habe nicht versucht, eine Messmethode zu entwerfen …, sondern nur eine Methode zur Klassifizierung von Individuen.«
Alfred Binet
Alfred Binet
Alfred Binet wurde in Nizza geboren, zog nach der Trennung seiner Eltern aber mit seiner Mutter nach Paris. 1878 machte er seinen Abschluss in Jura und studierte dann Medizin. Bald wandte er sich aber der Psychologie zu. Obwohl er mehr oder weniger Autodidakt war, bot ihm Jean-Martin Charcot im Jahr 1883 eine Stelle am Pariser Hôpital de la Salpêtrière an. Nach der Geburt seiner zwei Töchter begann Binet sich für Fragen der Intelligenz und das Thema Lernen zu interessieren. 1891 wurde er zum stellvertretenden Leiter des Laboratoriums für experimentelle Psychologie an der Sorbonne ernannt, 1894 wurde er Direktor.
Binet starb 1911, Anerkennung für seine Verdienste erhielt er auch danach noch. 1917 wurde die Société libre pour l’étude psychologique de l’enfant in Société Alfred Binet umbenannt.
Hauptwerke
1903 L’étude expérimentale de l’intelligence
1905 L’âme et le corps
1911 La mesure du développement de l’intelligence chez les jeunes enfants
DAS UNBEWUSSTE SIEHT DEN MANN HINTER DEM VORHANG
PIERRE JANET (1859–1947)
IM KONTEXT
ANSATZ
Neurowissenschaften
FRÜHER
1878 Jean-Martin Charcot beschreibt in Klinische Vorträge über Krankheiten des Nervensystems die Symptome der Hysterie, die damals als körperliche Erkrankung galt.
SPÄTER
1895 Sigmund Freud behauptet, die Spaltung sei ein Abwehrmechanismus der Psyche.
Um 1900 Der amerikanische Neurologe Morton Prince sagt, dass es viele unterschiedliche dissoziative Störungen gibt.
1913 Der französische Naturforscher Joseph P. F. Deleuze beschreibt die Spaltung als Entstehung zweier Personen: Die eine sei hellwach, die andere in einer Art Trance.
1977 Ernest R. Hilgard erörtert in Divided Consciousness die Spaltung des Bewusstseins durch Hypnose.
Etwa zwischen 1880 und 1910 beschäftigte sich die Wissenschaft ausgiebig mit dem Thema Dissoziation – der Abspaltung bestimmter psychischer Prozesse vom Bewusstsein. Leichte dissoziative Phänomene, bei denen die Welt wie ein Traumgebilde erscheint, sind weit verbreitet und können durch Erkrankungen (z. B. Grippe) oder Drogen (z. B. Alkohol) ausgelöst werden. Oft geht das Erinnerungsvermögen während oder nach der Dissoziation teilweise oder vollständig verloren. Nur selten scheint ein Individuum sich in zwei oder mehr Persönlichkeiten aufzuspalten. Solche extremen Verläufe werden heute als »dissoziative Störungen« bezeichnet.
Als Erster hat der französische Philosoph und Arzt Pierre Janet die Dissoziation als psychische Erkrankung erforscht und beschrieben. Ende der 1880er- und Anfang der 1890er-Jahre behandelte er im Hôpital de la Salpêtrière in Paris hysterische Patientinnen und publizierte Fallstudien über Frauen mit extremen Symptomen – unter anderem über eine Patientin mit dem Decknamen Lucie. Lucie war normalerweise ruhig, geriet aber plötzlich aus unerfindlichen Gründen in Aufruhr, begann zu weinen und wirkte verstört. Sie schien drei unterschiedliche Persönlichkeiten zu haben, die Janet »Lucie 1«, »Lucie 2« und »Lucie 3« nannte. Lucie wechselte unvermittelt zwischen diesen dreien hin und her, vor allem unter Hypnose. Lucie 1 und Lucie 2 hatten jeweils eigene Erinnerungen, während sich Lucie 3 an Dinge erinnern konnte, die alle drei Persönlichkeiten betrafen – z. B. an ein traumatisches Kindheitserlebnis: In den Ferien war sie von zwei Männern erschreckt worden, die sich hinter einem Vorhang versteckt hatten.
»Diese Menschen werden von etwas verfolgt, und man muss sorgfältig nachforschen, um bis zur Wurzel zu gelangen.«
Pierre Janet
Unbewusstes Trauma
Janet kam zu dem Schluss, dass dieses Kindheitstrauma die Spaltung ausgelöst hatte. In L’automatisme psychologique schrieb er: »Drückt die Körperhaltung Schrecken aus, fühlt der Patient den Schrecken, und wenn diese Körperhaltung aus einer unbewussten Vorstellung rührt, wird ihm nur die Empfindung bewusst sein, aber er weiß nicht, warum er so aufgewühlt ist.« Wenn das Entsetzen über sie kam, sagte Lucie meist: »Ich habe Angst, und ich weiß nicht, warum.« Janet interpretierte dies als unbewusste Fantasie. Seiner Ansicht nach konnten traumatische Ereignisse und Stress bei entsprechender Prädisposition bei jedem Menschen zu Spaltungsprozessen führen.
Janet bezeichnete den Anteil der Psyche, in dem seiner Ansicht nach der Ursprung dissoziativer Störungen lag, als »Unterbewusstsein«. Sigmund Freud ersetzte diesen in seinen Augen zu vagen Begriff durch das präzisere »Unbewusste« und gelangte zu der Auffassung, dass Spaltung ein universaler »Abwehrmechanismus« sei.
Nachdem die Hypnose als Methode zur Untersuchung und Behandlung psychischer Krankheiten in Verruf geraten war, trat Janets Werk in den Hintergrund. Doch seit Ende des 20. Jahrhunderts ist es wieder in den Fokus von Psychologen gerückt, die sich mit dissoziativen Störungen befassen.
Kindheitstraumata werden oft scheinbar vergessen. Sie wirken aber laut Pierre Janet häufig im »Unterbewussten« weiter und verursachen im späteren Leben psychische Probleme.
Pierre Janet
Pierre Janet entstammte einer kultivierten Pariser Mittelschichtsfamilie. Als Kind begeisterte er sich für Naturwissenschaften und sammelte Pflanzen. Sein Onkel Paul Janet war Philosoph und ermutigte ihn, Medizin und Philosophie zu studieren. Janet besuchte die Elitehochschule École normale supérieure, machte seinen Abschluss in Philosophie und wurde mit nur 22 Jahren Philosophielehrer am Lycée in Le Havre. Dort begann er mit seinen Forschungen zur Hypnose. Unter dem Einfluss Jean-Martin Charcots befasste er sich außerdem mit dem Phänomen der Hysterie. 1898 wurde er Leiter von Charcots Forschungslabor für experimentelle Psychologie an der Salpêtrière. Er lehrte an der Sorbonne und wurde 1902 vom Collège de France zum Professor für Psychologie ernannt.
Hauptwerke
1892 Der Geisteszustand der Hysterischen
1898 Neuroses et idées fixes (2 Bde.)
1907 The Major Symptoms of Hysteria
BEHAVIORISMUS
WIE WIR AUF UNSERE UMWELT REAGIEREN