Isolde Kakoschky

Papakind


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Abend saß Franzi in ihrem Zimmer und schrieb einen Brief an Heiner. Sie bat ihn um Verzeihung für ihr Verhalten.

      Da war ein Sprung in ihrer Beziehung, den hätte sie gerne geklebt, doch so einfach ging es nicht. In der Schule liefen sich Heiner und Franzi ständig über den Weg, hatten in benachbarten Klassenzimmern Unterricht, sie sahen sich auf dem Korridor und sahen sich doch nicht.

      So liefen sie tagelang umeinander herum, bis eines Morgens Heiner wieder am Schultor auf sie wartete und sie begrüßte, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Franzi fiel ihm um den Hals und war überglücklich.

      Das Glück hielt nicht lange. Schon ein paar Tage später stritten sich Heiner und Franziska auf dem Schulhof. Es waren eigentlich ganz banale Anlässe, die plötzlich zum Streit zwischen den beiden führten. Heiner sagte etwas, Franzi hielt dagegen, wurde wütend und lief weg. Hinterher wusste sie, dass sie damit eigentlich nur seine Zuneigung erkämpfen wollte und es tat ihr leid. Dann bat sie ihn um Verzeihung. Sie hatte solche Angst, plötzlich allein zu sein. Doch die Abstände zwischen den Streitereien wurden immer kürzer.

      »Franzi, es geht nicht mehr!« Heiner wusste, dass er Franzi damit weh tat, aber er konnte nicht anders. Dieses ständige Auf und Ab zerrte an seinen Nerven.

      Franzi weinte. »Bitte bleib bei mir, geh nicht weg!«, bettelte sie.

      »Franzi, ich bin nicht dein Vater, der dich in den Himmel hebt, der dir alles durchgehen lässt! Ich bin schon schlechter in der Schule geworden. Wir müssen uns trennen.« Heiner wollte sie noch einmal in den Arm nehmen, aber Franzi rannte weg. Sie heulte haltlos. Noch vor einer Stunde war ihr größtes Problem gewesen, den Eltern eine 4 zu beichten. Jetzt schien ihr Leben zerstört.

      In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett. Als es an der Tür klingelte, sprang Franzi auf und wischte sich die Tränen fort. Heiner!, war ihr erster Gedanke. Doch draußen stand Susanne. Sie war inzwischen eine gute Freundin für Franzi geworden. Auf dem Schulhof hatte sie den Streit mitbekommen und war Franzi nachgelaufen.

      »Wieso hängst du dich nur so an den?«, redete Susanne auf Franzi ein. »Es gibt doch mehr Jungs auf

      der Welt als diesen einen. Sieh dich doch nur mal um!«

      »Ach Sanne, das habe ich doch schon versucht!« Franzi schniefte. Nach jedem Streit hatte sie versucht, sich abzulenken, hatte sich mit Andi getroffen, mit Manni, mit Jürgen und auch mal mit Ronny. Doch die Sehnsucht nach Heiner war geblieben. Selbst wenn sie wütend auf ihn war, wollte sie nicht von ihm verlassen werden.

      »Man könnte meinen, dich hat schon mal einer verlassen«, grübelte Susanne vor sich hin.

      »Und man könnte meinen, du willst mal Psychologin werden!«

      Susanne überhörte die leise Ironie. »Nein, Architektin. Aber es ist schön, dass du jetzt wenigstens wieder lächeln kannst.«

      »Ich habe eine Überraschung für dich!« Der Vater sah seiner Tochter seit Tagen an, dass es ihr nicht gut ging. Da kam diese Reise gerade recht. »Ich habe 3 Karten für eine Fahrt zur Kunstausstellung nach Dresden.« Franz schätzte das Talent und den Kunstverstand seiner Tochter sehr. So hatte er spontan eine dritte Karte bestellt und da Winterferien waren, stand dem Ausflug am Sonnabend nichts im Wege.

      »Oh, das ist toll!« Franzi freute sich. Es war sicher gut, mal aus dem Einerlei hier heraus zu kommen.

      »Kommt Alex nicht mit?« Sie mochte es nicht, wenn ihr Bruder hinten angestellt wurde.

      »Alexander ist doch auch kein kleines Kind mehr. Mit 12 kann er schon mal einen Tag allein bleiben und essen kann er ja bei Oma Klara. Aber in die Kunstausstellung müssen wir ihn wirklich nicht schleifen. Du, der ist bestimmt froh, mal sturmfreie Bude zu haben!«

      Franzi gab dem Vater recht. Da waren die Geschwister doch ziemlich verschieden. Franzi wäre auch schon vor drei Jahren in eine Kunstausstellung gefahren, Alex würde das vielleicht nie tun.

      »Einsteigen!« Der Busfahrer drängte die Reisenden zur Pünktlichkeit. Schließlich war es eine weite Fahrt und der Tagesplan sollte eingehalten werden. Franzi hatte sich ganz vorne, schräg hinter dem Fahrer, einen Platz gesucht. Die Eltern saßen direkt dahinter. Das erste Herzklopfen, als sie den Bus bestiegen, hatte sich gelegt. Nun genoss sie die Fahrt und beobachtete den Fahrer.

      »Na, interessiert es dich?« Er drehte sich kurz zu ihr um. Franzi nickte.

      »Klar, warum nicht, heutzutage können auch Frauen Busfahrer werden.«

      »Nein, das nun gerade nicht«, entgegnete Franziska. Für sie war es eher Angstbewältigung.

      Aber sie interessierte sich schon für viele Dinge. Und was sie mal später werden würde, das wusste sie auch noch nicht. Nach ihren erfolgreichen Nähversuchen hatte sie mal über Schneiderin nachgedacht. Aber dafür brauchte man kein Abitur. Etwas in der Richtung studieren, das wäre schön, aber ein Studienplatz bestimmt schwer zu bekommen. Allerdings hatte sie ja auch noch so viel Zeit.

      Der Bus bog von der Autobahn ab und rumpelte über die holprigen Straßen der Dresdner Altstadt zum »Albertinum«, einem prächtigen Gebäude an den Brühlschen Terrassen. Im Krieg war es schwer zerstört worden, aber inzwischen wieder aufgebaut. Ach, dachte Franzi, muss es hier im Sommer schön sein! Jetzt stiegen die Fahrgäste aus und bahnten sich einen Weg durch den Schneematsch. Wind wehte von der Elbe her und ließ Franzi frösteln.

      Im Museum war es hingegen angenehm temperiert. Die Jacken wurden in der Garderobe abgelegt und die Führung durch die Ausstellung begann. Interessiert betrachtete Franzi die Exponate. Nicht nur Gemälde und Zeichnungen waren zu sehen, auch Plastiken und Skulpturen und architektonische Modelle. Franzi dachte an Susanne. Das hätte die Freundin auch interessiert.

      Dann blieb sie an einem Bild wie gebannt stehen.

      »Günther Glombitza – Junges Paar« stand darunter. Nun war sie wieder mitten drin in ihrem persönlichen Dilemma. Dieses junge Paar schien sich auch gestritten zu haben. Jedenfalls schauten beide sehr traurig und nachdenklich. Das ganze Bild wirkte auf sie irgendwie geheimnisvoll. Franzi hätte zu gerne gewusst, ob sich diese beiden wohl wieder vertragen hatten.

      »Franziska, komm!« Die Mutter zog sie sacht am Arm. »Alle warten nur noch auf dich!« Franzi erwachte aus ihren Gedanken und folgte der Mutter nach unten. Der Bus stand schon bereit und brachte die Reisegesellschaft in eine etwas außerhalb gelegene Gaststätte. Erst jetzt merkte auch Franziska, dass sie hungrig und durstig war und aß mit gutem Appetit.

      Auf der Heimfahrt war Franzi schon bald eingeschlafen. Der Vater schob ihr von hinten eine Jacke unter den Kopf und sah lächelnd auf seine Tochter.

      »Ich glaube, es hat ihr gut getan.« Die Mutter nickte.

      

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