der Profos brüllte, und da mitunter auch mal passende Bemerkungen fielen, hielt Carberry das für Verstand.
„Erzähl du das deiner Großmutter, du Knödel-Admiral!“ schrie der Profos. „Dir paßt bloß nicht, daß einer mal bessere Ideen hat als du Klugscheißer.“
Die anderen hörten gespannt und wieder grinsend zu, denn die Wortgefechte zwischen Profos und Kutscher feierten wieder mal Auferstehung.
Jetzt kreischte aber auch der Papagei lauthals mit. Schrie der Profos, dann wetterte er ebenfalls los, als stünde er auf seiner Seite. Auch das hielt Carberry für reingeistigen Verstand.
„Haha, Kutscherlein!“ kreischte Sir John. „Rübenschwein!“
Der Kutscher wurde jetzt auch grantig, denn daß das schillernde Vieh so treffliche Worte wußte, paßte ihm nicht. Prompt begann natürlich auch der Profos verschwörerisch zu grinsen. Er und Sir John waren ein Herz und eine Seele. Dem Papagei gefiel es außerordentlich, wenn sein Herr und Meister in Braß war. Das spornte ihn mächtig an.
„Wenn das kein Beweis für Verstand ist“, sagte Carberry großmäulig, „dann weiß ich nicht mehr weiter. Kutscherlein – Rübenschwein, das reimt sich sogar! Er hätte ja auch einen anderen Namen nennen können, aber er weiß genau, was anliegt.“
Der Kutscher tippte sich mit dem Finger kopfschüttelnd an die Stirn.
„Das beweist nur, daß dein Mangrovenbehälter da oben ebenfalls bald zugewachsen sein wird, sobald die letzte Feuchtigkeit verschwindet. Kutscherlein hat er nur nachgequasselt, und das andere liebliche Wort kennt er seit Jahren und quatscht es bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit. Und nun laß deinen Geier doch mal aufsteigen, damit er den Stern von Bethlehem spielen kann. Dann sehen wir ja, was mit ihm los ist.“
„Was heißt hier Stern von Bethlehem?“ fragte Carberry empört. „Das hat doch damit gar nichts zu tun.“
„Der hat auch gewissen Leutchen den Weg gewiesen, und nachts hat er sogar geleuchtet. Vielleicht kann Sir John ja auch leuchten oder irgendwie Signale geben.“
„Sir John gibt keine Signale, der fliegt einfach los, und wir folgen ihm.“
„Mitten durch die Mangroven? Oder den Dschungel oder barfuß durch die Sümpfe? Laß dich nicht auslachen, Ed, das ist völlig ausgeschlossen und undurchführbar.“
„Ist es nicht!“ brüllte Carberry, dem immer mehr der Kamm schwoll. Bei ihrem Wortgefecht hatten sie gar nicht mitgekriegt, daß die Zwillinge, Martin Correa und Old O’Flynn langsam die Paddel bewegten, denn Sven Nyberg hatte Wasser schimmern sehen, und so nahmen sie Kurs auf eine andere Stelle.
Inzwischen warfen sich Kutscher und Profos lauthals noch ein paar Nettigkeiten an die Köpfe. Der Kutscher lachte und deutete auf Sir John, der nicht aufsteigen wollte oder konnte.
Aber Sir John bezog das abfällige Gelächter wohl auf sich selbst, oder er nahm es sehr ernst. Er sträubte sein Gefieder, hielt den Kopf schief und beäugte den Kutscher.
Dann sagte er deutlich und klar, zur Verblüffung der anderen: „Verlauster Entenarsch!“
Der Profos kriegte sich nicht mehr ein. Er begann laut zu lachen und hieb sich auf die Schenkel, während der Kutscher überrascht und fassungslos den bunten Vogel anstarrte. Der Kreischgeier hatte ihn genau angeblickt, als er das gesagt hatte.
„Wie hat die Krachente mich genannt?“ fragte er verdattert.
„Einen verlausten Entenarsch“, sagte der Profos mit satter Zufriedenheit. „Das war doch wohl deutlich genug zu hören. Und das zeugt nun mal einwandfrei von einer gewissen Intelligenz.“
„Intelligenz!“ ächzte der Kutscher. „Das kann man wohl sagen. Ein sehr intelligenter Vogel ist das.“
„Sag’ ich doch die ganze Zeit. Und er hat keineswegs mich gemeint, Kutscher, sondern einwandfrei dich angeblickt. Aber ich glaube kaum, daß er sich dafür entschuldigen wird. War ja auch nur ’ne ganz normale Feststellung, nicht wahr, Sir Jöhnchen?“
Fehlt nur noch, daß „Sir Jöhnchen“ jetzt den Krummschnabel aufreißt und grinst dachte der Kutscher. Dann wäre er glatt über Bord gefallen.
Der Geier gab ein Kreischen von sich, als würde er sich durch den Profos bestätigt fühlen. Er reckte den Achtersteven zurück, zog das Genick ein und ließ dem Profos was aufs Kreuz fallen.
„So wird man von den Intellektuellen beschissen“, sagte der Kutscher hämisch grinsend.
Damit endete vorerst die geistreiche Unterhaltung, denn als sie sich umsahen, bemerkten sie, daß sie wieder einen Creek erreicht hatten. Das war ihnen während ihres aufschlußreichen Gesprächs ganz entgangen.
Hier erlebten sie allerdings eine totale Überraschung.
„Donnerwetter“, sagte Carberry, „und den haben wir erst jetzt entdeckt. Der ist ja sagenhaft breit. Ich glaube, jetzt haben wir es endlich hinter uns. Das sei getrommelt und gepfiffen.“
Old O’Flynn richtete sich im Kanu auf und peilte scharf nach vorn, weil der Creek eine sanfte Krümmung beschrieb. Vielleicht sah er ja gleich die „Empress“ auf der Sandbank.
„Oh, da sind ja wieder Hütten“, sagte er, „ein Pfahldorf. Richtig malerisch sieht das aus. Und kein Mensch zu sehen. Da können wir Studien treiben, wie ich meine Rutsche bauen soll. Das müssen wir uns unbedingt mal ansehen.“
Während Old O’Flynn noch brabbelte, war den anderen zumute, als hätte man ihnen einen Hammer auf die Schädel gehauen.
Gerade paddelten sie um die Biegung herum – da sahen sie das Pfahldorf im Wasser stehen.
Selbst der Kutscher war so fassungslos, daß er die Maulsperre kriegte und sekundenlang zu keiner Reaktion fähig war.
Carberry kriegte Augen wie Siebzehnpfünder. Die anderen blickten fassungslos auf die Hütten. Die Zwillinge ächzten leise.
Nach der Schrecksekunde fing sich der Kutscher als erster wieder. Nur Old O’Flynn kapierte noch nicht ganz und sah sich die Vorbilder für seine „Rutsche“ an, die er auf Abaco zu bauen gedachte.
„Na, bitte sehr“, sagte der Kutscher etwas gefaßter. „Da sind wir ja wieder. Da hätten wir auch gleich hierbleiben können, statt sinn- und planlos in der Gegend herumzupaddeln. Ich glaube, mich trifft der Schlag.“
„Oh, Himmelkreuzdonnerwetter!“ fluchte der Profos. „Das ist doch alles nur ein Traum, verdammt! Ich könnte mir in die Ohren beißen! Jetzt stehen wir wieder vor unseren Kochtöpfen, und alles war umsonst! Das halte ich nicht aus!“
Old Donegal war so in den Anblick der verlassen wirkenden Pfahlhütten versunken, daß er immer noch nichts kapierte. Hm, so ähnlich sollte einmal seine Kneipe aussehen, mit schönen stabilen Stämmen, sicher vor allem Ungeziefer im Wasser gebaut. Der malerische Anblick der Hütten gefiel ihm außerordentlich. Im Geiste sah er sich schon über dem Wasserspiegel hocken und kühles Bier trinken. Und er sah auch schon den Profos durch die Rutsche sausen und Vierkant im Wasser landen. Diese Vorstellung zauberte sogar ein Grinsen auf sein wettergegerbtes Gesicht.
„Seht mal“, sagte er, „so ungefähr stelle ich mir … He! Was ist denn mit dir los?“
Aber da hatte ihn schon eine harte Hand ins Kanu gerissen, und er hörte den Profos jetzt ganz bewußt und sehr gotteslästerlich fluchen.
„Da waren wir doch heute nacht!“ brüllte Carberry.
Sir John kreischte wieder begeistert mit und gab Laute von sich, die sich nach Ziegengemecker anhörten.
„Los, nichts wie zurück“, sagte Martin, „noch haben sie uns offenbar nicht gesehen.“
Das dachten die anderen auch, denn das Dorf im See lag wie ausgestorben da, als sei es nicht bewohnt oder längst verlassen worden.
In aller Eile drehten sie das Kanu, um durch den Creek wieder ungesehen in den See zu gelangen und türmen zu können.