A. F. Morland

Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren


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aus. Als er ins Zimmer zurückkam, meinte er etwas verlegen: „Sie ist ja noch winzig klein.“

      Zwei Tage war er Stammgast vor dem Fenster.

      Dann mussten sie die Kleine hergeben. Der Bilirubingehalt stieg rapide an. Die Ärzte sagten, es sei die Folge der Frühgeburt, möglicherweise auch der doppelten Nabelschnurumschlingung. Lästig, aber nicht gefährlich. Die Medizin sei heute so weit, um das Problem mühelos in den Griff zu bekommen. Außerdem verringere jeder Lebenstag eine eventuelle Gefährdung.

      Der Stationsarzt erklärte sogar noch die Zusammenhänge und redete von Milligrammprozenten. Ein Buch mit sieben Siegeln war die Sache dennoch geblieben.

      Walter versuchte sich zu dreiteilen. Er erledigte die Behördengänge, besuchte sie im Krankenhaus und fuhr zweimal am Tag in die Kinderklinik nach Köln zu seiner Tochter.

      Dabei hatte er noch Zeit, für ihre Zerstreuung zu sorgen. Es hatte sie schon immer interessiert, wo denn nun eigentlich ihr Haus lag. Im Gewirr des Stadtbildes fand sie nicht einmal die Straße. Von oben sah alles so ganz anders aus.

      Er brachte eine topographische Karte mit und wies aus dem Fenster auf einen bewaldeten Hügel, der wie eine Zunge bis fast ins Herz der Stadt vorstieß.

      Der kalte Januarwind hatte die letzten Blätter von den Ästen gefegt, der Wald sah nackt und bedrückend aus. Ihr Haus war auch durch das graue Astgewirr nicht auszumachen.

      „Irgendwo dahinter wohnen wir“, sagte Walter. „Pass auf, um neun heute Abend zeige ich dir genau, wo das ist.“

      „Was hast du vor?“

      „Ich brenne ein Feuerwerk ab. Zwei, drei Raketen. Du brauchst nur aus dem Fenster zu sehen und weißt es ganz genau.“

      Das war so einer von seinen spontanen und bemerkenswerten Einfällen.

      Kurz vor neun rief er an und teilte ihr mit, dass alles vorbereitet sei. Er ging hinaus in den Garten und schoss drei Raketen ab.

      Hinter dem Wald sah sie die leuchtenden Kugeln hochsteigen und in einem Feuerregen zerplatzen.

      Jetzt wusste sie, wo ihr Haus lag.

      Walter kam wieder in die Leitung und wollte wissen, wie das Schauspiel ausgefallen sei.

      Eine Wöchnerin, die mit im Zimmer lag, sagte neidvoll: „Mein Mann hat noch kein Feuerwerk für mich angezündet.“

      Nach zehn Tagen wurde sie entlassen. Die Fahrt führte nicht nach Hause, sondern erst zur Kinderklinik.

      Klein Tina hatte sich schon prächtig herausgemacht, der Arzt war überaus zufrieden mit den erzielten Fortschritten und stellte in Aussicht, dass sie das Kind in einer Woche mitnehmen könnten.

      Auf der Fahrt abwärts blieb der Aufzug zum Ergötzen des Stationspersonals stehen.

      Sie bekam unerklärliche Platzangst trotz der begütigenden Worte von Walter. Schließlich kamen zwei Techniker und kurbelten die Kabine hoch. Ein Besuch mit Hindernissen.

      Alles, was mit Tina zusammenhing, war außergewöhnlich.

      Aber schließlich war schon ihre Ankunft nicht alltäglich gewesen.

      Von der Stunde an, in der sie das Baby zu Hause hatten, war Tina der Mittelpunkt der Familie. Sie bedurfte besonderer Aufmerksamkeit, Fürsorge und Pflege. Sie war ein Risikokind.

      Mit stolzgeschwellter Brust schleppte Walter kistenweise Babynahrung ins Haus und machte bereits Pläne, als sei die Kleine schon fünf Jahre alt.

      Sie ertappte sich dabei, dass sie manchmal ein Hauch von Eifersucht anflog.

      „Mögen Sie Knoblauch?“, drang eine Stimme in ihre Gedanken.

      Sie öffnete weit die Augen. Die Gegenwart hatte sie wieder. An der Decke verzerrten sich die Risse zu grotesken Figuren.

      „Warum, bitte?“ Eva-Marias Blick ruhte auf der Gazelage in der Hand der Schwester, die ihr schon die Beruhigungsspritze gegeben hatte.

      „Ich lasse Sie jetzt einschlafen. Es geht ganz schnell, Sie brauchen keine Angst zu haben. Sofort nach dem kleinen Piekser haben Sie Knoblauchgeschmack im Mund.“ Die Schwester klappte die Gaze auseinander, setzte die Spritze und injizierte das Narkosemittel.

      Ein penetranter Knoblauchgeschmack war das letzte, was Eva-Maria wahrnahm, bevor ihr Bewusstsein in unergründliche Tiefen taumelte.

      22

      Dr. Winter hatte die Röntgenbilder vor den Leuchtschirm geklemmt und besprach sich mit Dr. Mittler und dem übrigen Team.

      „Die Stieldrehung bedeutet eine Komplikation“, erklärte er.

      „Wenn der Tumor sehr fest und dauerhaft mit dem Darm verklebt ist“, stimmte Hermann Mittler zu.

      Dr. Winter starrte noch immer auf die Röntgenbilder. „Ein zweifacher Eingriff erscheint mir zu schwerwiegend – vaginal und dann noch abdominal. – Herr Kollege, wir nehmen die Hysterektomie abdominal vor. Bereiten sie bitte die Patientin vor.“

      Minuten später wurde der Fall hereingerollt.

      Das Team war verkleinert. Dr. Simon-Stoll und Dr. Pusch befanden sich im Kreißsaal.

      Dr. Schimanski schloss die Sonden seiner Kontrollgeräte an die Patientin an. Schwester Manka instrumentierte und hatte die Wagen bereitstehen.

      Mit frischen Handschuhen begann Dr. Winter den Eingriff.

      Wieder pinselte er den Leib der Patientin ein. Er blickte Mittler an, dessen Augen seine stumme Frage ausdrückten, was sie wohl dort in der Tiefe des Leibes vorfanden.

      Manka legte dem Oberarzt das Skalpell in die Hand.

      Dr. Winter setzte das chirurgische Messer an.

      Im OP war es jetzt totenstill. Nur das Schneiden des Skalpells war zu hören, das die Haut durchtrennte und eine rote Spur hinterließ.

      Die Wärme, die von den Reflektoren der Deckenlampe ausging, empfand Dr. Mittler nie lästiger als jetzt. Er schwitzte bereits.

      Sie ist eine Patientin wie jede andere, redete er sich ein. Wir operieren sie wie jeden anderen Fall!

      Und doch war es anders!

      Diesen Menschen hier kannte er von klein auf. Hier bestand eine enge menschliche Beziehung.

      „Klemmen Sie ab!“, wies ihn Dr. Winter an.

      Manka war dem Operateur immer einen Schritt voraus und hielt schon die Instrumente bereit.

      Aus einer durchtrennten Ader schoss eine Blutfontäne hoch und traf Dr. Winter zwischen den Augen. Die OP-Schwester wischte ihm das Blut ab, während Dr. Mittler abklemmte.

      Langsam, behutsam und vorsichtig, aber sicher und zielstrebig bahnte sich das Skalpell seinen Weg in die Tiefe des Körpers.

      Gelbes Fett drängte aus der gespreizten Wunde.

      Eine abgenommene Klemme fiel klirrend auf den Instrumententisch.

      Dr. Schimanski meldete den Zustand der Patientin als normal. Die Laufschwester schob das Stativ herbei, an das im Notfall die Transfusionsflaschen gehängt wurden.

      Dr. Winter und Dr. Mittler arbeiteten angestrengt und reibungslos. Ein Team, das sich wundervoll ergänzte.

      Das grau schimmernde Bauchfell trat ins Licht der Lampe.

      Dr. Winter fasste mit einer Pinzette das Bauchfell an, zog es hoch, schuf einen kegeligen Zipfel und schnitt ihn behutsam mit einer Schere ein.

      Durch die Öffnung schob er die rechte Hand und tastete. Dr. Mittler dirigierte mit den Augen Schwester Manka herbei, als er sah, wie sich der Schweiß wieder auf der Stirn des Kollegen zu sammeln begann.

      Dann erweiterte Dr. Winter die Öffnung und spreizte