A. F. Morland

Dr. Härtling gab ein Versprechen: Arztroman


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Pflicht an, ihr diesen sehnlichen Wunsch zu erfüllen. Sie nickte und lächelte Josee liebevoll an.

      „Na schön, ich bleibe zu Hause.“

      „Danke.“

      Jana streichelte sanft die fieberheiße Wange ihrer Tochter.

      „Ist doch selbstverständlich, wenn ich dir damit eine Freude machen kann.“

      „Ich hab’ dich sehr lieb, Mutti.“

      „Ich hab’ dich auch sehr, sehr lieb, mein Schatz.“

      2

      Als Jana Härtling aus Josees Zimmer trat, fragte Tom mit sorgenvoller Miene: „Geht es ihr schon besser, Mutti?“

      „Leider nein.“

      „Sie hat sich gestern Abend verkühlt, nicht wahr?“ In solchen Augenblicken zeigte sich, wie sehr Tom an Josee hing, obwohl sie zumeist wie Hund und Katze waren.

      „Sieht so aus“, nickte Jana Härtling.

      „Sie hätte auf dich hören sollen“, brummte Tom. „Du hast sie mehrmals aufgefordert, eine Weste anzuziehen, aber sie hat immer nur ,Ja, ja’ gesagt und es nicht getan. Und nun hat sie Fieber.“

      Jana Härtling strich sanft über das weiche Haar ihres Sohnes.

      „Da sieht man es wieder mal: Wer nicht hören will, muss fühlen.“

      „Wie lange wird Josee krank sein?“

      Jana schmunzelte.

      „Ich bin Ärztin, kein Prophet. Auf jeden Fall muss Josee noch einen weiteren Tag im Bett verbringen, wenn sie fieberfrei ist, damit es zu keinem Rückfall kommt.“

      Freunde wollten Tom zu einer Party abholen, doch er ging nicht mit, hatte keinen Bock drauf, wie er sagte. Hierin zeigte sich seine echte brüderliche Liebe, denn normalerweise ließ sich Tom in letzter Zeit keine Fete entgehen.

      Dr. Sören Härtling hatte den Samstagnachmittag in der Paracelsus-Klinik verbracht. Als er nun nach Hause kam, um sich für die Verlobungsfeier in Schale zu werfen, eröffnete seine Frau ihm: „Du musst leider ohne mich zu den Schwarzbachs gehen.“

      „Ist das dein Ernst?“

      „Ich muss bei Josee bleiben.“

      „Ottilie ist doch da“, wandte Sören Härtling ein. „Sie war jahrzehntelang Krankenschwester!“

      „Josee möchte aber mich bei sich haben. Ich wäre eine Rabenmutter, wenn ich mich über den Wunsch meines kranken Kindes mit einem gleichgültigen Schulterzucken hinwegsetzen würde.“

      „Soll ich mit Josee reden?“, fragte der Klinikchef.

      „Das möchte ich nicht. Ich finde es schön, dass mein Kind mich bei sich haben möchte, wenn es ihm schlecht geht.“

      Sören nickte.

      „Gut, dann rufe ich bei den Schwarzbachs an und sage, dass wir bedauerlicherweise nicht kommen können, weil unsere Tochter überraschend krank wurde.“

      „Ich schlage vor, du gehst allein.“

      Sören Härtling zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf.

      „Dazu habe ich keine Lust.“

      „Du weißt, welch großen Wert Anton Schwarzbach darauf legt, dass du kommst. Er ist dein Patient. Er schätzt dich sehr, ist äußerst großzügig und hat schon viel für die Paracelsus-Klinik getan. Du darfst ihn nicht vor den Kopf stoßen.“

      „Da er selbst Vater ist, wird er verstehen ...“

      „Hat er der Klinik für dieses Jahr nicht wieder eine größere finanzielle Zuwendung in Aussicht gestellt?“, fragte Jana Härtling. „Möchtest du darauf verzichten?“

      „Ich fühle mich nicht wohl allein ...“

      Jana lächelte. „Das Haus wird voller Menschen sein.“

      „Von denen ich die meisten nicht kenne.“

      Jana ließ den Einwand ihres Mannes nicht gelten.

      „Du kennst die Schwarzbachs, kennst Martina Veit, die junge Frau, mit der Rainer Schwarzbach sich verloben wird, kennst ihre Eltern - und deine Schwester Trixi und dein Schwager Axel werden auch da sein.“ Sörens Gesichtsausdruck blieb lustlos. „Hin und wieder ist es erforderlich, dass du für die Klinik, die mein Vater gegründet hat, ein Opfer bringst“, redete Jana ihm zu.

      „Ich sehe mir jetzt erst mal Josee an und entscheide dann, ob ich bleibe oder gehe“, erklärte Dr. Härtling mit dumpfer Stimme.

      3

      Er musste x-mal erzählen, wieso er allein gekommen war, und, vor allem der untersetzte Anton Schwarzbach, der mit fünfzig Jahren schon völlig kahl war, wusste Sörens Erscheinen deshalb doppelt zu schätzen.

      „Kinder“, nickte der Industrielle, der mit seinen Sportartikeln Umsätze in Millionenhöhe erzielte, verständnisvoll. „Sie beschäftigen ihre Eltern ein Leben lang - kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen. Ich hoffe, Ihre Josee ist bald wieder auf den Beinchen.“ Schwarzbach lachte. „Muss sie ja eigentlich, wo ihre Eltern doch beide Ärzte sind. Man sollte meinen, dass in einem solchen Haus Krankheiten so gut wie keine Chance haben.“

      Nur ungern erinnerte sich Sören Härtling daran, dass das Nesthäkchen einmal sehr, sehr krank gewesen war und es eines großen Wunders bedurft hatte, um Josee ihre lebensbedrohende Leukämie überwinden zu lassen.

      Der Industrielle bat den Klinikchef, seine Frau ganz herzlich von ihm zu grüßen.

      „Sagen Sie ihr, dass ich es sehr bedauere, dass sie nicht kommen konnte.“

      „Sie wäre gern dabei gewesen“, versicherte Sören dem untersetzten Mann.

      Schwarzbach stellte ihn gleich darauf einem evangelischen Pastor mit den Worten vor: „Das ist Dr. Sören Härtling, der Chef der Paracelsus-Klinik. Er hat mir vor zwei Jahren das Leben gerettet. Dass ich heute hier stehe, ist sein Verdienst - und das seiner Kollegen.“

      Sören hörte so etwas nicht gem. Es war schließlich seine Aufgabe als Arzt, kranken Menschen zu helfen.

      „Sie waren damals sehr leichtsinnig“, sagte Dr. Härtling. „Sie haben mit Ihrem Leben gespielt.“

      Der Industrielle nickte ernst.

      „Und beinahe wär’s ins Auge gegangen.“ Er wandte sich an den Pastor. „Mein Leben hing nur noch an einem hauchdünnen Faden.“

      „Dazu hätte es nicht kommen müssen“, erinnerte sich Sören Härtling „Wenn Sie sich rechtzeitig hätten operieren lassen, wäre der Eingriff ein Kinderspiel gewesen.“

      Schwarzbach nickte wieder.

      „Ich habe zu lange gewartet. Wir hatten Absatzschwierigkeiten in Übersee, riesige Umsatzeinbußen drohten uns. Ich sagte mir, ich hätte keine Zeit zum Kranksein.“

      „Und damit setzen Sie Ihr Leben aufs Spiel.“

      Der Pastor wusste nicht, woran Anton Schwarzbach erkrankt war. Dr. Härtling sagte es ihm: „Zuerst war es nur eine harmlose Blinddarmentzündung. Wenn Herr Schwarzbach sich den Appendix hätte herausnehmen lassen, wie wir es ihm mehrfach empfohlen hatten, hätten wir nicht einige Wochen später um sein Leben bangen müssen. Aber er ließ es anstehen, kümmerte sich lieber um seine Geschäfte und ahnte nicht, wie rasch die Zeitbombe in seinem Bauch bereits tickte.“

      „Ich konnte die Überseekrise, die uns Verluste eingebracht hätte, von denen wir uns bis heute noch nicht erholt hätten, im letzten Augenblick verhindern“, berichtete Anton Schwarzbach. „Um arbeiten zu können, bekämpfte ich meine Schmerzen mit Medikamenten, doch bald wirkten die Pillen nicht mehr, und ich brach an dem Tag, an dem feststand, dass alle Schwierigkeiten