bleibt, sind wir bald an Tunis vorbei und kriegen in den nächsten Tagen schon die Balearen zu sehen.“
Dies gab den Männern erneut Auftrieb. Sie dachten daran, was sie seinerzeit auf Mallorca mit Sigrid, der Deutschen, und den anderen Frauen erlebt hatten, die sie in Marokko aus einem Harem befreit hatten. Trotz des Ärgers, den sie damals mit ihren Verfolgern gehabt hatten, war es doch ein höchst amüsantes Abenteuer geworden, als sie erst einmal die Balearen erreicht hatten.
Sam Roskill seufzte, dann grinste er. „Was wohl aus den Ladys geworden ist. Was meinst du, Bob, ob wir sie irgendwo im Mittelmeer wiedertreffen?“
„Das glaube ich kaum“, erwiderte Bob Grey. „Kabil, dem wir in Ägypten begegnet sind, hatte sich in Südfrankreich von ihnen getrennt. Sie werden wohl irgendwo in Europa sein.“
„Genau wußte Kabil das aber auch nicht“, wandte Al Conroy ein.
Sam grinste immer noch. „Eben. Wer weiß, ob uns die lieben Mädchen nicht südlich von Sardinien über den Weg laufen und unseren Kurs kreuzen! Das wäre ein Fest, was Al?“
„Na klar. Wann haben wir eigentlich zuletzt einen europäischen Frauenrock gesehen?“ fragte Al.
„Das mag ich gar nicht nachrechnen“, brummte Bob. „Jedenfalls ist es eine halbe Ewigkeit her.“
„Ihr Stinte“, sagte Old O’Flynn. „Könnt ihr über nichts anderes als über Weiber reden?“
„Im Moment nicht“, antwortete Sam. „Das ist bei uns nun mal das besondere Thema, Donegal. Bei dir nicht, das können wir durchaus verstehen, aber ...“
„Bei mir nicht?“ fiel der Alte ihm ins Wort. Plötzlich fühlte er sich in seiner Ehre als Mann berührt. „Wie soll ich das auffassen? Hör mal, Mister Roskill, ich mag zwar ein Holzbein und auch schon ein paar Jährchen mehr als ihr auf dem Buckel haben, aber deswegen bin ich noch lange kein Methusalem, oder wie der Kerl heißt. Bei mir ist noch alles in Ordnung, kapiert?“
Jetzt wurde Sam doch endlich ernst. „Natürlich, Donegal. Ich wollte dich auch nicht beleidigen.“
„Dann ist ja alles in Ordnung“, knurrte der Alte. „He, ist noch was von dem gebratenen Fisch da?“
Bob Grey nickte und reichte ihm eine Portion von dem, was sie in der Nacht zubereitet hatten. Fisch zum Mittagessen, zum Abendbrot und auch zum Frühstück – eigentlich waren sie dieser Art der Verpflegung allmählich überdrüssig und fragten sich, ob sie in der Bucht von Kanais nicht doch etwas zu eifrig geangelt hatten. Doch andererseits hielten sie sich auch immer wieder vor Augen, daß sie froh sein mußten, überhaupt genug Proviant an Bord zu haben.
Old O’Flynn schob sich seine Ration also unverdrossen zwischen die Zähne und fragte zwischen zwei Bissen: „Ist das nun Zahnfisch oder Mittelmeerbarsch?“
„Es ist Umber, glaube ich“, entgegnete Al Conroy.
„Ist ja auch egal“, brummte der Alte. „Schmeckt nicht schlecht. Wer gibt mir eine Muck Wasser?“
„Ich“, sagte Bob Grey. „Mit einem Schuß Rum darin?“
„Nein, ohne“, erwiderte Old O’Flynn. „Wenn nachher wieder die Sonne auf die See runterbrennt, will ich einen klaren Kopf haben. Bei Tag schadet einem der Rum nur.“ Ziemlich angriffslustig sah er plötzlich Sam Roskill an. „Stimmt’s, oder ist das auch eine Alterserscheinung von mir?“
„Nein, Sir“, sagte Sam grinsend. „Mir geht es da genauso wie dir.“
„Na fein. Dann verstehen wir uns ja mal wieder“, sagte der Alte trokken. Mittags passierten sie nach einer Fahrt von gut hundertsechzig Meilen in vierundzwanzig Stunden die Bucht von Sollum und Ras el Milh, wie Ben anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Karten feststellte.
In einem winzigen Küstenort bei Ras el Milh waren unterdessen auch die unbekannten und unsichtbaren Verfolger der Seewölfe eingetroffen. Sie legten eine kurze Zwangspause ein, weil sie unbedingt ihre Kamele wechseln mußten – doch davon ahnten Ben und seine sieben Kameraden nach wie vor nichts.
Ben richtete nur seinen Blick nach Nordosten, hob leicht den Kopf an und sagte: „Ich fürchte, der Wind läßt bald nach. Richten wir uns darauf ein, daß der nächste Törn nicht ganz so schnell verläuft.“
Seine Voraussage sollte sich wenig später bestätigen.
Muley Salah und seine sechs Begleiter hatten ein recht günstiges Tauschgeschäft abgeschlossen und sieben relativ junge, kräftige Dromedare erstanden, von denen allein fünf ausgesprochen widerstandsfähige Meharis waren. Natürlich hatte sich der Händler, dem sie ihre erschöpften Tiere überlassen hatten, mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, diesen Wechsel ohne entsprechenden Aufpreis zu akzeptieren, doch Muley hatte ihm ein wenig gedroht, und somit hatte sich die Sache wie von selbst erledigt.
Jetzt standen die Kerle in dem kleinen Hafen des Nestes und blickten unter vorgehaltenen Händen zu der Sambuke, die gerade vorbeisegelte.
„Sie behält ihren Kurs bei“, sagte der dicke Jussuf. „Wir wissen also, wo wir sie zu suchen haben. Jetzt, mit den frischen Kamelen, dürfte es uns nicht schwerfallen, sie rasch wieder einzuholen.“
„Warum sollen wir sie einholen?“ fragte Muley Salah, „wir sitzen ihnen doch an den Hacken und brauchen nur Schritt mit ihnen zu halten.“
„Dort drüben ist eine Kaschemme“, erklärte der Dicke mit einem fast wehmütigen Blick zu den weißen, schachtelförmigen Häusern. „Dort könnten wir uns kühlen Tamarindensaft ausschenken lassen. Den hätten wir uns redlich verdient, findest du nicht auch?“
„Nein“, erwiderte Muley hart. „Wir dürfen uns keinen Aufenthalt erlauben und bleiben dran. Wir haben hier schon genug Zeit verloren. Los jetzt, aufsitzen.“
Die Männer murrten. Da trat Muley mitten zwischen sie und hob drohend die eine Faust.
„Wem das nicht paßt, der soll es offen sagen“, zischte er. „Na los, Jussuf, komm her.“
Der Dicke schnitt eine Grimasse, dann entschied er sich dafür, vernünftig zu sein.
„Ich sehe es schon ein“, sagte er. „Wir müssen zäh sein und dürfen nicht nachgeben. Vielleicht können wir die Giaurs schon in der nächsten Nacht überwältigen.“
„Das hört sich schon besser an, Jussuf.“ Muley Salah wandte sich zu den fünf anderen Kerlen um. „Und ihr? Hamed, hast du auch was zu stänkern?“
„Ich? Nein, ich nicht.“ Hamed wollte um keinen Preis von Muley was auf die Nase kriegen. Er wußte gut genug, wie stark und gefährlich der Mann war.
Das überlegten sich auch Ahmed, Fausi, Amra und Saied noch einmal, und so zogen auch sie es vor, mit dem Murren aufzuhören und in die Sättel ihrer Dromedare zu klettern. Muley saß ebenfalls auf, setzte sich an die Spitze seines Trupps und führte ihn aus dem Ort. Hinter den Fenstern und Türen der Häuser atmeten die Bewohner auf. Sie hatten die Drohung deutlich gespürt, die von dieser Bande ausging, und so waren sie jetzt heilfroh, daß Allah sie schnell wieder von ihrer Anwesenheit befreite.
In zügigem Tempo folgte die Meute der Sambuke, aber schon bald ließ der Wind nach, und da wurde auch der Ritt ein wenig gemütlicher. Muley Salah gestattete nun sogar, daß der eine oder andere Mann im Sattel ein Nickerchen hielt. Er selbst gönnte sich aber keinen Schlaf, ständig war er darauf bedacht, den Zweimaster ja nicht aus den Augen zu verlieren.
Bald naht die Stunde der Abrechnung, ihr elenden Hunde, dachte er.
3.
Old O’Flynn kratzte sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand am Hinterkopf.
„Nun ja, Ben“, sagte er. „Wir waren doch wohl ein bißchen zu optimistisch, was? Das hat man davon.“ Er sah zu den anderen, die an der Reling der Backbordseite standen und darüber nachgrübelten, ob der Wind wohl ganz einschlafen oder bald wieder auffrischen