als Grabräuber für einen verrückten Wissenschaftler arbeitet und später seine Freundin aus dessen Klauen retten muss.
Im Herbst 1967 erschien mit „The Glass Floor“ in dem Magazin Startling Mystery Stories die erste Geschichte, die King an einen professionellen Verlag verkaufen konnte. Kurz nach dem Tod seiner Schwester, die in einem „verfluchten“ Zimmer von einer Leiter fiel, besucht Charles Warton seinen Schwager und besteht darauf, das Zimmer zu sehen. Es verfügt über einen gläsernen Fußboden, der Wartons Wahrnehmung völlig durcheinanderbringt, und er erleidet dasselbe Schicksal wie seine Schwester.
Es war nicht die erste Geschichte, die King an dieses Krimi-Magazin geschickt hatte, und stilistisch hatte er sich beträchtlich verbessert. Auch vermochte er seine Geschichten nun besser zu strukturieren, und „The Glass Floor“ erweckt in der Anlage gewisse Anklänge an Edgar Allan Poe: Die Story ist eine Fingerübung in psychologischem Schrecken und vom Anfang bis zum Ende als solche durchkonzipiert.
Kings nächste Geschichte, „Slade“, erschien in acht Fortsetzungen im Juni und August 1970 in der Studentenzeitschrift The Maine Campus. Es handelt sich um eine überdrehte Western-Parodie (in der sich kaum Anklänge an den späteren Dunklen Turm finden) um Jack Slade, den „härtesten Revolvermann im Südwesten“, der in dem Kaff Dead Steer Springs aufräumt, aber schließlich die Belohnung in Gestalt seiner großen, alten Liebe ausschlägt, weil die sich unsterblich in den Bösewicht verliebt hat, und so ziemlich alles umnietet, was sich bewegt, einschließlich der alten Freundin und des Schurken, bevor er schließlich auf seinem geliebten Pferd in den Sonnenuntergang oder wohin auch immer reitet.
Im Januar 1971 erschien in Onan, dem literarischen Magazin der Studenten der University of Maine, „The Blue Air Compressor“, erneut eine stark von Poe beeinflusste Geschichte um einen Schriftsteller, der von seiner Vermieterin, der fetten Mrs. Leighton, wegen einer seiner Geschichten barsch verspottet wird, sie umbringt und die Spuren nach dem Vorbild von Poes „Das verräterische Herz“ verbirgt. Die Story wurde zehn Jahre später in dem Comic-Magazin Heavy Metal nachgedruckt.
Eine seltsame Entstehungsgeschichte hat die 1982 veröffentliche Skizze „Skybar“: Für das von Tom Silberkleit und Jerry Biederman herausgegebene Buch THE DO-IT-YOURSELF BESTSELLER verfassten mehrere bekannte Autoren, darunter auch King, jeweils den Anfang und das Ende einer Geschichte, und die Leser sollten den Mittelteil schreiben. Der Anfang