Barbara Cartland

Geliebte Dominica


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Nachricht, daß er nach dem Tode seines Onkels der neue Lord Hawkston geworden war.

      Es blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren, wenn es ihm auch wie die Amputation eines Armes oder Beines vorkam, seine Plantage zurücklassen zu müssen, die sich inzwischen auf sechshundert Hektar vergrößert hatte. Gleichzeitig war auch seine Selbständigkeit gewachsen, was sich gar nicht umgehen ließ. Manchmal vergingen drei oder vier Wochen, ohne daß er jemand anders als seine Kulis zu Gesicht bekam. Dann saß er allein in seinem großen Haus, das er auf einem Hügel erbaut hatte, um während der heißen Jahreszeit jeden Lufthauch einzufangen. Da es andererseits im Winter recht kühl werden konnte, besaß er nach englischer Mode einen großen offenen Kamin, in dem bei Bedarf ein Holzfeuer brannte.

      Chilton Hawk gewöhnte sich an die Einsamkeit. Er las viel und gern, doch noch öfter ging er nach einer gut zubereiteten und servierten Mahlzeit früh zu Bett, um bei Sonnenaufgang aufzustehen und sich wieder in die Arbeit zu stürzen.

      Als er nach London zurückkehrte, hatte er völlig vergessen, daß dort ein Gentleman ein elegantes, müßiges Leben führte, ohne Arbeit, ohne Eile und ohne Ehrgeiz außer dem einen, die leeren Stunden mit Vergnügungen zu füllen.

      Auf dem Familiensitz erwartete ihn viel Arbeit. Sein Onkel, der die letzten Jahre seines Lebens krank gewesen war, hatte vieles vernachlässigt. Neue Methoden mußten eingeführt, Maschinen gekauft und Gebäude repariert werden. Und als Familienoberhaupt mußte er sich um eine anspruchsvolle und ermüdende Familie kümmern.

      Seine erste Aufgabe bestand darin, jemand zu finden, der seinen Platz auf der Plantage in Ceylon einnehmen konnte. In seinem Neffen Gerald Warren, dem einzigen Sohn seiner ältesten Schwester, glaubte er den idealen Stellvertreter gefunden zu haben. Und weil er sich um seine Besitzung Sorgen machte, die er in der Obhut eines ceylonesischen Vormannes zurückgelassen hatte, schickte er den jungen Mann so überstürzt dorthin, wie es ihm andernfalls nie in den Sinn gekommen wäre. Mit vierundzwanzig Jahren sollte Gerald seiner Meinung nach imstande sein, die Plantage zu leiten, die Profit abwarf und keine schwere körperliche Arbeit mehr erforderte, wie er sie vor sechzehn Jahren hatte leisten müssen. Gerald hatte bereitwillig alle Vorschläge seines Onkels akzeptiert, wobei Lord Hawkston erst nachträglich erfuhr, daß er zu Hause nicht besonders glücklich war, weil er sich mit den meisten Verwandten überworfen hatte.

      Vor der Abfahrt verlobte er sich noch mit Miss Emily Ludgrove, der Tochter eines Landedelmannes aus der Nachbarschaft. Deren Familie hatte sich bisher gegen diese Verbindung gesträubt, weil sie Gerald für einen jungen Mann ohne Zukunftsaussichten hielt, bei dem nichts darauf hindeutete, daß er je mehr Geld haben würde als den kleinen Zuschuß, den ihm seine verwitwete Mutter geben konnte. Das Interesse seines Onkels an ihm änderte die Sachlage, und obwohl die Verlobung nicht offiziell verkündet wurde, herrschte Übereinstimmung, daß das junge Paar innerhalb von Jahresfrist heiraten sollte.

      „Ich werde dir deine Braut selbst nach Ceylon bringen“, versprach sein Onkel.

      „Müssen wir wirklich ein ganzes Jahr warten?“ fragte Gerald.

      „Ich fürchte ja“, erwiderte sein Onkel, „schon, weil ich nicht glaube, daß ich meine Geschäfte hier vor Ablauf von zwölf Monaten abwickeln kann.“

      Es dauerte sogar achtzehn Monate, bevor sie England verließen, und Emily schien sich darüber nicht besonders zu grämen. Ihre Familie sah keinen Grund für eine eilige Heirat, und als Lord Hawkston bereit zur Abreise war, verzögerte sich diese noch einmal um zwei Monate, da ein paar Kleinigkeiten bei Emilys Brautausstattung fehlten. Doch endlich schifften sie sich in Southampton ein, und Lord Hawkston telegrafierte seinem Neffen, daß er sie in Colombo abholen solle.

      Geralds Briefe waren während der letzten Monate spärlich geworden. Zuerst traf alle vierzehn Tage ein Bericht über die Geschehnisse auf der Plantage ein, dann nur noch alle vier Wochen und schließlich in unregelmäßigen Abständen ein paar flüchtig hingekritzelte Zeilen.

      Von Geralds zukünftiger Frau sah Lord Hawkston wenig. Mit ihrem Vater, den er für einen außerordentlich langweiligen Mann hielt, hatte er wenig gemein und war außerdem zu beschäftigt, um sich gesellschaftlichen Verpflichtungen zu widmen. Er war so lange allein gewesen, daß er höfliche Konversation und Klatsch ermüdend und lästig fand.

      Seine eigenen Verwandten fanden ihn schwierig und behandelten ihn mit einer gewissen Scheu, was ihn nicht etwa störte, sondern ihm sogar recht gut in den Kram paßte.

      Auch auf dem Schiff hielt er sich weitgehend für sich, wobei er trotzdem bemerkte, daß Emily von den jungen Offizieren ein gerütteltes Maß an Aufmerksamkeit zuteilwurde. Die Bälle, Scharaden, Kostümfeste und Konzerte an Bord bereiteten ihr allem Anschein nach das größte Vergnügen. Nicht aufgefallen war ihm, daß sich Captain Patrick O’Neil mehr um sie bemühte als die anderen.

      Jetzt bedauerte er, nicht achtsamer gewesen zu sein und übersehen zu haben, daß das Mädchen auf der Reise ihr Herz, vor allem aber den Kopf verloren hatte. Er fragte sich, was zum Teufel er tun sollte. Eines stand fest, unter diesen Umständen würde er einer Heirat Emilys mit seinem Neffen nicht zustimmen.

      Vielleicht war es gut, daß Gerald verhindert gewesen war, sie in Colombo abzuholen. In Queens House hatte sie eine Nachricht erwartet, daß er erkrankt war, jedoch bei ihrem Eintreffen auf der Plantage wieder wohlauf zu sein hoffte.

      Lord Hawkstons erste Reaktion war Ärger. Seinem Plan zufolge hätten Emily und Gerald sofort nach der Ankunft in Colombo heiraten sollen. Während sie sich auf der Hochzeitsreise befanden, wollte er allein zur Plantage fahren.

      In diesem Augenblick kam ihm schlagartig zum Bewußtsein, daß es keine Hochzeit geben würde und daß er Gerald die Neuigkeit überbringen durfte, daß er sich anderweitig nach einer Frau umsehen mußte.

      Ich werde das verdammte Mädchen mit dem nächsten Schiff nach Hause schicken, beschloß er. Die Schönheit der Nacht hatte ihren Zauber verloren. Er ging zum Haus zurück, wobei er sich bemühte, nicht an die beiden jungen Menschen im Schlafzimmer des oberen Stockwerkes zu denken.

      Am nächsten Morgen nahm Lord Hawkston in aller Frühe das Frühstück ein. Als er gerade vom Tisch aufstehen wollte, wurde ihm ein Besucher gemeldet. Einigermaßen erstaunt folgte der dem Diener den langen Korridor entlang und fand in einem Wohnzimmer zu seinem Entzücken seinen alten Freund James Taylor.

      Taylor war jetzt fünfzig Jahre alt und trug einen langen Bart. Er wog über zweihundertfünfzig Pfund, und einer seiner Finger war so dick wie drei eines gewöhnlichen Mannes. Wenn er lächelte, verlieh das seinem Gesicht mit den tiefliegenden Augen und der langen Nase einen seltsamen Charme.

      „Ich habe gehört, daß Sie wieder da sind, Chilton“, sagte er zur Begrüßung.

      „James, welche Freude! Wie geht es Ihnen? Es ist ja eine Ewigkeit her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.“

      „Ich habe Sie vermißt“, brummte James Taylor. „Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun, daß Sie inzwischen zu hochgestiegen wären, um wieder zu uns zurückzufinden.“

      „Wenn Sie wüßten, wie sehr ich mich nach Ceylon gesehnt habe“, erwiderte Lord Hawkston. „Zu Hause habe ich kaum weniger hart gearbeitet als hier, nur auf andere Weise. Es war nicht leicht.“

      Taylor lächelte.

      „Nichts was Sie oder ich getan haben, war jemals leicht, Chilton, trotzdem nehme ich an, daß Sie es geschafft haben.“

      „Ich hoffe es jedenfalls“, meinte der Lord. Als ihm in diesem Augenblick Emily einfiel, verfinsterte sich seine Miene. „Erzählen Sie mir von meinem Neffen.“

      „Das ist einer der Gründe, warum ich gekommen bin“, sagte Taylor.

      Etwas in seinem Ton ließ Lord Hawkston aufhorchen. Er warf seinem Freund einen scharfen Blick zu.

      „Hat der Junge sich eingelebt und gute Arbeit geleistet?“ fragte er. „Ich möchte die Wahrheit wissen.“

      „Die ganze Wahrheit?“

      „Mit weniger würde ich mich nicht