Erreichbare wäre, wenn das Mental selbst die geheime Gottheit wäre, wenn es nichts Höheres gäbe, keine ausgedehnteren, wundervolleren Bereiche, dann müsste es dem Menschen gestattet sein, sein Mental und sich selbst zu vollenden. Jenseits von ihm gäbe es dann nichts oder bräuchte es nichts zu geben, was das Bewusstsein zu seinen eigenen Gipfeln trägt, was ihm seine grenzenlosen Weiten erschließt, was mit ihm in unergründliche Tiefen taucht. Er würde die Natur dadurch zu ihrer Erfüllung führen, dass er sich selbst vollendet. Die Evolution würde mit einem Menschen-Gott als der Krone der irdischen Zyklen enden.
Aber das Mental ist nicht alles. Jenseits des Mentals gibt es ein größeres Bewusstsein, ein Supramental und einen Geist. So wie die Natur im Tier, dem vitalen Wesen, darum bemüht war, aus ihm heraus den Menschen zu manifestieren, den Manu, den Denker, so müht sie sich hart im Menschen, dem mentalen Wesen, um aus ihm heraus eine spirituelle und supramentale Gottheit zu manifestieren, den wahrheitsbewussten Seher, den durch Wesenseinheit Erkennenden, das verkörperte Transzendente und Universale in der individuellen Natur.
Von der Scholle und dem Metall zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier, vom Tier zum Menschen – soweit hat ihre Reise die Natur bisher geführt. Ein gewaltiger Abschnitt oder ein riesiger Sprung steht ihr noch bevor. Wie einst von der Materie zum Leben und vom Leben zum Mental, muss sie nun vom Mental zum Supramental übergehen, vom Menschen zum Übermenschen. Dies ist der Abgrund, den sie zu überbrücken, das äußerste Wunder, das sie zu vollbringen hat, ehe sie sich von ihrem Kampf und ihrer Unzufriedenheit erholen und verherrlicht und verwandelt im Glanze jenes höchsten Bewusstseins stehen kann, zufrieden mit ihrer Arbeit.
Das Untermenschliche war einst ihr Höchstes. Das Menschliche löste es ab und schreitet nun der Zeit voraus. Aber noch immer wartet vor ihr als das Ziel und die Hoffnung der Zukunft das Supramental, der Übermensch, eine noch nicht geborene, noch nicht erlangte Herrlichkeit.
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Worte Sri Aurobindos
Bewusstsein ist etwas Grundlegendes, die grundlegende Tatsache im Dasein, und die Energie, das Fließen, die Bewegung des Bewusstseins erschaffen das Universum und alles, was es enthält. Sowohl der Makrokosmos als auch der Mikrokosmos sind nichts als Bewusstsein, das sich selber ordnet. Wenn zum Beispiel Bewusstsein in seiner Bewegung oder vielmehr in einer gewissen Richtung seiner Bewegung sich in seinem Wirken verliert, wird es eine scheinbar „unbewusste“ Energie. Wenn es sich in der Form verliert, wird es zum Elektron, dem Atom, dem stofflichen Objekt. In Wirklichkeit aber ist es immer noch Bewusstsein, das in der Energie wirkt und sowohl die Form als auch die Evolution der Form bestimmt. Sobald es sich langsam, evolutionär aus der Materie befreien will, doch immer noch in der Form eingeschlossen, taucht es als Leben, als Tier, als Mensch empor und kann sich aus seiner Involution noch weiter entfalten und mehr werden als nur Mensch. Wenn du dies verstehst, sollte es nicht schwer sein, weiterhin zu erkennen, dass es sich subjektiv als ein körperliches, ein vitales, ein mentales und als ein seelisches Bewusstsein ausdrücken kann. All diese sind im Menschen gegenwärtig, doch da sie im äußeren Bewusstsein vermischt sind und ihren wahren Grund dahinter im inneren Wesen haben, vermag man sie allein dann voll wahrzunehmen, wenn man den zutiefst begrenzenden Stress des Bewusstseins, der uns in unserem äußeren Wesen leben lässt, auflöst und erwacht und sich im inneren Wesen sammelt. Das Bewusstsein in uns muss durch seine nach außen gerichtete Konzentration, seinen nach außen gerichteten Stress all diese Dinge hinter eine Wand oder einen Schleier schieben. Daher muss es diese Wand oder diesen Schleier niederreißen, damit es wiederum in sein Ausgerichtetsein auf die inneren Teile des Wesens zurückfinden kann – das ist es, was wir „innerlich leben” nennen. Dann erscheint uns unser äußeres Wesen als etwas Kleines, Oberflächliches, und wir sind oder werden uns des weiten, reichen und unerschöpflichen Königreiches in uns bewusst. Auf gleiche Weise trennt das Bewusstsein in uns mit Hilfe eines Lids oder einer Hülle oder wie immer man es nennen will die niederen Ebenen von Mental, Leben und Körper, die von der Seele gestützt werden, von den höheren Ebenen, welche die spirituellen Königreiche bergen, in denen das Selbst immer frei und unbegrenzt ist. Es vermag jedoch das Lid oder die Hülle aufzureißen und nach dort aufzusteigen, das Selbst zu werden, frei und weit und leuchtend, oder aber von dort den Einfluss, den Widerschein und schließlich sogar die Gegenwart und Macht des höheren Bewusstseins in die niedere Natur herabzubringen.
Nun also, das ist Bewusstsein. Es ist nicht aus Teilen zusammengesetzt, es ist grundlegend für das Wesen und drückt selbst alle Teile, die es manifestieren will, aus. Es entwickelt sie durch ein fortschreitendes Herabkommen von oben nach unten, von spirituellen Ebenen bis hin zur Involution in der Materie, oder es drückt sie in einem aufwärtsgerichteten, sichtbaren Wirken aus durch das, was wir Evolution nennen. Will es in dir durch den Ego-Sinn wirken, glaubst du, es ist das klar umrissene individuelle „Ich“, das alles tut. Wenn es sich aber von diesem begrenzten Wirken zu befreien beginnt, wirst du dein „Ich“-Gefühl ausdehnen, bis es in der Unendlichkeit zerbirst und aufhört zu bestehen, oder aber du streifst es ab und entfaltest dich in spiritueller Weite.
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Kapitel 4
Die wissenschaftliche Auffassung von Bewusstsein
Worte Sri Aurobindos
Die gewöhnliche Auffassung von Bewusstsein basiert auf normaler oberflächlicher Erfahrung plus Wissenschaft. Für die Naturwissenschaft ist das Bewusstsein ein temporäres Phänomen in einer unbewussten Welt, etwas, das sich entfaltete in einer belebten Organisation, die sich irgendwie in einer ursprünglich unbelebten und unbewussten Materie herausgebildet hat. Es ist dem Leben nicht innewohnend, denn die Pflanze besitzt es nicht. Es ist vielmehr ein wachsendes Aufflackern, das – sobald es einmal etabliert ist – zeitweise im Schlaf und beim Aufwachen andauert, während des Lebens fortbesteht und mit der Auflösung des Lebens verschwindet. Der gewöhnliche Verstand identifiziert das Bewusstsein mit dem menschlichen Wachbewusstsein, das möglicherweise auch vom Tier benutzt wird – obwohl das nicht sicher ist, denn viele gestehen dem Tier kein Bewusstsein zu. Ein Mensch ist bewusst, während er lebt. Wenn er tot ist, verschwindet das Bewusstsein. Wenn er schläft, betäubt, narkotisiert, anästhesiert oder in Trance ist, wird seine Bewusstheit unterbrochen; er ist vorübergehend bewusstlos. Inwieweit ist diese wissenschaftlich-oberflächliche Ansicht korrekt oder haltbar? Denn sie wirft zwei grundlegende Fragen auf – ist das Oberflächenbewusstsein die einzige mögliche Form des Bewusstseins, und ist das Bewusstsein gleichbedeutend mit dem Verstand, ist alles Bewusstsein also mental, oder sind andere Formen davon, supramental oder submental, möglich?
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Kapitel 5
Bewusstsein und Phänomen
Worte Sri Aurobindos
Meiner Erfahrung nach ist Bewusstsein kein Phänomen, das von den Reaktionen der Person auf die Kräfte der Natur abhängt und das auf nichts anderes als ein Erkennen oder Deuten dieser Reaktionen hinausläuft. Wäre dies so, gäbe es kein Bewusstsein, wenn die Person still und reglos wird und keine Reaktionen mehr zeigt, es keine erkennende oder auswertende Tätigkeit gibt. Dies jedoch widerspricht einigen grundlegenden Erfahrungen des Yoga, zum Beispiel einem schweigenden, reglosen Bewusstsein, unendlich ausgebreitet, auf die Person nicht angewiesen, stattdessen unpersönlich und universal, Kontakte weder erkennend noch interpretierend, jedoch reglos sich selbst gewahrend, von Reaktionen nicht abhängig, sondern in sich verharrend, auch wenn keine Reaktionen stattfinden. Die subjektive Person als solche ist lediglich eine Gestaltung des Bewusstseins, das eine Macht ist, die dem Wesen, dem Selbst oder Purusha innewohnt und nicht der Tätigkeit der vorübergehend manifestierten Persönlichkeit.
Bewusstsein ist eine dem Dasein innewohnende Realität. Es ist vorhanden, auch wenn es nicht an der Oberfläche tätig, sondern still und reglos ist. Es ist sogar vorhanden, wenn es an der Oberfläche unsichtbar ist und nicht auf äußere Dinge reagiert, es sie nicht wahrnimmt, sondern zurückgezogen und innerlich tätig oder untätig ist. Es ist selbst dann vorhanden, wenn es uns gänzlich abwesend zu sein scheint und das Wesen unserem Auge unbewusst und unbelebt vorkommt.
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