ob einer unerwarteten Beobachtung ein Schrecken durchfährt.
Sissi (deutet auf den Tunnel oberhalb des Flusses)
Du lieber Gott! Josef, hast du das gesehen?
Josef Bratfisch (lacht beschwichtigend)
Aber sicher! Das ist unsere „U-Bahn“, genauer gesagt ist das die Linie U4, die da gerade an uns vorbeigesaust is’.
Sissi (legt eine Hand auf ihren Brustkorb)
Da bleibt einem ja das Herz stehen!
Josef Bratfisch (versucht die Kaiserin zu beruhigen)
Da brauchst dich nicht zu erschrecken, Sissi. Die U-Bahn is so ähnlich, wie früher die Wiener Stadtbahn, nur halt ein bisserl schneller
Sissi, die sich vom anfänglichen Schrecken erholt hat, wendet sich wieder dem lachenden und zwinkernden Kutscher zu.
Sissi
Und, wo führst mich nun hin, lieber Josef?
Josef Bratfisch
Wir sind schon da! Brrrrrrr!
Na Sissi, erkennst du schon wo wir sind?
Sissi (sieht sich erfreut um)
Wie könnt ich den guten alten Naschmarkt vergessen! Aber ich geb zu, es schaut hier ein bisserl anders aus, als ich es in Erinnerung habe.
Der Fiaker lächelt zustimmend, steigt mit einem Satz vom Kutschbock herunter und hält der Kaiserin seine Hand galant zum Aussteigen hin.
Als die beiden vor der U-Bahn Station Kettenbrückengasse am Beginn des Naschmarktes stehen, kann Sissi ihren Blick vor Begeisterung nicht von den umliegenden Häusern abwenden.
Sissi
Sag Josef, was sind das hier für wunderschöne Hausfassaden?
Josef Bratfisch (folgt dem Blick der Kaiserin)
Aja! Das sind die sogenannten „Wienzeilenhäuser“ von Otto Wagner. Die sind ein bisserl nach deiner Zeit gebaut worden und sind sehr bekannt wegen der Wiener Jugendstilarchitektur.
Sissi
Oh, aber an den Herrn Wagner kann ich mich schon noch erinnern. Seine Pläne waren sehr vielversprechend. Und wie ich seh’, hat er einiges davon umgesetzt.
Josef Bratfisch nickt und deutet auf ein Gebäude nur wenige Meter von ihnen entfernt.
Josef Bratfisch
Heute gilt der gute Wagner als einer der bedeutendsten österreichischen Architekten. Sind auch wirklich schön seine Häuser! Schau Sissi, da vorn steht zum Beispiel das berühmte Majolikahaus.
Bewundernd folgt Sissi den Ausführungen des Fiakers und betrachtet interessiert die Werke des berühmten Architekten, als sie plötzlich hinter sich eine laute, weibliche Stimme vernehmen: „Spüst du wieda Reiseführer, Josef?“
Als die beiden sich umdrehen, steht ihnen eine ältere, rundlich gebaute Frau in einem einfachen, altmodischen Arbeitskleid mit einer Schürze darüber und einem Kopftuch, das sie unter ihrem Kinn zusammengebunden hat, gegenüber.
Josef Bratfisch (freudig überrascht)
Des Sopherl vom Nachmarkt! Dich hab ich ja scho’ lang nimmer gesehen! Was machst denn hier?
Sopherl
Na was glaubst denn was i hier moch? Ich muss doch mei Ware verkaufen oder glaubst, des mocht sich von alan?
Josef Bratfisch
Sopherl, du hast dich kein bisserl verändert. Bist immer noch eine hantige Standlerin, aber eine mit einem goldenen Herzal.
Der Standinhaberin huscht ein Lächeln übers Gesicht und lässt damit erahnen, dass sich die Worte des Kutschers bewahrheiten. Als die beiden sich aus einer freundschaftlichen Umarmung lösen, fallen Sopherls Augen auf die feine Gesellschaft, in der sie sich befindet.
Sopherl
Geh Josef! Sei a Kavalier und stell ma die Dame vor!
Josef Bratfisch
Aber Sopherl, erkennst du net die Kai…
Da wird er von Sissi unterbrochen, als diese der Marktfrau freundlich gegenübertritt, ihr selbstbewusst die Hand entgegenstreckt und somit verhindert, dass der Kutscher einerseits die Verkäuferin ob ihrer Unwissenheit bloßstellt und andererseits, um ihn davon abzuhalten erneut in eine Aufzählung ihrer vielen Titel zu verfallen.
Sissi (mit einem kindlichen Lächeln)
Ich bin die Sissi.
Sopherl
So a liabs Madl! Servus Sissi!
Sissi wirft dem Kutscher einen zufriedenen Blick zu und bringt ihre Freude zum Ausdruck, unerkannt geblieben zu sein.
Sissi
Liebe Frau Sopherl, erzählen’s mir doch bitte mehr über den Naschmarkt.
Sopherl
Oh mei liabs Kind, übern Naschmarkt gibt’s so viel zum dazähln. Und auch mi gibt’s scho so lang da. Jeden Tag, bei jedem Wetter bin ich bei meim Standl gwesn und hab Obst, Gemüse und Kräuter verkauft. Des war i g’wöhnt und des macht mir a Freud, drum bin i immer no da.
Wir Standlerinnen sind damals sogar richtig berühmt gwordn. Der Vinzenz Chiavacci, a Dichter und Redakteur, hat hunderte Male über mich in der Zeitung g’schriebn. Und so kennt man mi heut’ noch, als des „Sopherl vom Naschmarkt“.
Sissi und der Fiaker lauschen aufmerksam den Erinnerungen der Marktfrau und beobachten gleichzeitig die Menschenmengen, die vom und auf den Naschmarkt strömen. Erst jetzt scheinen sie die vielen wohlriechenden Düfte und Aromen wahrzunehmen, die ihnen von den Ständen aus in die Nase steigen.
Sissi (sehr interessiert)
Sagen’s, Frau Sopherl, hat sich viel verändert hier am Naschmarkt?
Sopherl (lacht wissend)
Oh und wie! Und guat is so. Warad ja a Schand, wenn alles so blieb, wie’s einmal war. Heut’ gibt’s immer no die heimischen Bauern mit an guaten Käs’, ihrem Obst und Gemüse. Und zusätzlich find’ man jetzt Standln aus vielen andren Nationen. Asiaten, Inder, Türken und andre orientalische Länder. Simmer froh, dass es so is. Am Naschmarkt, da kommt’ halt die Welt zam.
Begeistert von der