die Medien und das Radio mehr über uns herausfanden, wollten sie die ganze Geschichte von Boney M. erfahren.
Als wir erst einmal mit unserer eigenen Musik durchstarteten, war das wie eine Explosion: Bumm! Während „Do You Wanna Bump?“ nur in den Niederlanden ein Hit gewesen war, erwiesen sich „Daddy Cool“ und „Sunny“ in einem halben Dutzend europäischer Länder als Nummer-eins-Hits und stiegen in den meisten anderen Hitparaden immerhin bis in die Top Ten. Dann erschien das Album, dass diese drei Songs enthielt. Zudem hatte die Vinyl-LP nicht nur ein hinreißendes Coverfoto, sondern wurde zusätzlich noch mit einem ausklappbaren Poster ausgeliefert. Dahinter steckte die Idee, dass die Leute uns so besser ansehen und an der Wand in ihrem Schlafzimmer ihren Freunden, die uns noch nicht kannten, präsentieren konnten: „Wow! So sehen also Boney M. aus? Spiel mir was von ihnen vor!“ Es zeigte uns als Gesamtpaket, was ich sehr aufregend fand. Infolge all dessen kletterte auch das Album, Take the Heat off Me, überall in die Top Ten und brachte uns unsere erste Goldene Schallplatte in Deutschland für über eine Viertelmillion verkaufter Tonträger. Im nächsten Jahr waren wir bereits so groß, dass wir in Deutschland für Love for Sale sogar Platin einheimsten, was bedeutete, dass wir über eine halbe Million Platten abgesetzt hatten. Praktisch überall in Europa erreichten wir damit Platz 1 oder 2 in den Charts. Nur in Großbritannien schlugen wir nicht groß ein. Wie gesagt, die Leute dort sprangen nur sehr langsam auf Boney M. an, weshalb unsere ersten beiden Alben nur die Plätze 40 und 13 erobern konnten. Allerdings setzte sich der gute Geschmack letztlich doch noch durch und irgendwann mochten uns die Briten ebenso wie alle anderen.
Ein Grund für diesen Boney-M.-Boom war, dass wir zwischen diesen beiden Alben praktisch ununterbrochen auf Tour gingen. Daraus entwickelte sich wiederum ein eigener Kreislauf: Da wir so viele Auftritte absolvierten, wurden wir immer populärer, was zu noch mehr Auftritten führte, wodurch wir noch populärer wurden. Wir traten wirklich jeden Abend auf, standen morgens auf, fuhren irgendwo hin, lieferten unsere Show, fuhren zurück ins Hotel, schliefen, standen wieder auf, fuhren weiter … Wir hatten mittlerweile die DDU-Nachtclubs hinter uns gelassen und traten nun in Theatern und größeren Konzerthallen in ganz Deutschland auf. Wir performten immer noch zu Playback, aber wir vergrößerten gleichzeitig auch stetig unser Repertoire, denn jedes Mal, wenn Frank einen neuen Song aufnahm, wurde die Musik zu unserem Playback hinzugefügt. In diesem Jahr umfasste unsere Tour zunächst halb Europa: die Schweiz, Frankreich, Spanien, Österreich, Skandinavien. Und dann besuchten wir noch andere Länder und Städte auf der ganzen Welt – Singapur, Hongkong, Australien – und traten überall auf, wo sich unsere Platten verkauften und wir auf ein Publikum setzen konnten.
Im deutschen Fernsehen waren wir omnipräsent. Wann immer wir einen freien Tag hatten, schickte uns die Plattenfirma in eine Show. Wenn wir Konzerte in Großstädten absolvierten, organisierte sie nachmittägliche Auftritte, die aufgezeichnet wurden. Auf größeren Reisen verhielt es sich nicht anders: Egal, in welchem Land wir unterwegs waren, die Plattenfirma arrangierte TV-Auftritte für uns, wann immer wir mal zwei, drei Stunden Zeit hatten. Zunächst präsentierten wir die jeweilige aktuelle Single, aber schon bald folgten auch Interviews und lockere Unterhaltungen. So konnten wir uns auch als Menschen einbringen, was nicht nur unsere Popularität steigerte, sondern auch sämtliche Vorurteile zerstreute, wir wären nur irgendwelche dahergelaufenen Hohlköpfe, die bloß als Fassade für die Songs irgendeines Produzenten herhalten mussten.
Die Kombination aus Live-Shows, Fernsehauftritten und Pressekonferenzen erwies sich als äußerst mühsam, aber sie waren alle sehr wichtig. Solange man im Radio läuft, verkauft man auch Platten, und auf diese Weise konnten wir eine Verbindung zu den Leuten aufbauen, die sie kauften. Jeder in Deutschland schien stolz darauf zu sein, was wir als Gruppe in Europa und darüberhinaus erreichten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man uns von Anfang an geliebt hat, aber jetzt schien die Zuneigung der Fans mit der Größe unseres Publikums noch zu wachsen.
Wenn wir in einem Theater auftraten, standen die Fans und tanzten mit, sobald wir sie nur beiläufig dazu aufforderten. Das war ziemlich untypisch für Deutsche, sogar für Teenager: Wenn sie einen Sitzplatz hatten, blieben sie in der Regel darauf sitzen. Nicht so bei uns. Sie kannten offenbar alle unsere Songtexte – selbst wenn eine Single erst eine Woche zuvor erschienen war. Es waren echt fantastische Augenblicke, wenn wir auf der Bühne schwiegen und das ganze Publikum statt uns Songs wie „Rivers of Babylon“ sang. Gänsehaut pur!
Der Applaus konnte einen mitunter richtig überwältigen. Wir hatten dann Tränen in den Augen, wenn wir uns nach einem besonders großartigen Auftritt abschließend verbeugten. Zu jener Zeit traten wir auch einmal vor Udo Jürgens auf, dem österreichischen Schlagersänger, der seit den Sechzigerjahren in Deutschland ein Riesenstar war. Doch mit einem Schlag waren eben auch wir mega-angesagt. Wir bestritten unser Set, worauf eine Pause folgte, in der das Publikum nicht aufhörte, uns zu bejubeln und nach uns zu rufen. Als dann Udo auf die Bühne gehen sollte, fingen alle an zu klatschen und schrien: „Boney M., Boney M. …“ Wir mussten noch einmal in unsere Kostüme schlüpfen, um zurück auf die Bühne zu gehen und ein paar Zugaben zu geben.
Für mich war es das Allergrößte, mit Boney M. Erfolge in Großbritannien zu feiern. Anfangs ging es dort eher schleppend los, was man aber in Relation zu unseren Erfolgen auf dem Festland sehen muss. Eigentlich bezog es sich auch mehr auf die Verkaufszahlen unserer Alben. Viel mag an der britischen Presse gelegen haben, deren Kritiker zu den weltweit am schwersten zu beeindruckenden Schreiberlingen zählen. Seht euch nur mal an, wie sie Prince oder Michael Jackson behandelt haben! Boney M. wurde es auf jeden Fall nicht leicht gemacht. Sie hatten keine besondere Sympathie für Disco und europäische Acts im Allgemeinen. Zumindest anfangs konnten sie daher auch Boney M. nicht viel abgewinnen: eine deutsche Gruppe … eine schwarze deutsche Gruppe … mit Leuten aus der Karibik. Wie soll das denn funktionieren? Mitte der Siebzigerjahre war das eine freakige Sache, an die sie sich erst einmal gewöhnen mussten. Man konnte fast hören, wie sie darüber nachdachten, ob Deutschland jemals karibische Kolonien besessen hatte. In unseren Anfangstagen waren sie gar nicht so gemein zu uns, wie sie das hätten sein können. Vielmehr nahmen sie uns einfach nicht ernst, weil sie nicht wussten, was sie mit uns anfangen sollten. Sie verstanden zum Beispiel nicht, warum Bobby ein vollwertiges Mitglied der Gruppe war und ständig am Rad zu drehen schien, während wir anderen ganz cool auf der Bühne standen und dabei praktisch keinerlei Choreographie folgten. Da war es für sie einfacher, auf uns als „artifiziellen“ Disco-Act hinabzublicken.
Aber was soll man machen? Sie gaben sich jedenfalls keine große Mühe, mehr über uns in Erfahrung zu bringen. Sie schrieben einfach, was sie ohnehin geschrieben hätten. So machten wir einfach weiter und zogen unser Ding durch. Nichts zählte wirklich, außer die Meinung der breiten Masse – und die fing langsam an, unsere Singles zu kaufen. Sobald dein Song es erst einmal in die Charts geschafft hat, wirst du zu Top of the Pops eingeladen. Danach kam die Sache gewaltig ins Rollen, wie ein Schneeball, und ab „Daddy Cool“ erreichte jede einzelne unserer Singles, die wir in Großbritannien veröffentlichten, die dortigen Top Ten. Wir traten so oft bei Top of the Pops auf, dass das Personal witzelte, wir würden wohl Dauerkarten besitzen. Sobald die britische Presse erkannte, wie populär wir waren, sah sie sich mehr oder weniger gezwungen, uns zu akzeptieren, und unterstützte uns fortan viel mehr als noch am Anfang. Ein paar Pressevertreter blieben trotz allem skeptisch, da sie in uns eben nicht mehr als eine Disco-Gruppe von vielen sehen wollten.
Das gemeine Volk in Großbritannien liebte uns jedenfalls. Zum Teil lag das daran, dass wir Musik boten, die leicht zugänglich war, nämlich Pop. Aber auch die Tatsache, dass wir uns bescheiden gaben und so wirkten, als ob wir Spaß hätten, spielte eine Rolle. Wir wurden immer gastfreundlich willkommen geheißen, wenn wir Großbritannien einen Besuch abstatteten. Das Publikum dort war wahrscheinlich das enthusiastischste überhaupt. Praktisch von der ersten Sekunde an schrien sich die Fans die Lungen aus den Leibern und sprangen sofort auf, um mitzutanzen. Liz, Maizie und ich waren alle in England aufgewachsen, weshalb wir uns mit den Leuten dort identifizierten. Wir machten Scherze auf der Bühne und bei Pressekonferenzen und sprachen über alles, was sie interessierte. Das machte sich vor allem bei unserer großen Anhängerschar bemerkbar, die überwiegend aus jungen schwarzen Engländerinnen bestand, die sich total mit uns identifizieren konnten. Schließlich hatten wir dieselben Wurzeln wie sie. Unsere Eltern waren in der Karibik geboren und wir waren entweder in England zur