Isst du nichts?«
»Hab schon!«
»Glaub ich nicht!«
»Lass mich!«
»Hast du’s wieder rausgekotzt?«
»Lass mich in Ruhe!«
»Gell, du hast wieder alles rausgekotzt?«
»Lass mich endlich in Ruhe! Ich lass dich leben, du lässt mich leben, okay?«
»Ja, okay, aber du musst normal essen!«
Jacqueline scannte ohne Emotionen die schlanke Silhouette ihrer Schwester. Eigentlich sahen sie sich sehr ähnlich, wenn sie nur ein bisschen etwas aus sich machen würde.
»Du verkümmerst noch auf dem Hof hier«, murmelte kopfschüttelnd die Schwester.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts!«
Chantal wendete routiniert den Pfannkuchen, schüttelte ihn zuvor kurz auf der schwarz glänzenden Bratfläche der gusseisernen Pfanne. Auf der goldbraunen Oberfläche verteilte sie mit einem Löffel gerösteten Speck und Zwiebeln aus einer weiteren Pfanne.
»Schnittlauch?«
»Mhh.«
»Mama hat ihn auch immer mit Schnittlauch gegessen!«
»Mhh.«
»Hat sie sich heute gemeldet?«
»Hmm.«
»Ihr neuer Lover ist ein Arsch!«
»Ich weiß, aber er säuft wenigstens nicht!«
»Mensch, Schaki, du trinkst doch auch, wenn du mit deinen Brides unterwegs bist!«
»Das ist was anderes, wir genießen Alkohol, Papa säuft. Ich bin noch nie umgefallen. Papa sieht man häufiger in der Horizontalen als in der Vertikalen!«
»Ihm fehlt Mama!«
»Die ist gegangen, weil er so säuft.«
Chantal lieferte den Pfannkuchen aus der heißen Pfanne an ihre Schwester Jacqueline. Geschickt hatte sie ihn mit dem Pfannenwender zu einem halbierten, gefüllten Pfannkuchen geformt und sanft auf Jacquelines Teller gleiten lassen.
»Lass dir’s schmecken, Schaki!«
»Mhh. Wie macht man eigentlich Pfannkuchen?«
»Mein Gott, ich glaub’s ja nicht, das bekommt doch jeder hin.«
»Quatsch keine Opern, wie geht’s? Das würde ich gerne mal mit den Brides machen.«
»Soll ich dir das jetzt wirklich erzählen?«
»Los, mach schon!«
»Mehl, Eier, Milch, Salz, Prise Zucker. Das ist alles!«
»Wie viel von dem Zeugs?«
»Ich nehme bei 500 Gramm Mehl nur ein Ei …«
»Und wie viel Milch?«
»Schau, bis der Teig so eine Konsistenz hat. Und ich mach immer mehr Pfannkuchen, die halten prima ein paar Tage im Kühlschrank, das gibt dann mit einer Fleischbrühe eine tolle Flädlesuppe. Das hat die Mama auch immer so gemacht.«
»Ach lass mich mit Mama in Ruhe!«
»Machen deine Brides jetzt mit beim Kässpätzleswettessen am Samstag in K’wald?«
»Klar sind wir dabei! Wir müssen die arroganten Harley-Säcke doch schlagen. Dieses Mal holen die Brides den Pokal!«
»Wer ist noch mit dabei?«
»Der Witwer-Klub, die haben gegen uns keine Chance, das sollen hundsalte Säcke sein, die nur teilnehmen, um nicht zu verhungern. Der Älteste soll 100 sein oder mehr. Aber die Junge Union, die können fressen, da müssen wir aufpassen.«
»Nur vier Mannschaften?«
»Nein, noch ein paar Vereine aus der Umgebung und irgend so ein Saufverein.«
»Wie viele Leute pro Mannschaft?«
»Fünf, wir brauchen noch eine Mitesserin. Du kommst doch auch, Schanti? Bitte, dann kommst du hier mal raus. Wir brauchen dich als Verstärkung, reinstopfen kannst du ja, darfst nachher auch alles wieder rauskotzen!«
»Lass das, ich will nicht, dass du so mit mir redest. Mit Sicherheit gehe ich nicht zu diesem Wettfressen! Außerdem will ich hier nicht raus. Wenn ich sehe, wie du lebst, immer nur deine Brides, ihr seid doch so was von billig.«
»Ich habe wenigstens noch meinen Job als Taxifahrerin, aber du hängst nur hier ab. Seit Mama weg ist, redest du davon, die Mittlere Reife nachzumachen. Lupf doch endlich deinen faulen Arsch und versteck dich nicht nur hier auf dem Hof.«
»Fauler Arsch, das sagt die Richtige, wer macht denn hier alles, putzen, kochen, Garten, die Schweine, den Vater versorgen, wenn er mal wieder alles vollgekotzt hat? Wer? Sag’s! Wer? Los, sag’s!«
»Ach, fuck you! Verreck doch hier und sei stolz drauf! Lass mich jetzt in Ruhe essen. Ich muss gleich bei meinen Brides sein!«
»Fuck you selbst, Biker-Schlampe!«
2. Jeauloise minds
»Die arrogante Kuh, die rällige, ich könnt ihr den Hals umdrehen. Das war mir klar, dass sie Berthold anmacht, die Büchs, die verdammte!«
Flora warf ihr langes, rotes Haar energisch aus dem Gesicht, die grünen Augen eisten Monscheri.
»Hei, bleib cool, Sister, du weißt doch, wie sie ist, das vergeht schnell wieder. Und mich brauchst du nicht so anzustieren, ich kann nichts dafür, Sister.«
»Schon, aber ihr scheint’s nur drauf anzukommen auszuspannen. Sie soll die Finger von Berthold lassen, auch wenn sie die Chefin ist!«
»Ja, das weißt du doch! Sie muss alles dominieren, was meinst du, wie’s ihrer Schwester geht?«
Flora rutschte auf der schmalen Sitzbank ihrer schwarzen Honda Monkey nervös hin und her. Sie trommelte einen Stakkato-Rhythmus auf den mit aufgeklebten Blümchen versehenen Tank der winzigen Viertaktmaschine. Die silbernen Ringe verstärkten den blechernen Klang.
»Hey Sister, ganz ruhig, deine Maschine kann nichts dafür.«
Monscheri verzog ihre vollen Lippen und legte eine blendende Reihe weißer Zähne frei. Viel zu groß, um bequem auf ihrem kleinen Gefährt zu sitzen, stand Monscheri breitbeinig neben ihrer Monkey mit der Zebramuster-Lackierung. Als Monscheri das Viertaktbrummen einer weiteren Monkey hörte, stellte sie einen Fuß provokativ auf den Sattel ihrer auf dem Seitenständer ruhenden Maschine, was ihre langen Beine noch besser zur Geltung brachte. Sie strich sich durch den Afrolook, um die Haare noch weiter aufzustellen, und demonstrierte die coolste Mimik ihres schwarzen Gesichts. Ebenso schnell mutierte das Gesicht wieder freundlicher, als sie die Maschine von Aische, begleitet von einer Staubfahne auf den Kiesparkplatz am Seepark einbiegen sah.
Monscheri nahm den Fuß vom Sattel und hob die Hand zum Gruß. Dreimal machte sie eine Faust in der Luft. Das Erkennungszeichen der Busty Biker Brides.
»Hey, das ist Aische! Die Chefin hat’s mal wieder nicht nötig, pünktlich zu sein.«
Flora schüttelte, immer noch verärgert, den Kopf. Die Haare blitzten trollingerrot in der Sonne des frühen Abends.
»Schaki war noch nie pünktlich, ich kratz ihr die Augen aus, wenn sie kommt!«
»Sister, bleib cool.«
Monscheris Mund wurde noch breiter. Sie klopfte versöhnlich auf Floras schmächtigen Rücken.
Aische hob noch in der Anfahrt die Hand zum Brides-Gruß. Dann drückte sie einfach auf die Hinterradbremse, stellte ihre Monkey auf dem Kies mit einem knirschenden Geräusch quer, schon war der schwarze Bell-Helm mit den drei weißen B vom Kopf gerissen. Schwarzes, langes Haar ergoss sich aus