Henryk Sienkiewicz

Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski)


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sind nicht gerade Krakauer, und es gibt manchen, von dem man in der Republik nicht spricht; aber wer doch einmal auf dem Senatorenstuhl gesessen hat, der vererbt auch seinen Glanz seinen Nachkommen. Was aber die Ahnen betrifft, so steht die Jesiorkowska fast noch höher als die Drohojowska ...«

      »Ich bitte, bitte, ich selbst leite meinen Stammbaum von einem Könige der Massageten her, und darum höre ich gern von Stammbäumen.«

      »Aus einem so hohen Neste ist nun die Jesiorkowska nicht, aber wenn Ihr hören wollt ... denn wir hier von unseren Gegenden können jedermanns Haus an den Fingern herzählen ... Nun, sie ist eine Verwandte der Potozkis, der Jaslowizkis und der Laschtschs. Seht, das war so ...«

      Hier richtete die Frau Truchseß die Falten ihres Kleides und setzte sich bequemer, um in der beliebten Erzählung sich nicht unterbrechen zu müssen; dann breitete sie die Finger der einen Hand aus, bereitete den Zeigefinger der anderen zur Aufzählung der Urväter und Urmütter vor und begann:

      »Die Tochter des Herrn Jakob Potozki, Elisabeth, von seiner zweiten Frau Jaslowizka, heiratete Herrn Johann Smiotanko, den Bannerträger von Podolien ...«

      »Ich hab's mir gemerkt,« sagte Sagloba.

      »Aus dieser Ehe wurde Herr Nikolaus Smiotanko geboren, gleichfalls Bannerträger von Podolien.«

      »Hm, schönes Amt.«

      »Dieser war verheiratet in erster Ehe mit Dorohosto ... nein, mit einer Roschynska ... nein, mit einer Woronitsch ... ei daß doch, ich hab's vergessen!«

      »Gott hab' sie selig, wie sie auch geheißen hat,« sagte Sagloba ernst.

      »In zweiter Ehe heiratete er eine Laschtsch.«

      »Welches waren die Konsequenzen dieser Ehe?«

      »Die Söhne starben ihnen.«

      »Jede Freude dieser Welt ist zweifelhaft.«

      »Und von den vier Töchtern hat die jüngste, Anna, einen Jesiorkowski geheiratet, der zuletzt, wenn ich nicht irre, Schwertträger von Podolien war.«

      »Ja, das war er, ich erinnere mich,« sagte Sagloba mit voller Sicherheit.

      »Aus dieser Ehe, seht Ihr, stammt Baschka.«

      »Ich erkenne das auch daraus, daß sie in diesem Augenblick mit Ketlings Mörser zielt.«

      Fräulein Drohojowska und der kleine Ritter waren im tiefen Gespräch, und Fräulein Baschka zielte wirklich zum Vergnügen mit dem Mörser in der Richtung des Fensters.

      Frau Makowiezka begann bei diesem Anblick zu zittern und zu kreischen.

      »Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich mit diesem Mädchen leide; der reine Heidemak!«

      »Wenn doch alle Heidemaken so wären — ich ginge bald zu ihnen.«

      »Sie hat nichts im Kopf als Waffen, Pferde, Krieg. Einmal lief sie aus dem Hause zur Jagd auf Enten mit der Flinte. Sie kommt mitten in das Röhricht und sieht, das Röhricht bewegt sich auseinander, und der Kopf eines Tataren taucht auf, der sich durch das Röhricht in das Dorf schleichen wollte. Eine andere wäre erschrocken, aber das Ding, — wie es Euch losschießt, und der Tatar, patsch! ins Wasser auf der Stelle. Denkt Euch, sie hat ihn hingestreckt! Und womit? Mit Entenschrot!«

      Hier begann Frau Makowiezka wieder sich zu schütteln und zu lachen über das Abenteuer mit dem Tataren; dann fügte sie hinzu:

      »Aber was wahr ist: sie hat uns alle gerettet, denn es war eine ganze Schar im Anzuge. Da sie aber zurückkam und Alarm schlug, hatten wir Zeit, mit dem ganzen Gesinde in den Wald zu flüchten. Bei uns geht's immer so.«

      Saglobas Gesicht glänzte in solchem Entzücken, daß er sogar einen Augenblick das Auge schloß; dann sprang er auf, eilte zu dem Mädchen hin und küßte es, ehe es sich's versah, auf die Stirn.

      »Das von einem alten Soldaten für den Tataren im Röhricht!« sagte er.

      Das Mädchen warf kühn seinen blonden Kopf zurück.

      »Was? Ich habe es ihm eingetränkt!« rief es mit seiner frischen Kinderstimme, die so seltsam klang bei dem Inhalt ihrer Worte.

      »Du mein lieber, kleiner Heidemak!« sagte Sagloba gefühlvoll.

      »Aber was bedeutet so ein Tatar! Ihr Herren habt ihrer tausend niedergehauen, und Schweden und Deutsche und die Ungarn Rakoczys! Was bedeute ich neben euch, neben solchen Rittern, die ihresgleichen in der ganzen Republik nicht haben. Ich weiß wohl, oho!«

      »Wir lehren Euch den Degen führen, wenn Ihr solchen Mut habt. Ich bin schon ein wenig schwerfällig; aber Michael, er ist auch ein Meister.«

      Das Mädchen sprang bei diesem Vorschlag in die Höhe, dann küßte es Sagloba auf den Arm, knickste dem kleinen Ritter zu und sagte: »Ich danke für das Versprechen! — ein wenig kann ich's schon.«

      Wolodyjowski aber war im tiefen Gespräch mit Christine Drohojowska; er antwortete daher zerstreut:

      »Wie Ihr befehlt, mein Fräulein.«

      Sagloba setzte sich wieder mit strahlendem Gesicht zur Frau Truchseß.

      »Meine liebe gnädige Frau,« sagte er, »ich weiß sehr wohl, wie süß türkische Früchte sind, denn ich habe lange Jahre in Stambul gehaust; aber auch das weiß ich, daß es viele gibt, die ihrer begehren. Wie kommt es, daß noch niemand dieses Mädchen begehrt hat?«

      »Du lieber Gott, es gibt die Menge, die beiden den Hof machten. Baschka nennen wir im Scherz die Witwe von drei Männern, denn drei würdige Kavaliere haben gleichzeitig um sie gefreit, alles Edelleute aus unserer Gegend, Besitzer, deren verwandtschaftliche Beziehungen ich Euch auch ganz genau nennen kann.«

      Bei diesen Worten breitete die Frau Truchseß wieder die Finger ihrer linken Hand aus und legte den Zeigefinger der Rechten an. Sagloba aber fragte so schnell als möglich:

      »Und was ist aus ihnen geworden?«

      »Alle drei haben im Kriege ihr Leben gelassen, deshalb nennen wir Bärbchen auch die Witwe.«

      »Seht, das ist bei uns etwas Alltägliches, und selten erreicht jemand bei uns ein hohes Alter und stirbt eines natürlichen Todes. Man sagt sogar, es zieme einem Edelmann gar nicht anders, als auf dem Schlachtfelde zu sterben. Wie Bärbchen das ertragen hat?«

      »Sie hat ein wenig geweint, die Arme, am meisten im Stall, denn wenn sie etwas quält, so pflegt sie immer in den Stall zu gehen. Ich ging ihr also einmal nach und fragte: »Wem gelten deine Tränen?« und sie antwortete: »Allen dreien.« Aus der Antwort konnte ich bald merken, daß ihr keiner besonders ans Herz gewachsen war. Und so denke ich auch, da ihr Kopf noch mit anderen Dingen voll ist, fühlt sie noch gar nicht den Willen Gottes. Christine schon mehr, aber Bärbchen nicht im entferntesten.«

      »Sie wird ihn fühlen,« sagte Sagloba, »wir verstehen das am besten; sie wird ihn fühlen, sie wird ihn fühlen!«

      »Das ist unsere Bestimmung,« antwortete die Frau Truchseß.

      »Das eben ist es, Ihr habt mir diese Worte aus dem Munde genommen!«

      Das weitere Gespräch unterbrach die Annäherung der jüngeren Gesellschaft. Der kleine Ritter hatte schon alle Verlegenheit Christinen gegenüber abgelegt, und sie beschäftigte sich offenbar aus Herzensgüte mit ihm und mit seinem Leide, wie ein Arzt sich mit einem Kranken beschäftigt, und vielleicht erwies sie ihm gerade darum mehr Freundlichkeit, als ihre kurze Bekanntschaft sonst gestattet hätte. Da aber Michael ein Bruder der Frau Truchseß war, und das Mädchen eine Verwandte ihres Mannes, so wunderte das niemand. Bärbchen indessen blieb gewissermaßen beiseite, nur Sagloba schenkte ihr seine beständige Aufmerksamkeit; im übrigen schien ihr das alles gleichgültig zu sein, ob sich jemand mit ihr beschäftige oder nicht. Anfangs betrachtete sie beide Ritter mit Bewunderung; aber mit gleicher Bewunderung betrachtete sie auch Ketlings prächtige Waffen, die an den Wänden herumhingen. Dann begann