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      E-Book 2012

       2. Printauflage 1998

       © 1997

       Arne Houben

       RHEIN-MOSEL-VERLAG Zell/Mosel Brandenbrug 17 D-56856 Zell/Mosel Tel. 06542/5151 Fax 06542/61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-89801-812-8 Ausstattung: Cornelia Czerny/Marina Follmann

      Christoph Kloft

      Basaltbrocken

      Ein Dorfbürgermeister geht seinen Weg (1930-1947)

      Roman aus dem Westerwald

      RHEIN-MOSEL-VERLAG

      ***

      Maximilian und Mauritius gewidmet

      Für die sachkundige Durchsicht des Manuskripts danke ich

       Gernot Gingele, Eitelborn, und Dr. Uli Jungbluth, Nauort.

      ***

      Er mochte sie nicht, die Tage, wenn der alte Matz kam. Noch einmal zog er sich an diesem empfindlich kühlen Novemberabend darum seine Jacke über, um nach Berta zu sehen. »Du alter Bauer, warum kannst du mir nur nicht sagen, was los ist«, dachte die Frau, die es nun schon eine ganze Reihe von Jahren mit ihm aushielt, als sie die Tür ins Schloß fallen hörte. Dabei wußte sie doch ganz genau, was mit ihm los war.

      Aber so war er nun einmal, ihr Johannes, und sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß sich das niemals ändern würde. Und dann stellte sie sich vor, wie er gerade wieder vor der Sau stand und ihr seine Ansprache hielt. Bestimmt gab er ihr auch wieder von den besten Kartoffeln, sorgte sie sich, und am nächsten Tag, wenn der alte Matz kam, würde er wieder einen dringenden Weg zu erledigen haben. Immer war das so, und Agnes kannte keinen Grund, warum es diesmal anders sein sollte: wahrscheinlich mußte ihr Johannes wieder unbedingt in die Stadt – sie war eigentlich nur noch gespannt, welcher Anlaß dafür ihm bis morgen früh eingefallen war.

      Der Bauer stand in diesen Augenblicken vor der Sau und erzählte mit ihr. »Na, Berta, glaubst wohl auch, es wird ein harter Winter. Zum Glück hast du´s hier einigermaßen warm. Die Ritzen mache ich schon noch dicht«.

      »Wenn du wüßtest«, dachte er dabei und hielt der Sau eine besonders dicke Kartoffel hin. »Ja, friß nur, wir haben sowieso zu viele davon.«

      Natürlich stimmte das nicht, denn man konnte nie wissen, wie lange der Winter dauern würde. Trotzdem griff Johannes noch einmal in den Sack, den er hinter der Stalltür verborgen hatte, und hielt Berta eine weitere Kartoffel hin. »Nur gut, daß heute nicht mehr mit der Axt geschlagen werden darf«, schoß es ihm durch den Kopf, und es war dies ein kurzer Moment, in dem er plötzlich ganz zufrieden damit war, daß der andere jetzt das Sagen hatte. »Wer zu Tieren gut ist, kann zu Menschen nicht schlecht sein«, hatte neulich noch einer gesagt, der meinte, ihn damit von Hitler überzeugen zu können.

      »Wirst nicht viel spüren«, sagte Johannes jetzt leise in Richtung der Sau, die er nur dann Berta nannte, wenn er sicher war, daß es niemand hörte, und er war froh, daß der alte Matz so viel von seinem Handwerk verstand. Wenn der Bolzen richtig saß, würde sie garantiert nichts spüren. Sagten jedenfalls immer die, die es wissen mußten. Wahrscheinlich, nein hoffentlich nur hatten sie recht. Johannes bildete sich zwar ein, eine ganze Menge von der Landwirtschaft zu verstehen, beim Schlachten mußte er sich aber auf die Erfahrungen anderer verlassen, denn sein Ding war das nun einmal nicht.

      Nachdem er die Sau ein letztes Mal mit den Augen ins Visier genommen hatte – und wer ihn genau kannte, dem wäre dabei aufgefallen, wie er dem Zweieinhalb-Zentner-Koloß in seinem muffigen Verschlag zum Abschied aufmunternd zuzwinkerte – verließ er den Stall, um zu sehen, ob auch wirklich die Leiter in Ordnung war, an der Berta morgen hängen würde. Sie war es natürlich, überzeugte er sich, denn sie war stabil wie alles, was sein Vater jemals gebaut hatte. Nach den Kesseln würde er heute nicht mehr sehen – das konnte morgen früh Agnes machen, wenn sie es nicht schon längst getan hatte.

      Auf dem Weg zum Haus mußte Johannes unwillkürlich daran denken, wie er als Kind einmal einem Huhn den Kopf abgeschlagen hatte. Das hatte auch Berta geheißen, und damals hatte er noch keinerlei Bedenken gehabt, es auch vor aller Augen so zu nennen. Aufgezogen hatte er es in der Küche, damit die Glucke es nicht tottreten konnte. Am Anfang hatte niemand etwas dagegen gehabt, bis dann sein Vater meinte, Berta gehöre zu den anderen Hühnern in den Hühnerstall. Ihm war das fast egal gewesen, wußte er doch, daß der Vater oft wochenlang mit dem Händlerwagen unterwegs war und er ihm dann ohnehin nicht vorschreiben konnte, was er zu tun und zu lassen hatte. War Vater dann mal wieder außer Haus, nahm Johannes das Huhn einfach wieder mit in die Küche und brachte ihm feine Kunststücke bei. Seine Mutter, eine kleine Frau, die ihre Energien erst so richtig auszuleben schien, nachdem ihr Mann von einer seiner Reisen nicht zurückgekehrt war, zwinkerte ihm in solchen Momenten nur spitzbübisch zu, wenngleich sie zuvor natürlich ihr »Du weißt doch, daß du das nicht sollst!« vorgebracht hatte. Johannes erinnerte sich gerne an diese Zeit, nicht aber an den Tag, als sein Vater ihn gezwungen hatte, Berta den Kopf abzuschlagen. »Nun tu´s doch endlich, schlag zu«, hatte er ständig auf ihn eingeredet, auf den kleinen Jungen, der da so hilflos mit dem bebenden Huhn stand, seinen dürren Hals mit der kleinen Hand fest umklammert hielt, in der Rechten das frisch geschliffene Beil. Johannes hatte damals gewünscht, er würde auf der Stelle tot umfallen, dann aber, als sein Vater gebrüllt hatte: »Ich werde es allen erzählen, was ich mir da für einen Weiberrock aufgezogen habe!« Bertas Kopf fest auf den Holzbock gedrückt und zugeschlagen. Noch jetzt, als er die Tür zur Stube öffnete, konnte er sich genau an das Gefühl des warmen Blutes erinnern, das damals auf seine Hand gespritzt war: die linke Hand war es, deren Finger er vielleicht seit jener Zeit immer dann kräftig aneinander rieb, wenn er, wie um Unliebsames von vornherein abzustreifen, eine Verlegenheit sich gar nicht erst in seinem Gesicht niederschlagen lassen wollte. Und er wußte auch noch genau, wie es gewesen war, als Berta mit ihrem blutigen Stumpf über den Hof gestoben war und wie sie erst nach einer Ewigkeit endlich erlöst wurde und liegenblieb.

      »Wo warst du nur so lange?« wollte seine Frau wissen. »Im Stall. Weißt doch Agnes, daß es vor dem Schlachten immer viel zu richten gibt«, antwortete er mürrisch und stellte seine schweren Schuhe neben ein Paar viel kleinerer Stiefel. »Hat übrigens so lange gedauert, weil ich morgen nichts helfen kann. Ich muß dringend in die Stadt, habe nämlich die letzten Nägel eben in die Leiter gehauen.« Fast mit ein wenig Stolz wegen dieser gelungenen Ausrede, doch auch bereits mit sich gegen die Entlarvung wehrendem Trotz – Agnes hätte die Schläge doch gewiß gehört! – bemühte er sich, einen möglichst festen Blick in Richtung Küchentisch zu werfen. »Richtig, du wolltest letzte Woche schon dahin«, kam von dort die unerwartete Hilfe. »Sieh aber nur zu, daß du vor der Dunkelheit zurück bist. Du weißt, manch einer im Dorf wartet nur darauf, dir eins auszuwischen.«

      Johannes liebte seine Agnes von ganzem Herzen, und sie wußte das, wenn er es ihr auch niemals sagte. Große Worte waren nicht seine Sache, und Agnes hatte das noch nie gestört, schon gar nicht damals, als er sie steif und unbeholfen gebeten hatte, seine Frau zu werden. Gestört hatte sie auch nicht der Makel, der an ihm haftete und von dem er ihr gleich bei der ersten Begegnung erzählt hatte. Johannes jedenfalls war in diesen Augenblicken, in denen er sich Luft gemacht hatte, klargeworden, daß er seinen Bekannten Paul und Hilda, die Agnes von ihm erzählt hatten, ein Leben lang zu Dank verpflichtet war, weil sie ihm eine so lebensfrohe und ehrliche Frau zugeführt hatten. Dabei hatte er zu dieser Zeit die Suche schon fast aufgegeben und gemeint, er müßte sich wohl oder übel damit abfinden, daß jedes Mädel, das die Wahrheit über ihn und seine Herkunft erfuhr, sich schließlich von ihm abwenden würde. So wie vor einer ganzen Reihe von Jahren Maria, die am Ende doch auf ihre Eltern gehört und den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte. Für ihn, so dachte Johannes seither, war es aussichtslos, im Ort oder der näheren Umgebung eine Frau zu finden, und er beschloß, nicht zu heiraten und immer mit seiner Schwester Franziska, der ebenfalls der Makel anhing, zusammenzubleiben. Von seiner Seite aus war die Sache damit besiegelt, für Franziska war sie das nur so lange, bis sie einen jungen Mann kennenlernte, den sie bald darauf heiratete. Johannes gönnte ihr das Glück, freute sich mit ihr, doch, wollte er nicht ganz alleine bleiben, so wurde es nun für ihn höchste Zeit, sich endlich um eine Frau zu kümmern.

      Paul und seine Bekannte aus