des Profit-First-Systems. Eines der Instrumente von Profit First ist das Instant Assessment: eine Möglichkeit, rasch die finanzielle Gesundheit Deines Unternehmens auszuloten. Als ich das Instant Assessment an einem Freiwilligen vorführte, verstand jeder im Raum sofort, wie das Profit-First-System funktioniert.
Sämtliche CreativeLive-Präsentationen werden auch zeitgleich online gestreamt, und achttausend Zuschauer waren online dabei. Aus aller Welt erreichten uns Tweets und Kommentare. Weil das Instant Assessment so schnell und einfach ist, war ich nicht völlig überrascht, dass viele Kommentare der Online-Zuschauer sich darum drehten, dass sie ihre Unternehmen direkt evaluiert hatten. Unternehmer, Geschäftsführer, Freiberufler und Selbstständige – alle erzählten, wie froh sie über diese einfache Methode waren. Als wäre allen plötzlich und umfassend die Finanz-Seite ihrer Firmen klar geworden und als hätte dies zu einer unmittelbar wirkenden Dosis finanziellen Selbstvertrauens geführt.
Und dann kam Debbie während der Pause und sagte: „Können wir mein Unternehmen evaluieren?“
„Klar“, sagte ich. „Dauert nur ein, zwei Minuten.“
[12] Einen Stift im Mund und umgeben von Menschen, die überall um uns herumwuselten, gingen wir sofort das Instant Assessment durch, als seien wir in einer eigenen Welt. Ich kritzelte ihren Jahresumsatz auf das Flipchart. Wir berechneten die Prozente. Debbie sah auf die Ergebnisse und begann, gar bitterlich zu weinen. Sie konnte es nicht ertragen zu sehen, wo sie stand und wo sie laut Instant Assessment hätte stehen sollen.
„Ich bin so ein Idiot“, sagte sie, und Tränen rannen über ihr Gesicht. „Alles, was ich die letzten zehn Jahre gemacht habe, war falsch. Ich bin so blöd. Ich bin so ein Idiot. Ich bin ein Idiot.“
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich immer mitweinen muss. Wenn jemand zu weinen beginnt, fange ich sofort an mitzuheulen. Kaum begann Debbie zu weinen, kamen auch mir die Tränen, und der Stift fiel mir aus dem Mund. Ich legte den Arm um Debbie, um sie zu trösten.
Seit zehn Jahren engagiert sich Debbie mit Leib und Seele für ihr Unternehmen. Sie hatte alles gegeben, ihr Privatleben geopfert, um ihren Laden in Schwung zu bringen, und doch hatte sie nach alldem nicht einen müden Penny vorzuweisen (und kein erfolgreiches Unternehmen). Natürlich hatte sie die ganze Zeit über gewusst, wie es um ihr Unternehmen bestellt war, doch hatte sie beschlossen, dieser Wahrheit auszuweichen und die Augen davor zu verschließen.
Deine Nase tief in die alltägliche Arbeit zu stecken, ist eine recht einfache Methode, zu verschleiern, wie schlecht es Deiner Firma geht. Wir denken, dass wir nur härter, länger, besser arbeiten müssen – wenn wir nur durchhalten –, dann wird eines Tages etwas Gutes passieren. Irgendetwas Großes wird passieren, oder? Irgendwas Magisches wird die Schulden verschwinden lassen, die Geldsorgen und den Stress. Das haben wir schließlich verdient, oder? Sollten nicht alle Geschichten so enden?
Liebe Freunde, so läuft das leider nur im Film – im richtigen Leben läuft das anders.
Als Debbie das Instant Assessment durchlief, blieb ihr nichts anderes übrig, als der Wahrheit ins Gesicht zu schauen: Ihr Unternehmen war kurz davor unterzugehen – die letzten zehn Jahre waren der Kampf gewesen, irgendwie über Wasser zu bleiben –, und es war dabei, sie mit in den Untergang zu reißen. Sie sagte wieder und wieder: „Ich Idiot, ich Idiot.“
[13] Ihre Worte trafen mich zutiefst, denn ich wusste, was sie durchmachte. Ich verstand haargenau, wie sich das anfühlt, die nackte Wahrheit über mein Unternehmen, mein Bankkonto, meine Strategien und meinen hart erkämpften Erfolg anzuerkennen.
Ich habe Profit First ursprünglich entwickelt, um meine eigenen Finanzprobleme zu lösen. Es funktionierte. Eigentlich tat es weit mehr, als zu funktionieren: Es wirkte Wunder. Jahre des Kampfes und finanzieller Probleme lösten sich auf – nicht über Nacht, sondern innerhalb von Stunden. Ich fragte mich, ob Profit First bloß bei mir und meinem verdrehten Hirn funktionierte oder ob es auch anderen helfen könnte.
Also probierte ich es mit einem anderen Unternehmen aus, bei dem ich Miteigentümer war, einer kleinen Ledermanufaktur in St. Louis. Es funktionierte. Ich testete es bei anderen Unternehmen, großen und kleinen. Es funktionierte. Ich schreibe darüber in meinem ersten Buch, in einem kurzen Abschnitt, den man leicht übersieht in einem kurzen, leicht zu übersehenden Abschnitt im „Klopapier-Unternehmer“. Und dann passierte etwas: Ich bekam E-Mails von anderen Unternehmern, die erzählten, dass sie es ausprobiert und Ergebnisse damit erzielt hatten. Ich schrieb darüber im Wall Street Journal und mehr Erfolgsgeschichten erreichten mich.
Nachdem ich mein zweites Buch geschrieben hatte, den „Pumpkin Plan“, nahm ich das Profit-First-System in meine Vorträge mit auf. Nachdem ich Debbie bei diesem CreativeLive-Event getroffen hatte, wurde mir klar, dass Unternehmer mehr brauchten, als bloß einen Abschnitt oder ein Kapitel zum Thema. Zu viele Unternehmenslenker lebten und arbeiteten als gequälte Sklaven ihres eigenen Unternehmens. Wenn ich einen wirklichen Unterschied machen wollte, um den Debbies (und Mikes) dieser Welt zu helfen, wusste ich, dann musste ich ein Buch über Profit First schreiben.
Profit First wurde im englischen Original das erste Mal 2014 veröffentlicht, und seither haben Zehntausende Unternehmer dieses System bei sich eingeführt und ihre Unternehmen transformiert. Sie produzieren nun nicht nur ordentliche Gewinn: Ihre Unternehmen wachsen so richtig. Zwei Fliegen, eine Klappe.
Während ich die aktualisierte Ausgabe dieses Buches verfasse, bin ich rund zwölftausend Meter über Pennsylvania oder Texas oder vielleicht ist es auch Russland. Ich reise so viel dieser Tage, dass ich mich darauf verlasse, dass der Pilot mir sagt, wo ich bin. Meine [14] Mitreisenden schauen sich Filme an, die sie bereits viermal gesehen haben, erledigen ihre Arbeit oder gönnen ihren Augen eine Pause, gepaart mit offenem Mund und gelegentlichen Schnarchern. Ein paar schauen aus dem Fenster auf die Wolken unter uns. Ich? Ich denke an all die Unternehmen, über die wir gerade hinwegfliegen. In jeder beliebigen Sekunde müssen Tausende von Unternehmen unter uns sein.
Die Small Business Administration (SBA), eine US-Behörde, die für kleine und mittlere Unternehmen zuständig ist, gibt an, dass es allein in den USA 28 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gibt. Die SBA definiert KMU als Firmen, die 25 Millionen US-Dollar oder weniger an Jahresumsatz generieren. Das schließt mein Unternehmen ein, und ich vermute, das schließt auch Dein Unternehmen ein. Mann, ey, das schließt sogar Justin Biebers Unternehmen ein (sein „Kleinunternehmen“ generierte im vergangenen Jahr lediglich 18 Millionen US-Dollar an Musikeinnahmen). Also, das sind 28 Millionen von uns Unternehmer-„Freaks“ allein in den USA. Wenn wir uns das ganze Ausmaß unserer globalen Unternehmerfamilie anschauen, dann sehen wir, dass die Zahl der Kleinunternehmen die 125-Millionen-Grenze überschreitet.1 Das sind eine Menge Unternehmer, eine Menge Leute mit Herz, Hirn und Entschlossenheit, die beschlossen haben, dass sie der Welt etwas Wertvolles anzubieten haben, und die losgezogen sind, etwas daraus zu machen.
Das bist Du, mein Freund, ein Unternehmer. Du bist vielleicht in der frühen Start-up-Phase, Deine Pläne und Träume hast Du auf einer Cocktail-Serviette notiert (oder einem Stück Klopapier – Du weißt, wen ich meine, meine KPU-Fans!). Wenn Du gerade erst anfängst, dann sind das Deine Requisiten. Du wirst Dich von Tag Eins an darauf konzentrieren können, Gewinn zu erwirtschaften, was Deine geistige Gesundheit, Dein Bankkonto und Deinen Hintern retten wird.
Vielleicht hast Du ein Unternehmen aufgebaut oder Du führst eines. Vielleicht hast Du die erste Auflage meines Buches gelesen und möchtest Dein Profit-First-System einen Gang höher schalten. Unabhängig von Deinem unternehmerischen Status, bist Du quasi jemand, der Wunder wirkt. Du kannst Ideen in Wirklichkeit verwandeln. [15] Du findest Kunden, Du produzierst etwas für sie, Du erbringst eine Dienstleistung für sie und sie bezahlen Dich dafür. Du verkaufst weiter, Du lieferst weiter, Du managst das Geld weiter. Wir alle sind clevere, engagierte Leute. Wirklich clever. Wirklich engagiert. Aber es gibt da ein wirklich verdammt nerviges Problem: Acht von zehn Unternehmen scheitern, und der Hauptgrund für ihr Scheitern ist fehlende Rentabilität. Der Babson-College-Bericht besagt: „Fehlende Rentabilität ist dauerhaft der Hauptgrund, der für eine Betriebsaufgabe angegeben wird.“2 Bist Du überrascht? Vermutlich nicht. Ich war es nicht. Es ist wahr, und es verleitet mich dazu, meine Sorgen in Margaritaville zu