Jürgen Schmude

Marktsegmente des Tourismus


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„richtigen“ Marktbearbeitungsstrategie.

      Marktbearbeitungsstrategien

      Hierbei lassen sich fünf Grundformen der Marktabdeckung mit unterschiedlichem Spezialisierungsgrad unterscheiden. Entscheidend sind das gewählte Marktsegment, in dem der Anbieter aktiv ist, sowie das von ihm angebotene Produkt. Dabei müssen sich die Anbieter nicht zwingend auf ein einziges Marktsegment oder ein bestimmtes Produkt festlegen, sondern können durchaus mehrere Marktsegmente bedienen bzw. mehrere Produkte anbieten (vgl. Abb. 1.1). Allerdings ist darauf zu achten, dass die ausgewählten Marktsegmente und Produkte resp. deren Konsumenten „kompatibel“ sind, um Konflikte zwischen den verschiedenen Zielgruppen zu vermeiden. Die Marktabdeckungsstrategien reichen von einer Nischenstrategie mit dem höchsten Spezialisierungsgrad bis hin zu einer Gesamtmarktabdeckung. Entsprechend der gewählten Marktabdeckungsstrategie variiert auch das Nachfragepotential und oftmals ist auch die Produktionsweise davon abhängig. So können etwa bei Produktion für einen touristischen Massenmarkt Skaleneffekte realisiert werden. Im Reiseveranstaltermarkt bedeutet dies beispielsweise, dass die großen Pauschalreiseveranstalter (z.B. TUI oder DER Touristik) durch die „Produktion“ einer großen Zahl von Reisen u.a. geringere Produktionskosten je Stück haben (economies of scale) und sie auf Grund der hohen Stückzahl trotz geringer Marge je Reise Gewinne realisieren können. Zwar streben auch die großen Reiseveranstalter zunehmend eine Diversifizierung ihres Produktportfolios an, dennoch sind sie weitgehend fordistisch geprägt. Dagegen agieren kleine, spezialisierte Reiseveranstalter überwiegend in Nischenmärkten und realisieren je verkaufter Reise deutlich höhere Margen. Darauf weist auch der je Kunde (Pax) realisierte Umsatz hin, der bei Spezialreiseveranstaltern deutlich höher ausfällt als bei den klassischen Pauschalreiseanbietern (vgl. Kagermeier 2016, S. 90).

      Abb. 1.1 Grundformen der Marktbearbeitungsstrategien (eigene Darstellung nach Hartmann 2018, S. 155)

      Tages- und Übernachtungstourismus

      Bei der Analyse des touristischen Marktes wird oftmals zunächst grundlegend zwischen übernachtendem und Tagestourismus unterschieden. Beide Bereiche sind dem Tourismus zuzurechnen, wobei der Tagestourismus (oft synonym auch als Tagesreisen oder Naherholung bezeichnet) vielfach ausgeblendet wird, da seine statistische Erfassung große Schwierigkeiten bereitet. Während der übernachtende Tourismus in Deutschland durch die Monatserhebung im Tourismus (Beherbergungsstatistik) sowie die Statistik über die touristische Nachfrage im Rahmen der amtlichen Statistik regelmäßig dokumentiert wird (zumindest in Beherbergungsbetrieben mit mindestens zehn Betten) (vgl. Schmude & Namberger 2015, S. 14ff.), liegen für den Tagestourismus lediglich Stichprobenerhebungen vor. Systematisch erhebt der dwif-Tagesreisenmonitor (ebenfalls auf der Basis einer Stichprobenerhebung) seit dem Jahr 2016 Informationen zum Tagestourismus in Deutschland (vgl. dwif 2018).

      Stichwort

      Tagesreisen bzw. Tagestourismus

      + Verlassen des Wohnumfeldes, mit dem keine äbernachtung verbunden ist…

      – keine Fahrt von oder zur Schule, zum Arbeitsplatz oder zur Berufsausübung

      – keine Einkaufsfahrt zur Deckung des täglichen Bedarfs

      – unterliegt nicht einer gewissen Routine oder Regelmäßigkeit

      dwif 2018

      Auch bei der vielfach vorgenommenen Unterscheidung von geschäftlich und privat motivierten Reisen handelt es sich um eine relativ grobe Differenzierung des touristischen Marktes. Beide Teilbereiche können in unterschiedlichem Detailierungsgrad weiter segmentiert werden.

      Geschäftsreisetourismus

      Die geschäftlich motivierten Reisen sind Bestandteil des Arbeitslebens, erfolgen im Interesse des Arbeitgebers und somit in gewissem Sinne nicht freiwillig. Sie sind Teil der Arbeitszeit. Während der Geschäftsreisen wird eine Arbeitsleistung erbracht, private Interessen sind sekundär, wobei Geschäftsreisen durchaus auch mit (anschließenden) Privatreisen verknüpft werden können. Zum Geschäftsreisebereich zählt aber nicht mehr nur die klassische Geschäftsreise von Mitarbeiter von Unternehmen und/oder Organisationen, sondern der Geschäftsreisebereich umfasst mindestens vier weitere Segmente, die unter dem Begriff MICE zusammengefasst werden: Meetings (Tagungen), Incentives (Anreiz- und Belohnungsreisen), Conventions (Kongresse) und Exhibitions (Ausstellungen) bzw. Events (Veranstaltungen) (vgl. Freyer 2015, S. 107ff.) Wesentlich ist, dass sich die Geschäftsreisenden bzgl. ihrer Reisemotivation und ihres Reiseverhaltens deutlich von Privatreisenden unterscheiden. Im Gegensatz zu den Geschäftsreisen erfolgen Privatreisen, die verschiedene Formen und Arten aufweisen können und denen sehr unterschiedliche touristische Aktivitäten zu Grunde liegen, in der Regel freiwillig. Sie sind Teil der Dispositionszeit.

      Beispiele für Marktsegmente des Tourismus

      Je nach Differenzierungsgrad kann eine unterschiedliche Zahl von Marktsegmenten ausgewiesen werden. So stellt etwa der Tourismusatlas Deutschland unter dem Titel „Themen – Arten –Aktivitäten“ (vgl. Eisenstein et al. 2017, S. 60ff.) insgesamt 19 für Deutschland relevante Marksegmente des Tourismus vor:

      •Familienurlaub

      •Naturtourismus

      •Wandertourismus

      •Radtourismus

      •Reittourismus

      •Tourismus am und auf dem Wasser

      •Golftourismus

      •Gartentourismus

      •Kulturtourismus

      •Volksfeste und Brauchtumsveranstaltungen

      •Themen-, Freizeit- und Erlebnisparks und Zoologische Gärten

      •Eventtourismus

      •Shoppingtourismus

      •Kulinarischer Tourismus

      •Wein und Tourismus

      •Slow Tourism

      •Spiritueller Tourismus

      •Gesundheitstourismus

      •Wellnesstourismus

      Diese Übersicht subsummiert sowohl große, eher allgemein abgegrenzte (z.B. Kulturtourismus) als auch eher kleine Marktsegmente (z.B. Gartentourismus). Wie auch bei anderen Autoren sind in dieser Zusammenstellung die einzelnen Marktsegmente nicht immer trennscharf abzugrenzen (z.B. Natur- und Wandertourismus), was u.a. daran liegt, dass einzelne hier ausgewiesene Marktsegmente auch als Konzept verstanden werden können, das in verschiedenen Marktsegmenten zur Anwendung kommen kann (z.B. Slow Tourism im Bereich des spirituellen oder kulinarischen Tourismus). Zudem erhebt diese Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit und könnte etwa durch das Marktsegment des Kreuzfahrttourismus, für das Deutschland eines der wichtigsten Herkunftsgebiete der Nachfrager ist, ergänzt werden.

      Charakteristika von Reisen

      Eine weitere Möglichkeit, Marktsegmente abzugrenzen, bieten verschiedene Charakteristika von Reisen, wobei oftmals mehrere der Eigenschaften kombiniert verwendet werden, um ein Marktsegment zu charakterisieren oder abzugrenzen. Zu den Eigenschaften gehören u.a.

      •der Hauptverkehrsträger (z.B. erdgebundene vs. nicht erdgebundene Reisen), z.B. Flugreisen;

      •die überwundene Distanz (z.B. kurze vs. große Distanz zwischen Quell- und Zielgebiet), z.B. Fernreisen;

      •die hauptsächliche Aktivität während der Reise (z.B. Erholung, Sport, Shopping etc.), z.B. Radreisen;

      •die anvisierte Zielgruppe nach Gruppenkonstellation (z.B. Singles, Familien, Paare etc.), z.B. Single-Reisen

      •die sexuelle Orientierung der Nachfrager (z.B. Lesben, Schwule, Transgender);