kicherte verhalten. Wenn die Polen so scharf auf die Engländer waren, dann konnte er ihnen diesen Kerl ja regelrecht verkaufen. Er brauchte ihn nur auszuliefern, denn von nun an betrachtete er den englischen Piraten als seinen Gefangenen. Ha, da war ihm endlich mal der große Wurf gelungen. Und wenn sie ihm nicht glaubten, dann würde er einfach behaupten, daß dieser Mann von dem englischen Schiff stamme. Er selbst habe gesehen, daß der Kerl über Bord gefallen und dann an Land geschwommen sei. Jawohl, und das würde er jederzeit auf seinen Eid nehmen. Sollte der Kerl mal was dagegen sagen. Kein Mensch würde ihm glauben.
Zufrieden griff er nach seiner Kruke und gurgelte einen langen Zug hinunter. Seine Augen begannen zu leuchten. Stanislaus malte sich seine Zukunft in schillernden Farben aus, und die verhieß nichts anderes als eine Riesenkruke Rübenschnaps, aus der er bis ans Ende aller Tage saufen konnte.
Einen Vorrat würde er sich anlegen, überlegte er, oder sich selbst einen Apparat bauen, um den Schnaps zu gewinnen. Die Rüben dazu konnte er sich ja nachts bei den Bauern auf den Feldern klauen.
Dieser Tag war so ganz nach seinem Herzen, ein Feiertag war das, ein Glückstag, doppelter Sonntag. Er mußte nur verdammt vorsichtig zu Werke gehen.
Die Spuren mußten verwischt werden, das überlegte er noch, bevor er sich wieder mit der Kruke beschäftigte, deren Inhalt jetzt doch merklich abnahm.
Wieder warf er einen Blick auf seinen Gefangenen. Er konnte ihn über die Putziger Wiek mit dem kleinen Boot hinüber nach Gdingen bringen, wo die polnischen Soldaten waren – seine Landsleute.
Daß sie ihn kaufen würden, stand außer Zweifel. Er mußte jedoch einen guten Preis herausschlagen.
Als er wieder zur Kruke griff, war sein Gehirn schon leicht umnebelt, doch er hatte noch so viel Verstand, daß er die Kruke gleich wieder absetzte.
Die Spuren am Strand durfte er nicht vergessen, denn die waren wichtig. Es war nicht nötig, daß jemand sie entdeckte.
Er torkelte aus seinem dreckigen Erdloch und ging durch die Dünen zum Strand. Dabei blickte er nach Westen und sah wieder die beiden Schiffe, die er längst hinter der Kimm glaubte.
Jetzt lagen sie vor Anker und setzten gerade Boote aus, die bemannt wurden.
Stanislaus murmelte etwas, dann begann er damit, die Fuß- und Schleifspuren am Strand sorgfältig zu verwischen. Auch seine eigenen ließ er nicht aus, damit niemand Rückschlüsse ziehen konnte. Als er damit fertig war, legte er sich zwischen die Dünen in sichere Deckung und beobachtete, was die Kerle mit den Booten taten.
Sein „gefangener Pirat“ war gut versorgt, um den brauchte er sich vorerst nicht zu kümmern.
5.
Die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ lagen um diese Zeit zwischen Rixhöft und Karwen vor Anker.
Hasard hatte die Suche nach Gary Andrews noch lange nicht aufgegeben. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen, daß Gary ertrunken war. Er klammerte sich immer noch an ein kleines Zipfelchen Hoffnung, ihn doch noch zu finden.
Die Stimmung war so gedrückt, daß nur wenig gesprochen wurde. Nur hin und wieder fiel mal ein Wort. Selbst der Profos Edwin Carberry schwieg beharrlich.
Smoky, Matt Davies und Blacky schlichen mit hängenden Ohren an Deck umher und fühlten sich schuldig. Insgeheim hoffte zwar jeder von ihnen auch noch, Gary zu finden, doch es sah nicht mehr danach aus. Viel zuviel Zeit war inzwischen vergangen.
Drei Boote waren jetzt auf dem Wasser, eins von der „Wappen“, die beiden anderen von der „Isabella“.
Hasard hatte gerechnet und gerechnet, Dan und Ben hatten ihn dabei unterstützt. Es mußte hier ganz in der Nähe passiert sein, als Gary über Bord ging. Auch die Abdriften und den Wind hatten sie mit in ihre Rechnung bezogen. Nach menschlichem Ermessen gab es keine andere Stelle.
In der großen Jolle saßen Hasard und Dan O’Flynn neben den anderen schweigenden Seewölfen. Pausenlos suchten ihre Blicke die See und den Strand ab.
„Wir segeln von hier aus in langen Suchstreifen nach Osten“, sagte Hasard. „Wir gehen unter Land, um jede Möglichkeit auszuschöpfen.“
„Hoffentlich ist er irgendwo an Land gegangen und hat es geschafft“, meinte Dan inbrünstig.
Auch die Jolle Arne von Manteuffels setzte jetzt Segel, um den Küstenstreifen ostwärts abzusuchen. Die zweite Jolle bewegte sich unter Ferris Tucker weiter draußen auf See. Es blieb nur so viel Platz zwischen ihnen, daß ihren Augen nichts entging, was eventuell in der See trieb.
Hasard sah das ebenfalls besorgte Gesicht seines Vetters, der persönlich an der Suche teilnahm. Die beiden Männer nickten sich schweigend zu.
Die Jollen segelten los. Unzählige Augenpaare blickten angestrengt über das Wasser. Alle Kieker, die es an Bord gab, waren mitgenommen worden.
„Noch weiter unter Land“, sagte Hasard nach einer Weile. „Dort vorn gehen wir an den Strand. Wenn er es geschafft hat, dann müssen im Sand auch Spuren sein.“
„Wir werden ihn finden“, sagte der Profos zuversichtlich. „Gary ist ein guter Schwimmer, der hat es geschafft.“
Er sagte nicht, wie es ihm gerade auf der Zunge lag: Gary war ein guter Schwimmer, aber man hörte doch heraus, daß der Profos trotz aller Zuversicht selbst kaum noch daran glaubte, daß Gary es geschafft hatte. Insgeheim befürchtete er, daß sie bald seine Leiche auf dem Wasser finden würden – wenn überhaupt.
Die große Jolle lief auf den Strand zu. Hasard und Dan sprangen heraus und wateten durch das flache Wasser dem Strand entgegen.
„Segelt langsam weiter!“ rief er den anderen zu. „Wir steigen später wieder ein, wenn wir den Strand abgesucht haben.“
Dan O’Flynn blickte zuerst zurück nach Westen. Aber da war der Strand glatt und ohne Spuren. Hin und wieder fand sich etwas angeschwemmter Seetang, ein paar Muscheln, halbvertrocknete Quallen und ein paar kleine Krebse. Auch kleinere Holzstücke und Angeschwemmtes fanden sich, Dreck, eine verweste Möwe.
Menschliche Spuren jedoch, wie sie ein aus dem Wasser gestiegener Mann hinterließ, fanden sich nicht. Der Strand war glatt, nur mit ein paar kleinen Steinen besät.
„Ich kann es nicht glauben“, sagte Hasard. „Es erscheint mir einfach unwahrscheinlich, daß Gary ertrunken sein soll.“
„Noch haben wir nicht alles abgesucht, Sir“, sagte Dan voller Zuversicht, doch auch die war gespielt.
„Du glaubst doch auch nicht mehr daran“, sagte Hasard.
Dan O’Flynn gab keine Antwort. Starr blickte er in den Sand. Seinen scharfen Augen entging nichts, selbst wenn sich die Spuren weit voraus befunden hätten.
Niemand ahnte, daß sie gerade jetzt die Stelle passierten, wo Gary Andrews an Land gewatet war. Stanislaus hatte die Spuren so sorgfältig verwischt, daß man nichts mehr sah.
Und er hockte in seinem Versteck zwischen den Dünen in nur ein paar Yards Abstand von ihnen, und auch Gary befand sich in unmittelbarer Nähe.
Der Pole lag im Sand, verborgen zwischen Strandhafer und yardhohem Gras, und belauerte sie. Fasziniert starrte er auf die Boote, die dicht unter der Küste ostwärts segelten, aber noch mehr faszinierten ihn diese beiden Männer.
Da kann ich mich nur beglückwünschen, die Spuren rechtzeitig verwischt zu haben, dachte er, denn sonst hätten sie mein Versteck gefunden und natürlich meinen Gefangenen.
Piraten waren das also, englische Piraten. Er hörte, daß sie miteinander in einer Sprache redeten, von der er noch nie ein einziges Wort gehört hatte.
Er starrte ihnen mit großen Augen nach, als sie weitergingen und immer wieder den Strand absuchten. Dann kicherte er leise vor sich hin, weil sie die kritische Stelle längst überschritten und nichts entdeckt hatten.
Ein paar Augenblicke spielte