Im düsteren Zwielicht schien es fast, als streiche ein flüchtiges Lächeln über seine Lippen.
»Verschwinde«, grollte er mit seinem harten Akzent an Verno gewandt. »Oder ich schlage dir den Schädel ein.«
»Das käme deinem Herrn teuer zu stehen.« Er verzog den Mund zu einem abfälligen Grinsen. »Sei vorsichtig, Wilder. Auch Helden können sterben. Manche haben das Glück, vor den Augen des Publikums zu fallen. Andere ... krepieren hier unten, einfach so, ohne dass es jemand mitbekommt.«
»Willst du mir drohen?«
»Drohen?« Verno stieß ein meckerndes Lachen aus. »Manche Dinge geschehen hier unten einfach. Da schaut jemand einmal nicht hin und schon ...« Vernos Fuß schnellte vor und stieß den Krug um, der neben der Pritsche auf dem Boden stand. Mit einem dumpfen Geräusch kippte er zur Seite, sodass sich das Wasser mit einem Schwall in das Stroh ergoss.
»Du elendes Stück Ogerscheiße!« Ceibhin sprang auf, aber Verno war bereits wieder an der Tür, ehe der Nordländer ihn zu fassen bekam.
»Pass auf, was du tust, Wilder«, höhnte der Gehilfe. »Du hast dir hier unten eine Menge Feinde gemacht. Und du kannst nicht immer bei deinem Mädchen sein. Ich hörte kürzlich, wie die Florios-Gladiatoren darüber sprachen, was sie mit ihr machen wollen, wenn sie an der Reihe sind.« Er bleckte die Zähne in einem boshaften Grinsen. »Das willst du vermutlich gar nicht wissen, aber die Letzte, bei der sie das gemacht haben, ist dabei verendet.«
Ceibhin warf sich in seine Ketten, die bedenklich knirschten. »Du elende Kreatur, wage es nicht, sie anzufassen! Verno lachte nur und zog die Gittertür hinter sich zu. Der Schlüssel quietschte im Schloss, dann humpelte er ohne Eile davon. Inion hörte ihn noch, wie er mit einem der herbeieilenden Gardisten sprach, ehe sich seine Schritte in den Gängen langsam verloren.
»Diese Sumpfranze!« Ceibhin riss noch einmal an den Ketten. »Wenn ich hier rauskomme, werde ich ihm das Genick brechen!«
»Sie werden mir nichts tun.« Inion hob die Hand, zögerte einen Moment, ehe sie sie vorsichtig auf seinen Oberarm legte. Ihr Herz pochte, dass sie meinte, es müsste zerspringen, als Ceibhins Blick sie traf und sie einen Wimpernschlag lang dieses dunkle Lodern darin erkannte, das auch dagewesen war, als er den Schwarzen Schrecken erschlagen hatte. Doch dann senkte er den Kopf, und sie spürte, wie die Anspannung mit einem stummen Seufzer von ihm abfiel.
»Sei dir nicht so sicher«, sagte er, während er sich abwandte und auf die Pritsche fallen ließ. »In ihren Augen bist du eine Sklavin, eine Hure. Wenn sie dich auf diese Weise umbringen wollen, werden sie es tun. Und solange ich hier festgekettet bin, kann ich nichts dagegen ausrichten.«
»Sie werden mich nicht umbringen.« Inion ließ sich an den Gitterstäben nieder und schlug die Arme um die angewinkelten Beine. »Das wissen sie.«
»Tatsächlich?« Er stieß einen trockenen Laut aus, der entfernt an ein Lachen erinnerte. »Hier wird so viel gestorben. Warum sollten sie ausgerechnet vor dir Halt machen?«
»Weil ... meine Herrin mich braucht.« Inion biss sich auf die Lippen, zögerte kurz, ehe sie leise weitersprach. »Sie braucht mich als Köder, um meinen Bruder zu fangen.«
»Du hast einen Bruder?« Der Nordländer drehte überrascht den Kopf, sodass er sie ansehen konnte. »Du hast noch nie etwas von ihm erzählt.«
»Du hast mich nicht gefragt.«
Ceibhin runzelte die Stirn. »Was will deine Herrin von ihm?«
»Ich habe meinen Bruder seit Jahren nicht mehr gesehen. Aber sie hoffen wohl, ihn herlocken zu können. Wahrscheinlich wird sie ihn umbringen, wenn sie ihn in die Finger bekommt. Und mich dann auch.« Inion starrte vor sich auf das schmutzige Stroh, das in der Wasserlache schwamm. Die Gewissheit war unumstößlich, sodass sie aufgehört hatte, deswegen zu verzweifeln. Wenn kein Wunder geschah, würde Emilia Bonareth sie früher oder später ohnehin töten lassen. Ihren Glauben an Wunder hatte sie spätestens in dem Moment aufgegeben, als die Gladiatoren das erste Mal über sie hergefallen waren. »Es ist gleichgültig, was mit mir geschieht«, sagte sie leise und zog die Arme enger um die Knie.
»Ich kann nur beten, dass sie ihn nicht erwischen.«
»Es ist nicht gleichgültig.« Ceibhin schüttelte aufgebracht den Kopf. »Du gehörst hier nicht her, kleine Elfe, und ich werde alles daransetzen, dich vor diesen Aasgeiern zu beschützen.«
»Nein! Du musst aufhören, sie zu reizen. Sie werden dich töten! Verno ... sie hassen dich, weil sie Angst haben.«
»Das sollen sie erst einmal versuchen.« Ceibhin schnaubte abfällig. »Ich kenne solche Ratten wie diesen Krüppel. Sie wagen sich nicht aus der Deckung, solange man wachsam ist. Ich werde ihm sicher keine Gelegenheit geben, mich zu überraschen.«
»Du bist nicht in deiner Heimat. Er wird dir nicht offen entgegentreten, sondern ...« Inion verstummte, als sich Ceibhins Kiefer plötzlich spannten und er sich aufrichtete. Hastig sah sie sich um und entdeckte nun auch die Gestalten, die sich dem Pferch näherten. Ihr Herz tat einen erschrockenen Sprung, als sie den blassen Granden erkannte, dem sie sich in den Weg gestellt hatte. Er wurde von zwei Gardisten begleitet und einer breitschultrigen Frau, die sich mit undurchsichtiger Miene hinter ihm aufbaute, als er an das Gitter herantrat. Wachsam hielt sie Ceibhin im Blick, eine gedungene Beschützerin wahrscheinlich.
Die Miene des Nordländers hatte sich verdüstert, als er sich langsam erhob. Die Ketten, die ihn von der Tür fernhielten, rasselten leise, aber der Grande machte keine Anstalten, den Pferch zu betreten. Stattdessen musterte er den Gladiator durch die Gitterstäbe hindurch. Auf einen Wink hin trat einer der Gardisten heran und reichte ihm einen Schlüssel.
»Was wollt Ihr?« Ceibhins Stimme klang misstrauisch, wie das unterschwellige Knurren eines wilden Tiers. Seine Augen taxierten den Granden. »Heute ist kein Kampftag.«
»Ich weiß.« Der Anflug eines Lächelns strich über die ebenmäßigen Züge des Granden, schwand aber gleich wieder. »Meine Lanista befand, dass es Zeit sei, dich zurück in den Ludus zu holen. Du warst lange genug hier unten, um zu verstehen, dass es leichter ist, sich anzupassen.«
»Ach, tue ich das?« Ceibhin bleckte die Zähne. »Und wenn ich Euch verspreche, dass ich Euch die Kehle zudrücken werde, sobald Ihr auch nur einen Fuß in diese Zelle setzt?«
»Ich könnte es dir nicht verdenken. Es wäre dennoch dumm.« Der Schlüssel kreischte im Schloss. »Wenn es nach mir ginge, würde ich dich an die Krokodilpfähle binden lassen. Aber die Götter sind mit dir, und die Fana lieben dich, sodass es mir nicht zusteht, selbstgefällig über dich zu richten. Ich biete dir die Möglichkeit, frei zu sein, wenn du mir gut dienst. Das Volk will dich sehen, also wirst du ihm geben, wonach es verlangt. Meine Lanista gibt dir den letzten Feinschliff, und dann wirst du noch einmal in der Arena siegen. Sollte dir ein weiterer Sieg gelingen, werde ich dich freilassen, und du kannst gehen, wohin zu willst. Auch in deine Heimat, wenn es dein Wunsch ist.«
»Meine Wünsche gehen Euch nichts an.« Ceibhin verengte die Augen, als die Tür aufschwang. Die Muskeln unter dem groben Hemd spannten sich. »Ihr seid tatsächlich so töricht zu glauben, mich kaufen zu können?«
»Ich will dich nicht kaufen.« Der Grande machte einen Schritt vor, hielt aber inne, als die Beschützerin einen zischenden Laut von sich gab. »Am liebsten wäre ich dich eher heute als morgen los. Doch du weißt vermutlich selbst, dass das nicht möglich ist. Die Fana wollen dich kämpfen sehen. Sie werden meinen Kopf fordern, wenn ich sie um ihr Vergnügen brächte.«
»Vergnügen.« Ceibhin spie aus. »Es ist widerlich, dieses unsinnige Schlachten Vergnügen zu nennen. Aber es passt zu Euch und dieser verdorbenen Stadt. Ihr nehmt Euch, was Ihr wollt, ohne danach zu fragen, welchen Preis es haben mag. Ihr verkauft Menschen wie Vieh, gebraucht sie und werft sie weg, wenn Ihr ihrer überdrüssig seid. Ein Leben ist Euch doch nicht mehr wert als das Seidentuch, das Ihr Euch vors Gesicht drückt, um den Gestank des Elends nicht ertragen zu müssen! Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich in Euren verfluchten Ludus zurückkehre und die Kleine den Ratten hier unten überlasse? Nur, damit Euch die geifernde Masse zujubelt, wenn