goss sich noch einen Drink ein. „Das haben sie auch. Aber ich habe es nicht begriffen. Einer von ihnen sagte ständig, dass ich mir einen Urlaub verdient hätte und dringend die Stadt verlassen müsste. Am besten schon morgen. Sie wollten mich dazu überreden, für einige Wochen aus New York zu verschwinden. Und der Aufforderung haben sie Nachdruck verliehen.“
„Das verstehe ich schon“, meinte Steve. „Ich bin mit den beiden bereits einmal zusammengestoßen. Es sind zwei primitive Schläger. Ich werde sie wiederfinden und aus dem Verkehr ziehen. Hat man Ihnen gedroht?“
Der Anwalt tupfte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht, doch die Blutung hatte bereits aufgehört.
„Sie haben gesagt, dass sie morgen wiederkommen wollen, um festzustellen, ob ich noch da bin. In diesem Zusammenhang haben sie finstere Drohungen ausgestoßen.“
„Die waren auch ernstgemeint“, erläuterte Steve. „Der Auftraggeber der beiden muss sehr daran interessiert sein, Sie aus dem Verkehr zu ziehen.“
„Aber warum?“, fragte Highwood.
„Das ist doch nicht so schwer zu begreifen“, meinte Steve. „Es hängt alles mit dem Fall MacLaren zusammen. Ihre Theorie ist richtig. Hier versucht irgendein unangenehmer Zeitgenosse, unseren Freund zu belasten und aus dem Weg zu räumen. Auf sehr elegante Art und Weise. Da aber bei der Polizei noch gewisse Zweifel bestehen, versucht der Unbekannte, MacLarens Verbündete auszuschalten. Denn ohne Unterstützung von außen ist der Politiker natürlich hilflos.“
Highwood nickte. „Das scheint mir eine plausible Theorie zu sein. Das heißt mit anderen Worten, der Unbekannte wird nervös. Sein raffinierter Plan ist durchkreuzt worden. Er wird Fehler machen.“
„Ja. Und er ist nicht allein. Da sind diese beiden kleinen Ganoven. Außerdem mischt noch ein Dritter mit, mit dem ich einmal aneinandergeraten bin. Er ist gefährlich, wahrscheinlich ein Berufskiller. Aber eine dieser Spuren wird uns zu dem Unbekannten führen. Was wir brauchen, ist Zeit.“
„Die kann ich Ihnen verschaffen“, sagte der Anwalt. „Ich kenne eine Menge Tricks, um die Anklageerhebung hinauszuzögern. In diesem Fall, in dem die Gegenseite nur über Indizien verfügt, ist das keine große Schwierigkeit.“
„Gut!“ Steve nickte. „Ich glaube, unsere Marschrichtung ist jetzt klar. Ich kümmere mich um unsere Gegner, und Sie sorgen dafür, dass ich nicht gegen die Zeit kämpfen muss. Ich muss mich auch noch mit MacLarens Frau und seinen Bekannten und Freunden unterhalten. Irgendwo werde ich Hinweise finden. Hinter allem steckt jemand, der MacLaren genau kennt und der vor allem ein gutes Motiv hat.“
Highwood lächelte. „Sie sollten sich intensiver um seine Frau kümmern. Ich bin sicher, dass sie mehr weiß, als sie Ihnen bisher gesagt hat. Sie spielt ihr eigenes Spiel.“
Steve sah den Anwalt nachdenklich an. „Sie verschweigen mir doch nichts, oder etwa doch?“
Highwood schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe nur einen gewissen Verdacht. Aber Sie müssen selbst dahinter kommen. Das ist mir lieber.“
„Das werde ich. Ich halte Sie auf dem Laufenden. Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendetwas erfahren. Und lassen Sie niemanden in die Wohnung, den Sie nicht kennen.“
„Wird schon gutgehen. Viel Erfolg.“
Sie schüttelten sich die Hände.
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19.
Rico Manzini starrte auf den Zettel und runzelte die Stirn. Er stand vor einem gepflegten Brownstone-Haus in der 63th Street East. Ein Baldachin war über den Bürgersteig gespannt, und zu beiden Seiten des Eingangs standen hohe Blumenkübel.
Rico marschierte auf den Eingang zu und studierte die Namensschilder an der Seite. John Carruthers wohnte tatsächlich hier. Vorsichtig warf er einen Blick in das Foyer des Hauses. Hinter einem kleinen Tresen saß ein Pförtner und blätterte in einer Zeitschrift.
„Wissen Sie zufällig, ob Mister Carruthers im Haus ist?“
Der Portier ließ die Zeitschrift sinken und starrte ihn an. „Was wollen Sie denn von ihm?“
Rico lächelte böse. „Das geht wohl nur ihn und mich etwas an.“
„Wir dürfen niemanden hereinlassen, den wir nicht kennen oder der nicht angemeldet ist. Wenn Sie einen Termin hätten, würden Sie auf meiner Liste stehen. Wenn nicht ...“ Der Portier machte eine unbestimmte Handbewegung.
Manzini wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Schließlich hatte seine Auftraggeberin verlangt, dass er sich unauffällig verhalten sollte. Also dreht er sich um und marschierte wieder aus der Tür.
Der Portier sah ihm kurz nach und griff zum Telefon.
Manzini stieg in seinen Wagen, der er schräg gegenüber geparkt hatte. Zu dieser späten Stunde gab es immerhin einige freie Plätze. Er schwang sich hinter das Steuer und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Vielleicht hatte der Mann, den er beobachten sollte, noch eine Verabredung zum Essen. Ein mögliches Treffen in einer Bar wäre ihm allerdings lieber gewesen, denn er verspürte das Verlangen nach einem ordentlichen Drink.
Die leichte Bewegung hinter dem Vorhang an einem der Fenster des zweiten Stockwerks bemerkte er nicht.
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20.
Sabato, der Killer, dessen richtigen Namen niemand kannte, lag lang ausgestreckt auf seinem Bett in dem kleinen schmutzigen Hotel in der Nähe des Grand Central Terminal. Er hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und dachte nach.
Es gab einige Dinge, die ihn irritierten. Dinge, die sich anders entwickelten, als es vorgesehen war.
Und das liebte er nicht. Seine Spezialität waren Jobs, bei denen es keine Spuren gab und keine Mitwisser außer dem Auftraggeber. Doch diesmal war alles anders. Es gab eine ganze Menge Leute, die mit dieser Sache zu tun hatten. Jeder einzelne von ihnen erhöhte das Sicherheitsrisiko.
Sabato machte sich keine Illusionen. Sein Beruf war gefährlich. Eines Tages machte er vielleicht einen Fehler. Aber dieser Tag sollte so weit wie möglich in der Zukunft liegen.
Das Schrillen des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Er zögerte einen Moment, ehe er den Hörer abnahm und sich mit einem halblauten „Hallo“ meldete.
„Sind Sie das, Sabato?“, fragte eine Stimme am anderen Ende, die er genau kannte.
„Ja. Wer sonst?“, knurrte er unwillig. „Sie wissen genau, dass Sie mich unter dieser Nummer nur in Notfällen anrufen dürfen.“
„Der Notfall ist eingetreten“, sagte die Stimme am anderen Ende hastig. „Ich werde seit kurzer Zeit beobachtet. Ich weiß nicht, wie lange das schon geht, aber heute habe ich es bemerkt. Ein einzelner Mann. Südländischer Typ.“
„Was hat er getan?“, fragte Sabato.
„Er hat in meinem Haus nach mir gefragt, und jetzt sitzt er in einem Auto auf der anderen Straßenseite.“
„Ist er wirklich allein?“
„Ja. Ganz bestimmt. Ich hätte es gemerkt, wenn noch ein anderer in der Gegend herumschleichen würde.“
„Beschreiben Sie ihn näher“, sagte Sabato.
Die Stimme am anderen Ende zögerte. „Na, ja. Das ist immer ein bisschen schwierig. Ich sagte schon, dass er ein südländischer Typ ist. Schlank, dunkle Gesichtsfarbe, schwarze Haare. Auffällig ist ein grellgelbes Halstuch. Er ist mittelgroß und sonst nicht sehr auffällig.“
„Was für einen Wagen hat er?“