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Geliebte Dominica
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2017
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
1. ~ (1888)
Lord Hawkston atmete in tiefen Zügen die laue, weiche Luft ein. Erst jetzt kam ihm wirklich zum Bewußtsein, wie sehr er im kalten England die Wärme vermißt hatte, die seinen ganzen Körper zu durchdringen schien und die verkrampften Muskeln lockerte. Langsam ging er über den Rasen und ließ sich vom süßen Duft von Magnolien, Jasmin und Oleander umfächeln.
Während der sechsundzwanzig Tage dauernden Überfahrt hatte er sich wie ein Kind auf sein Wiedersehen mit Ceylon gefreut, wo er sechzehn Jahre seines Lebens verbracht hatte.
Weit davon entfernt, ein Romantiker zu sein, war er im Gegenteil als äußerst unnahbar, hart gegen sich und andere, ja sogar als rücksichtslos bekannt, wenn es seinen Zwecken diente. Der Erfolg war ihm nicht in den Schoß gefallen, er hatte sich ihn Schritt für Schritt erkämpfen müssen, und das war ihm nur gelungen, weil er das sich selbst gesteckte Ziel nie aus den Augen verlor.
Als er jetzt durch den herrlichen Garten der Residenz des Generalgouverneurs, Queens House genannt, schlenderte, weilte er in Gedanken bereits auf seiner Teeplantage im Norden der Insel. In wenigen Tagen würde er seine alten Freunde, seine Kulis und das schöne Haus wiedersehen, das nach seinen Entwürfen nicht weit von der Hütte entstanden war, die ihm nach dem Kauf der Plantage zunächst als Heim gedient hatte.
Als er an diesem Abend den unwiderstehlichen Drang verspürte, mit seinen Erinnerungen und Gefühlen allein zu sein, wartete er, bis sich der Gouverneur und seine Gäste zur Ruhe begeben hatten. Dann trat er hinaus in die Mondnacht.
In diesem Augenblick überquerte jemand den Rasen, und Lord Hawkston blieb im Schatten eines großen Bambusgewächses stehen, weil er nicht die geringste Lust zu einer Unterhaltung verspürte. Im Mondlicht, das voll auf das Gesicht des Näherkommenden fiel, erkannte er einen jungen Soldaten, der mit ihm auf demselben Schiff gereist war. Er gehörte zu einer Gruppe von Offizieren, die nach einem Europaurlaub zu ihren militärischen Pflichten nach Ceylon zurückkehrte. Lord Hawkston hatte sich zwar bei den Mahlzeiten mit ihnen unterhalten, da sie mit ihm zusammen am Kapitänstisch saßen, sich aber sonst weitgehend zurückgezogen, da er sich zu alt fühlte, um sich an ihrem lebhaften Geplauder und ihren ständigen Frotzeleien zu beteiligen. Dabei war ihm Captain O’Neill ernster und verantwortungsbewußter vorgekommen als seine Kameraden.
Vorsichtig näherte sich der junge Mann dem Haus, das wie die meisten Kolonialhäuser eine eindrucksvolle Vorderfront bot, während sich nach hinten hinaus zwei übereinander liegende Reihen von Veranden erstreckten. In den Zimmern dahinter schliefen die Bewohner bei offenen Türen. Unter einer Veranda blieb der Captain stehen und stieß einen leisen Pfiff aus. Gleich darauf kam eine weiß gekleidete Frau mit offenem Haar aus dem Schlafzimmer und beugte sich über das Geländer. Ob sie etwas sagte, war nicht zu verstehen, jedenfalls begann der junge Mann nach oben zu klettern. Das war nicht schwer, denn die stützenden Säulen aus gedrehtem Eisen boten selbst dem ungeübtesten Kletterer einen sicheren Halt. Sekunden später schwang sich der junge Mann über das Geländer.
Einen Augenblick lang verharrte das Paar in einer leidenschaftlichen Umarmung, dann verschwand es im Dunkel des Schlafzimmers.
Lord Hawkston zog hörbar den Atem ein. Obwohl er wußte, wen Captain O’Neill um diese nachtschlafende Zeit besuchte, spürte er weniger Ärger als blankes Erstaunen über dessen Kühnheit. Die Frau, die der junge Mann so heiß geküßt hatte, war niemand anders als Emily Ludgrove, die Lord Hawkston nach Ceylon begleitet hatte, weil sie seinen Neffen, Gerald Warren, heiraten sollte.
Als Lord Hawkston vor achtzehn Jahren - damals hieß er noch Chilton Hawk - beschloß, nach Ceylon zu gehen, war er einundzwanzig Jahre alt. Für ihn bestand nicht die leiseste Aussicht, den Familientitel oder das Vermögen zu erben, und die geringen Mittel seines Vaters gestatteten ihm kein bequemes Leben in England. Mit seiner Volljährigkeit kam er in den Besitz von tausend Pfund, und ein Bericht über ertragreiche Kaffeeplantagen in Ceylon inspirierte ihn zu dem Gedanken, dort sein Glück zu suchen.
Ceylon schien in jenen Tagen am anderen Ende der Welt zu liegen. Zehn Jahre früher hatte es einen Kaffeeboom erlebt, als englische Siedler nicht nur die Energie, sondern auch das Kapital mitbrachten, um es in Plantagen zu investieren.
Chilton Hawk hatte sich in Oxford mit einem Schotten angefreundet, der drei Jahre zuvor nach Ceylon gegangen war und enthusiastische Briefe schrieb über die Möglichkeiten, die dort für einen ehrgeizigen jungen Mann existieren.
Sein Vater war überrascht über seinen Entschluß, Kaffeepflanzer werden zu wollen.
„Leg dich nicht fest, mein Junge“, sagte er. „Sieh dich erst einmal um, vielleicht hast du in Indien und Singapore bessere Aussichten.“
Doch Chilton Hawk hatte kaum einen Fuß auf ceylonesischen Boden gesetzt, da wußte er auch schon, daß er nur hier leben und arbeiten wollte. Und arbeiten mußte er - wie schwer, merkte er erst, als er zweihundertfünfzig Hektar Land gekauft hatte und daran ging, es vom Urwald zu befreien. Zu diesem Zweck mußte er achtzig Mann anheuern, wobei im Hintergrund ständig die Angst lauerte, daß ihm das Geld ausgehen könnte, bevor er fertig war.
Gleich nach seiner Ankunft hatte er Glück. Sein Oxford-Freund machte ihn mit einem erfahrenen, fünfunddreißigjährigen schottischen Pflanzer namens James Taylor bekannt, der ob seiner Tüchtigkeit von jedermann respektiert wurde.
James Taylor faßte eine spontane Zuneigung zu dem jungen Mann, der gerade aus England gekommen war und riet ihm, Land in der Nähe seiner eigenen Loolecondera-Plantage, die inmitten der Bergregion lag, zu kaufen. Wie Taylor zog die Schönheit der Hügellandschaft auch Chilton Hawk in ihren Bann, und es dauerte nicht lange, da paßte er sich der fremden Umgebung an.
James Taylor stand ihm mit Rat und Tat zur Seite, sei es bei der Beschaffung von tüchtigen Tamilen-Kulis oder beim Bau der ersten Hütte. Wenn es nottat, ermutigte er ihn und half ihm während der ersten Monate beim Roden und Pflanzen, wobei Chilton Hawk härter arbeitete als jeder seiner Männer.
Später dachte er manchmal, daß das die glücklichste Zeit in seinem Leben gewesen war. Er baute etwas auf, war sein eigener Herr, und wenn er alles verlor, was er besaß, konnte er dafür nur sich selbst die Schuld geben. Und ohne James Taylors Freundschaft wäre genau das geschehen.
Zehn Jahre Kaffeeboom hatten Chilton Hawk in dem Glauben bestärkt, daß der Reichtum zum Greifen nahelag. Doch mit einem Schlag waren die großen Tage des Kaffees vorbei. Eine sich schnell ausbreitende Blattkrankheit, auch Kaffeerost genannt, vernichtete die ganze Ernte. Lord Hawkston konnte nie das Entsetzen vergessen, das ihn beim Anblick seiner vom Pilz befallenen Kaffeepflanzen überkommen hatte. Diese Katastrophe hatte den Hoffnungen der meisten Europäer und Ceylonesen ein Ende gesetzt.
Für Chilton Hawk bedeutete seine Freundschaft mit Taylor seine Rettung vor dem Ruin. Dieser hatte im Jahre 1866 von einem Aufseher des Königlichen Botanischen Gartens in Peradeniya einige Teesetzlinge bekommen und sie versuchsweise in Loolecondera angepflanzt. Als sich das erfolgversprechend anließ, überredete er Chilton, ebenfalls auf einem Teil seines Landes Tee anzubauen. Dadurch stand dieser wenigstens nicht unmittelbar vor dem Nichts, er krempelte die Ärmel hoch und bepflanzte auch den Rest seiner Plantage mit Tee.
In der Zwischenzeit beschäftigte sich Taylor bereits mit einem neuen Projekt, einer Anlage, wo aus den Teeblättern das Fertigprodukt hergestellt wurde, was es in Ceylon noch nie gegeben hatte. Überall erwachten neue Hoffnungen, als bekannt wurde, daß Taylors Plantage wie auch die angrenzende durch den Anbau von Tee wieder Ertrag brachten. Chilton Hawk, der rund um die Uhr arbeitete, gewann das Vermögen zurück, das er schon verloren geglaubt hatte.
Selbst in seinen kühnsten Träumen war er nicht auf den Gedanken gekommen, daß ihm Titel und Familienbesitz in England zufallen könnten. Beim