A. F. Morland

Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren


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nickte sie.

      „Einverstanden!“ Ihre Stimme war allerdings kaum zu hören.

      Walter erhob sich vom Bett; wo er getreulich ausgeharrt hatte. Auch die Anwesenheit des Oberarztes hatte ihn nicht vertreiben können.

      „Sie haben unsere Einwilligung“, sagte er rau.

      Dr. Florian Winter straffte, die Schultern. „Dann wollen wir keine Zeit verlieren. Herr Becker, Sie müssen jetzt bitte den Vorbereitungsraum verlassen.“ Danach beugte er sich über die Patientin. „Gleich kommt die Schwester und gibt Ihnen ein Beruhigungsmittel. Kopf hoch, Frau Becker!“

      Die Männer entfernten sich nach entgegengesetzten Richtungen, als ein Schreckensruf der Patientin sie herumfahren ließ.

      „Walter!“

      „Was ist denn?“

      „Ich habe ja gar nichts mit!“

      Dr. Mittler grinste vergnügt. „Nicht nötig. Walter wird dir den Koffer mit Inhalt bringen. Heute noch, wie ich ihn kenne. Bis dahin findet sich bestimmt etwas hier im Haus. Wir haben eine pfundige Schwester da, glatt drei Zentner schwer. Die hilft dir sicher gern mit einem Nachthemd aus. Ich werde fragen.“

      Die verkrampfte, angespannte Atmosphäre lockerte sich auf. Dr. Winter und Dr. Mittler verschwanden zum OP.

      „Walter, wenn es doch nicht ...“, sagte Eva-Maria leise.

      Mit großen Schritten war er bei ihr. „Nicht sprechen, Liebes, und nicht wieder aufregen.“ Er küsste sie heiß und brennend auf den Mund. „Denk an was Schönes.“

      „Du auch. War ich dir eine gute Frau?“

      „Immer.“

      „Kein Grund zur Klage?“

      „Nie.“

      „Danke dir.“ Ein scheues Lächeln glitt um ihren Mund.

      Es lag noch auf ihrem Gesicht, als er sich leise hinausstahl.

      Sie sah gar nicht, wie er noch einmal zu ihr blickte, und sie hörte nicht, wie er murmelte: „Dich darf ich nicht verlieren!“ Es klang wie ein verzweifeltes Gebet, in das er all seine Sorgen legte.

      19

      'Denk an was Schönes!' Seine Worte beschäftigten sie.

      Die schönste Zeit hatte sie mit ihm verlebt. Die Jugendjahre davor, da hatte es Schwärmereien gegeben, nette Erlebnisse, aber ohne Tiefgang und nachhaltige Erinnerung.

      Sie starrte zur Decke hinauf und betrachtete die Sprünge, die das Aussehen von überdimensionalen Spinnen hatten.

      Spinnen – ihre Gedanken kehrten zu den Dias zurück, die sie gestern zu Hause gerahmt hatte, uralte Aufnahmen, verbunden mit ganz besonderen Erinnerungen, und wanderten weit in die Vergangenheit.

      Da war die Wohnung, die sie sich gemietet hatten. Ein verwohntes Loch, das erst renoviert werden musste.

      Geld hatten sie kaum welches. Also behalfen sie sich mit Farbe, Eifer und Ausdauer.

      Jeden Abend, wenn sie nach der Arbeit heimkamen, saßen auf den frisch abgerollten Wänden und Decken Spinnen. Die Tiere waren durch die angekippten Fenster hereingekrochen.

      Oh, was war sie wütend geworden!

      Die Fenster mussten halb geöffnet bleiben, damit die Feuchtigkeit entwich. Einmal hatte sie sie geschlossen. Abends lief buchstäblich die Brühe von den Wänden.

      Die Spinnen wurden Dauergäste, weil die Wohnung zur ebenen Erde lag.

      Anfangs hatte sie sich schrecklich gegrault, war auch mit dem Staubsauger auf die Tiere losgegangen und hatte sie ins Rohr zischen lassen.

      Einige waren nach Stunden wieder hervorgekommen, um sich sofort auf die Suche nach einem günstigen Platz zu machen, wo ein Netz gesponnen werden konnte.

      Endlich war die Wohnung fertig, die Möbel konnten kommen, die sie anbezahlt hatten.

      Sie kamen nicht.

      Nicht zum vereinbarten Termin, auch nicht am nächsten Tag.

      „Die bringen sie schon“, sagte Walter. Er hatte ein sträfliches Gottvertrauen in die Ehrlichkeit der Leute.

      Sie gab noch einen Tag zu, dann stieg sie entschlossen in den kleinen gemeinsamen Wagen und fuhr nach Köln.

      Das Herz blieb ihr fast stehen, als dort, wo vor sechs Wochen noch Möbel die Auslagen geziert hatten, das Markenzeichen einer Automobilfirma auf den Schaufenstern prangte.

      Von der Möbelfirma keine Spur! Auch keine Nachricht in der Tür!

      Sechshundert Mark weg! Und keine Möbel!

      Sie war außer sich und lief in die Tankstelle schräg gegenüber. Vielleicht wusste man da etwas.

      Drei Männer schauten ihr grinsend entgegen. Ihr Benehmen verriet, dass sie sie schon geraume Zeit beobachtet hatten, wie sie drüben verstört von einem Schaufenster zum anderen geirrt war, in der Hoffnung, einen hinters Glas geklebten Zettel zu entdecken.

      „Na, na, junge Frau, nicht gleich aufregen!“, sagte ein gemütlicherer älterer Mann. „Sie suchen wohl auch Möbel? Da waren schon einige Leute da.“

      „Ist die Firma pleite?“, war ihre bange Frage.

      „Umgezogen ist die. Hat jetzt eine Toplage. Fahren Sie rein zum Wiener Platz, drum herum und in die Frankfurter Straße hinein. Ist schon von weitem zu sehen. – Ein Saftladen, wenn die Kunden nicht vom Umzug benachrichtigt werden.“

      Sie stob hinaus und fuhr weiter.

      Die Firma war da. Die Möbel auch.

      Anderntags wurden sie geliefert. Sogar richtig und ohne Anlass zu Beanstandungen.

      Die sechshundert Mark waren gerettet.

      Sehr viel zuversichtlicher blickte sie dem Hochzeitstermin entgegen.

      Bevor es so weit war, platzte die Sache mit dem neuen Wagen dazwischen.

      Walter bekam einen Anruf von seiner Mutter; in der Ehe war die große Krise ausgebrochen. Kurz entschlossen fuhr er noch abends nach Süddeutschland. Im Morgengrauen stand er wieder vor der Tür, hatte die Mutter dabei und den Wagen erledigt. Auf der Autobahn hatte er das kleine Fahrzeug derart gescheucht, dass das Motorengehäuse gerissen war.

      Mit den Finanzen hatten sie sich gerade bekrabbelt.

      Der neue Wagen warf sie in die roten Zahlen zurück. Noch vor der Hochzeit.

      Wildbewegte Tage waren das, die ihre Nerven bis an den Rand der Belastbarkeit strapazierten. Bei aller Aufregung waren es aber auch schöne Tage.

      Dann die Hochzeit. Eine neuerliche Nervenprüfung.

      Walter war den Vorabend mit Freunden aufgebrochen, um Abschied vom Junggesellenleben zu nehmen und einen letzten flotten Zug durch die Gemeinde zu machen.

      Um neun war die standesamtliche Trauung, und um neun war er nicht da. Dafür war ihr Elternhaus voller Gäste, die teils schockiert, teils ergrimmt und teils amüsiert der weiteren Entwicklung der Dinge harrten.

      Zehn nach neun erschien Walter, mit Knöpfen auf den Augen und leicht beduselt, aber mit einem wunderschönen Brautbukett. Die allgemeine Aufregung erreichte ihren absoluten Höhepunkt, als er, statt mit ihr und den Trauzeugen nun spornstreichs zum Standesamt zu fahren, sich gemütlich niederließ und seelenruhig ein ausgewachsenes Frühstück vertilgte.

      Endlich bequemte er sich, und im neuen Wagen machten sie die Einweihungsfahrt.

      Im Standesamt stellte sich heraus, die die ganze Aufregung für die Katz war. Der Standesbeamte hatte sich in der Uhrzeit geirrt, es war noch ein Paar vor ihnen. Ihre Trauung war erst um zehn.

      Das