Eigentümlichkeit der Frau ist, insofern sie ein Weib, nicht insofern sie ein Mensch ist. Wenn es aber gar keinen Unterschied zwischen Mann und Weib gäbe, so würden beide dasselbe tun und erleiden.2448
60.
1. Insofern also das Weib das nämliche ist wie der Mann, nämlich soweit es auf die Seele ankommt, insofern wird es auch zu der gleichen Tugend gelangen. Insofern das Weib aber etwas vom Mann Verschiedenes ist, nämlich hinsichtlich der Eigentümlichkeit des Körpers, wird es zur Schwangerschaft und zur Verwaltung des Hauswesens bestimmt sein.
2. „Denn ich will“, sagt der Apostel, „daß ihr wisset, daß das Haupt eines jeden Mannes Christus ist, das Haupt des Weibes aber der Mann;2449 denn der Mann stammt nicht vom Weibe, sondern das Weib vom Mann.2450 Indes ist weder ein Weib etwas ohne den Mann noch ein Mann etwas ohne das Weib in dem Herrn.“2451
3. Denn wie wir behaupten, daß der Mann sittsam und über seine Lüste Herr sein soll, so verlangen wir doch auch, daß das Weib ebenfalls sittsam und darauf bedacht sein soll, gegen die Lüste anzukämpfen.2452
4. „Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Begierde des Fleisches nicht erfüllen!“2453 So rät das Gebot des Apostels. „Denn die Begierde des Fleisches richtet sich gegen den Geist und die des Geistes gegen das Fleisch. Diese liegen also im Streit miteinander“,2454 nicht wie das Böse mit dem Guten, sondern als solche, deren Kampf Nutzen bringt.
61.
1. Er fügt wenigstens hinzu: „Damit ihr das nicht tut, was ihr wollt.“2455 „Offenkundig sind aber die Werke des Fleisches, als da sind Unzucht, Unreinigkeit, Zügellosigkeit, Götzendienst, Zaubereien, Feindseligkeiten, Streitigkeiten, Handlungen der Eifersucht, Zornausbrüche, Zänkereien, Zwistigkeiten, Spaltungen, Äußerungen des Neides, Saufgelage, Schmausereien und ähnliches derart. Von dem allen sage ich euch vorher, wie ich es euch schon früher sagte, daß, wer sich Derartigem hingibt, das Reich Gottes nicht ererben wird. Die Frucht des Geistes dagegen ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Enthaltsamkeit, Güte, Treue, Sanftmut.“2456 Dabei hat er, meine ich, mit „Fleisch“ die Sünder, mit „Geist“ die Gerechten bezeichnet.
2. Indessen müssen wir auch Mannhaftigkeit bewähren, wenn es gilt, die Gemütsruhe zu wahren und die Fähigkeit zum Ertragen zu zeigen, so daß wir dem, der uns auf den Backen schlägt, auch den anderen hinhalten und dem, der uns den Mantel nimmt, auch den Rock überlassen,2457 indem wir die Neigung zum Zorn kraftvoll beherrschen.
3. Denn wir wollen die Frauen nicht zu einer Art von Amazonen erziehen, die im Krieg tapfer wie Männer kämpften, da wir doch sogar bei den Männern wünschen, daß sie friedfertig sind.
62.
1. Freilich ziehen auch bei den Sauromaten, wie ich höre, die Frauen ebenso wie die Männer in den Krieg2458 und ebenso auch die Frauen bei den Sakern, die sich stellen, als wollten sie fliehen, und dann mit ihren Pfeilen nach rückwärts schießen, genau so wie die Männer.
2. Auch von den in der Nähe Iberiens wohnenden Frauen weiß ich, daß sie Arbeiten und Geschäfte verrichten, die eigentlich den Männern zustehen; und wenn die Zeit der Niederkunft kommt, so unterbrechen sie die notwendigen Arbeiten nicht, sondern die Frau bringt oft mitten im Drang der Arbeit ihr Kind zur Welt, nimmt es auf und trägt es nach Hause.2459
3. Es hüten ja auch Hündinnen nicht schlechter als Rüden das Haus oder helfen bei der Jagd oder hüten die Herden.2460 "Gorgo, die kretische Hündin, verfolgte die Fährte des Hirsches.“2461
4. Darum sollen auch die Frauen ebenso wie die Männer Philosophie treiben,2462 wenn auch die Männer ihnen überlegen sind und in allen Dingen den Vorrang einnehmen, außer wenn sie verweichlicht sind.
63.
1. Unentbehrlich ist also für das ganze Menschengeschlecht Zucht und Tugend, wenn anders es zur Seligkeit gelangen will.
2. Und vielleicht hat Euripides mit seinen verschiedenartigen Äußerungen nicht unrecht, wenn er das eine Mal schreibt: „Denn hinter dem Mann steht die Frau stets zurück, Wenn der Schlechteste selbst Mit der edelsten Frau sich vermählt hat.“2463
3. und das andere Mal: „Jede Frau, die sittsam lebet, ist doch Sklavin ihres Manns; Ist sie sittsam nicht, an Torheit übertrifft sie den Gemahl.“2464
4.„Nichts fürwahr ist ja besser und schöner, Als wenn einigen Sinnes ihr Haus in Frieden verwalten Gatte und Gattin vereint.“2465
5. Haupt nun ist das, was die Leitung hat. Wenn aber „der Herr Haupt des Mannes, Haupt des Weibes aber der Mann ist“,2466 so ist der Mann Herr des Weibes, weil er „Ebenbild und Abglanz Gottes“2467 ist.
64.
1. Deshalb schreibt der Apostel auch in dem Brief an die Ephesier: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Gottes! Die Frauen sollen ihren Männern untertan sein wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau wie auch Christus das Haupt der Kirche, er, der der Erretter seines Leibes ist. Wie aber die Kirche Christus untertan ist, so sollen es auch die Frauen ihren Männern in jeder Beziehung sein.
2. Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt hat; so sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst; denn es hat ja doch noch nie jemand sein eigenes Fleisch gehaßt.“2468
65.
1. Und in dem Brief an die Kolosser sagt der Apostel; „Ihr Frauen, seid euren Männern untertan, wie es sich im Herrn geziemt! Ihr Männer, liebt eure Frauen und laßt euch gegen sie nicht erbittern! Ihr Kindern, seid euren Eltern in allen Stücken gehorsam! Denn das ist dem Herrn wohlgefällig. Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden!
2. Ihr Knechte, seid euren irdischen Herren in allen Dingen gehorsam, nicht mit Augendienerei wie Leute, die den Menschen zu gefallen suchen, sondern in Herzenseinfalt aus Furcht vor dem Herrn! Und alles, was ihr nur immer tut, das verrichtet mit willigem Herzen, als wäret ihr Knechte des Herrn und nicht von Menschen, da ihr ja wißt, daß ihr vom Herrn das Erbteil als Vergeltung empfangen werdet! Denn ihr dient ja als Knechte dem Herrn Christus; denn wer Unrecht tut, wird den Lohn für das empfangen, was er Unrecht getan hat, und es gibt dabei kein Ansehen der Person.
3. Ihr Herren, gewährt euren Knechten, was recht und billig ist, da ihr ja wißt, daß auch ihr einen Herrn im Himmel habt!“2469
4. „Dort gibt es nicht Griechen und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Barbaren und Skythen, Knechte und Freie, sondern alles und in allen Christus.“2470
66.
1. Ein Abbild der himmlischen Kirche ist aber die irdische; darum bitten wir ja, daß der Wille Gottes auch auf der Erde wie im Himmel geschehe.2471
2. „Zieht also an herzliches Erbarmen, Gütigkeit, Demut, Sanftmut und Geduld! Vertraget einander und verzeiht einander, wenn einer eine Beschwerde gegen einen anderen hat! Wie Christus uns vergeben hat, so wollen auch wir es tun!
3. Über dem allem aber steht die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist. Und der Friede Christi soll in euren Herzen regieren, zu dem ihr auch in einem Leibe berufen seid, und werdet dankbar!“2472
4. Denn nichts kann uns davon abhalten, oft das nämliche Schriftwort anzuführen, um damit einen Eindruck auf Marcion zu machen, ob er sich vielleicht überzeugen läßt und sich dann bekehrt, wenn er eingesehen hat, daß der Gläubige Gott, dem Weltschöpfer, dankbar sein muß, ihm, der uns berufen und uns die frohe Botschaft in irdischer Gestalt verkündet hat.