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aus seinem Bericht:

      »Was Oberst Chivington betrifft … Er plante und vollzog absichtlich ein widerliches und heimtückisches Massaker, das selbst für den Schlimmsten unter den Wilden, welche zu Opfern seiner Grausamkeit wurden, eine Schande gewesen wäre. Obwohl er ihre friedlichen Absichten genau kannte und bis zu einem gewissen Grad auch selbst dafür verantwortlich war, dass sie sich in Sicherheit wähnten, nutzte er ihre Sorglosigkeit und wehrlose Situation aus, um die schrecklichsten Neigungen zu befriedigen, die je das Herz eines Menschen zerfressen haben.«2

      Oberst Chivingtons Dienstzeit beim Militär endete, bevor man ihn zur Verantwortung ziehen konnte. John Evans verlor seinen Staatsposten als Gouverneur von Colorado.3

      Der Verkehr auf dem Highway brachte mich wieder zurück zu dem, was ich im Büroraum der Rezeption gesehen hatte. Weil es die Nacht meiner jedes Jahr stattfindenden »Neuweihe meines Lebens und meines Geistes« war, hatte ich mich ins Auto gesetzt und war nun unterwegs, ich wusste selbst nicht so genau, wohin. Da tauchte neben mir, in eine Decke gehüllt, ein älterer indianischer Mann auf. Er war eine Geisterscheinung, so viel wusste ich – doch der Mann sprach ganz sanft und erklärte mir, wohin ich fahren musste, um zur Zeremonie zu gelangen. Wir fuhren den Berg hinauf, zweigten von der Straße ab, und dann ging es steil hoch ins Dunkel des Waldes. Er wies mich an, wo ich abbiegen musste, denn ich konnte lediglich den schmalen Pfad erkennen, den die Lichter meiner Scheinwerfer aufblitzen ließen. Plötzlich sagte er, ich solle anhalten. Ich fand mich am Rand einer Felszunge wieder, mit Blick über einen ausgedehnten See.

      Ich zog meine Pfeife hervor, weil ich beten wollte, doch ich erhielt die Anweisung, sie nicht zu rauchen. Der schwarze See vor mir war spiegelglatt und reflektierte das Licht von Millionen von Sternen. Tatsächlich konnte ich nicht erkennen, wo der See endete und der Himmel begann. Überwältigt von seiner Pracht, hörte ich einmal mehr, wie die Stimme in meinem Geist sagte: »Du und andere, ihr seid noch viel gewaltiger als all die Sterne, die du heute Nacht siehst. Ihr habt es nur vergessen, doch nun ist es an der Zeit, euch wieder daran zu erinnern. Bringe die Skalpe zurück nach Sand Creek und lasse ihnen eine ehrenhafte Bestattung zukommen. Bete für jene, die sie umgebracht haben, genauso wie für die Ermordeten. Wenn du all das erledigt hast, kannst du deine Pfeife rauchen!«

      In dieser Nacht saß ich noch lange und blickte in das Sternenfeld vor und über mir und dachte über die Worte nach. Mein Geist-Gefährte war verschwunden, trotzdem fand ich irgendwie meinen Weg zurück hinunter über den Bergpfad.

      Am Morgen ging ich in das Motel, an der Empfangstheke stieß ich auf Bob, den Besitzer. Er war ein Hüne im Holzfällerhemd, trug rote Hosenträger, schob eine riesige Wampe vor sich her und hatte ziemlich abgewetzte Jeans. Ich fragte ihn nach den Skalpen, und er erzählte mir, dass sein Urgroßvater in der Schlacht gekämpft hatte.

      Mit ruhiger Stimme sagte ich ihm: »Das war keine Schlacht, mein Freund, das war ein Massaker.«

      Dann erzählte er mir, dass man ihm für die Skalpe ein Wohnmobil geboten habe, er habe es jedoch ausgeschlagen. Als er am Saum des alten Köchers herumfummelte, sprach er beinahe wie zu sich selbst, dass er ihn irgendwann mal reparieren müsse.

      Ich hörte ihm zu, berührte sanft seinen Arm und meinte: »Bob, die Zeit ist jetzt gekommen, dass sie nach Hause zurückkehren!«

      Er wandte sich langsam mit tränenfeuchten Augen zu mir um. »Ich habe niemals an dieses Töten geglaubt. Wenn ich noch mal wiederkommen könnte, wäre ich ein Indianer und wild und frei, lange bevor der weiße Mann auf der Bildfläche erschiene.« Er legt die Skalpe in meine Hände und ging weg.

      Es waren zwei Stück, jeder ungefähr 30 Zentimeter lang, sie waren mit dünnen rosa Fäden zusammengenäht. Ich stand mit den Skalpen da und fühlte sie mit meiner Seele. Mir strömten die Tränen nur so über die Wangen.

      Ich wickelte sie in ein rotes Tuch und verknotete das Bündel mit Schleifen in den Farben der Vier Heiligen Richtungen. Sobald ich nach Denver zurückgekehrt war, rief ich das Oberhaupt meiner Native American Church an, und er seinerseits kontaktierte eine Lakota-Älteste, die mir bei meinem Unterfangen helfen sollte. Wir fragten auch bei Angehörigen vom Stamm der Cheyenne und Arapaho nach, ob sie gerne teilnehmen würden, bekamen aber keine Antwort.

      In einer Schwitzhütte hielten wir eine Reinigungszeremonie ab, erwarben die Genehmigung für die Begräbnisfeier in Sand Creek und luden auch Angehörige anderer Stämme ein, uns bei dieser zu begleiten. Die Geschenke (Opfergaben für die Teilnehmer) wurden ausgewählt und Tobacco-Ties – kleine, mit Tabak gefüllte Gebetsbeutelchen – vorbereitet. In jeder Nacht, mit dem heiligen Bündel von Skalpen auf meinem Altar, sang ich für sie meine Lieder. Ich kannte keine Cheyenne- oder Arapaho-Weisen, aber ich sang alle Lieder, die mir in den Kopf kamen, und hoffte, sie würden meine Absichten spüren.

      Als wir in Sand Creek unser Camp für die Begräbnisfeier aufschlugen, gingen einige der Männer in der Umgebung spazieren, doch sie waren schnell wieder zurück und erzählten, sie hätten die Geräusche eines Indianercamps vernommen, fast so, als würde das Zeltdorf noch immer existieren. In der Dämmerung, als wir mit der Feier begannen, flogen zwei Vögel über unsere Gruppe hinweg. Zwar drehten sie keine Kreise, aber sie schwebten während der gesamten Zeremonie einfach in der Luft. Als die Lieder zu Ende gesungen, die Gebete gesprochen und die traditionellen Speisen geopfert worden waren, flogen sie davon. Wir hatten alles so gut erledigt, wie wir es eben konnten.

      Ich erzähle diese Geschichte, weil wir wieder einmal an einem Punkt angelangt sind, wo so viele die Liebenswürdigkeit, die Würde und den Respekt vergessen haben, die alle unsere Beziehungen verdienen.

      Einer der höchsten Werte meines Stammes ist die Tapferkeit, welche man als Integrität im Angesicht des Feindes bezeichnet. Hat sich der Kreis nun wieder geschlossen? Heutzutage kann »ein guter Mensch« sich ganz leicht mit anderen über das Internet und andere Medien verbinden, um Ideen miteinander zu teilen, Veränderungsvorschläge einzubringen, Menschen mit konträren Ansichten zuzuhören und Lösungen zu finden, die so neu sind wie die herausfordernden Situationen, denen wir gegenüberstehen.

      Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Geisterwelt und die physische Welt nicht bloß Konzepte sind, sondern Realität. Die Geisterwelt existiert, um uns beizustehen und uns zu helfen, wenn wir mit reinem Herzen unsere Gebete sprechen. Alle Geister – die der Opfer und die der Täter – können sich unserer Gebete bedienen. Gebete machen schlechte Taten nicht ungeschehen; die Täter sind nach wie vor für ihre Taten verantwortlich. Aber wir beten in Liebe und Vertrauen für alle, die in diesem Leben unterwegs sind.

      Aus unseren frühesten Lehren wissen wir, dass wir Menschen der vierten Welt angehören. Die erste Welt war die Schöpfung der Elemente (Wind, Wasser, Luft und Feuer) und der Sternennationen. Die zweite Welt umfasste das Land und die Ozeane, die Gebirge, und alles, was die Erde bedeckte. Die dritte Welt brachte alle Tiere hervor – ob sie sich zu Lande, im Wasser oder in der Luft bewegen – sowie alle übermenschlichen Geschöpfe dieser Welt. Und schließlich, in der vierten Welt, kamen die »Neuen« dazu – wir Menschen.

      All jene aus den Welten vor uns sind unsere Vorfahren und Familie. Wir sehen einen Baum oder einen Fluss nicht als ein Objekt an, sondern als einen Verwandten. Die Sonne nennen wir Großvater und den Mond Großmutter. Auf diese Weise sind wir nicht getrennt voneinander, sondern gehören zueinander, und in dieser Zusammengehörigkeit lieben und sorgen wir für unsere Familie. Wir versuchen nicht, die Erde zu schützen, als wäre sie etwas von uns Getrenntes, denn wir sind selbst Teil der Erde.

      Was Häuptling Seattle (1786–1866) vor über 160 Jahren gesagt hat, trifft auch heute noch zu: »Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Dies wissen wir: Die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Alles ist miteinander verbunden – wie das Blut, das uns alle vereint. Der Mensch knüpft nicht das Gewebe des Lebens. Er ist nur eine Faser darin. Was immer er dem Gewebe antut, das tut er sich selbst an.«4

      Diese Verwandtschaftsbeziehung hilft uns, uns daran zu erinnern, dass jedes Lebewesen eine bedeutungsvolle »Faser« im »Gewebe des Lebens« ist – in der sichtbaren wie in der unsichtbaren Welt; und dass wir einer Realität angehören, die