bewusst dem eigenen Doppelgänger und setzt sich, wie es auch Aufgabe der Lebensmitte ist, willentlich mit ihm auseinander. Man erkennt ihn als solchen, man anerkennt, dass man auch diese hässliche Figur voll Selbsttäuschung und Versäumnisse ist, und anerkennt sie als Teil des eigenen Erdenwesens. Dies ist so eine Art Eintrittskarte in das Verstehen des Wirkens der geistigen Welt. – Und es mag einsichtig erscheinen, dass in diesem Zusammenhang vom »Hüter der Schwelle« gesprochen wird, denn die Anerkennung des Doppelgängers als Teil des eigenen Wesens macht den Menschen vollständig, und erst aufgrund dieser Vollständigkeit kann sich der Blick für das Wirken der geistigen Sphäre öffnen.
In der Lebensmitte ist es biographiegesetzliche Aufgabe, damit zu beginnen, sich auf sich selbst als geistiges Wesen zu begründen und von äußeren Sicherheiten frei zu machen. Aber dieser Zugang zum eigenen Höheren Ich ist bewacht von dem »Hüter der Schwelle«. Er steht an der Schwelle zwischen mir als irdischem, an äußeren Gegebenheiten haftendem Wesen und meinem geistigen Wesenskern. In dem Maße nun, wie an einer solchen Schwelle – es kann auf dem Schulungsweg, es kann in der Lebensmitte, es kann aber auch bei biographischen Brüchen sein, wenn plötzlich Gewohnheiten zusammenbrechen – der Doppelgänger mit der Bewusstheit erkannt und durchdrungen wird, die den ganz normalen Selbstbetrug abbaut, wandelt sich der Doppelgänger und wird Gewissen.
Offenbar steht in allen Kulturen, jeweils natürlich in anderem mythologischen Gewand, vor dem Eintritt in die geistige Welt ein Hüter. Er wacht darüber, dass ich die Selbsttäuschung ablege und nur als vollständiges Wesen, das sich in seiner Ohnmacht anerkennt, den Blick auf das Wirken der geistigen Welt lenke.
Der vollständige Eintritt in die geistige Welt ist der Tod. Kurz vor dem Tod löst sich der Doppelgänger vom Leib des Sterbenden. Der Doppelgänger, soweit er nicht von Bewusstheit durchdrungen und damit Gewissen geworden ist, kann nicht in die geistige Weit eintreten. Schon bei alten Menschen kann man manchmal erleben, wie der Doppelgänger sich zunehmend verselbständigt. Etwas Hässliches, Boshaftes gar, Erstarrtes ergreift dann immer mehr Besitz von Denken, Fühlen und Verhalten des betreffenden Menschen. Möglicherweise ist das besonders dann der Fall, wenn der Betroffene sich nie mit seinen Schattenseiten auseinandergesetzt hat. Man meint, hier eine Art letztes Aufbäumen des Doppelgängers vor sich zu haben. Und erst ganz kurz vor dem Eintritt des Todes, wenn der Betroffene es weiß und annimmt, dass er stirbt, erleben wir an dem Sterbenden etwas Ruhevolles, Friedevolles. Jetzt ist er wie erlöst von seinem Doppelgänger.
Und doch ist zu vermuten, dass auch der Sterbende ihn nicht eigentlich los wird. Denn schließlich dürften die Ziele und Aufgaben, die sich eine Individualität für ihren weiteren Erdengang stellt, gerade aus den Versäumnissen und Unvollständigkeiten des gehabten Erdengangs hervorgehen.
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