Alfons Söllner

ad Hannah Arendt - Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft


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       Alfons Söllner

       ad Hannah Arendt Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

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      E-Book (ePub)

      © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

      Alle Rechte vorbehalten.

      Covergestaltung: Christian Wöhrl, Hoisdorf

      Signet: Dorothee Wallner nach Caspar Neher »Europa« (1945)

      ePub:

      ISBN 978-3-86393-575-7

      Auch als gedrucktes Buch erhältlich, ISBN 978-3-86393-117-9

      © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

      Print: ISBN 978-3-86393-117-9

      Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter

       www.europaeischeverlagsanstalt.de

       Inhalt

       Vorwort:

       Anleitung zu einem heterodoxen Klassiker

       „Adieu, la France?“ – Frankreich im Frühwerk von Hannah Arendt

       I.Pariser Exil 1933–1941: Spuren einer Politisierung

       II.Die 1940er Jahre in New York: Frankreich im Windschatten der „jüdischen Politik“

       III.Frankreich im Totalitarismus-Buch von 1951

       IV.Die Menschenrechte als „theoretische Aporie“

       Anmerkungen

       Hannah Arendts Totalitarismus-Buch im Kontext der zeitgenössischen Debatte

       I.Der Kontext der politikwissenschaftlichen Emigration

       II.Von der juristischen zur gesellschaftstheoretischen Konstruktion des Nationalsozialismus – Ernst Fraenkel und Franz L. Neumann

       III.Von der historischen Soziologie zur typologischen Politikwissenschaft – Sigmund Neumann und Carl Joachim Friedrich

       IV.„Die Überflüssigkeit des Menschen“ – Hannah Arendts philosophische Deutung des Totalitarismus

       Anmerkungen

       Wollte Hannah Arendt wirklich ein Marx-Buch schreiben? Vom Totalitarismus-Buch zu „Vita activa“

       Anmerkungen

       Drucknachweise

       Anleitung zu einem heterodoxen Klassiker

      Es ist in der akademischen Sprache heute üblich geworden, ein großes Buch oder ein anderes herausragendes Geistesprodukt aus der näher liegenden Ideengeschichte als „modernen Klassiker“ zu bezeichnen. Dabei wird nicht immer bedacht, dass dieses kaum zu übertreffende Kompliment eigentlich einen ziemlich heftigen Widerspruch einschließt. Auch wenn das Empfinden dafür in immer weitere Ferne zu rücken scheint – nach wie vor gibt es die kanonbildende Tradition, dass „klassisch“ das seit der Antike Geltende, vor allem dessen ästhetisch vollkommene Darstellung ist, während der Ausdruck „modern“ irgendwie das Gegenstück dazu bezeichnet und dieses damit auch abwertet. Noch immer klingt herüber, was einmal die „Querelle des Anciens et des Modernes“ genannt wurde und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der europäischen Geistesgeschichte beinahe omnipräsent war. Kann man mit dieser ausladenden Gedankenfigur einen Zugang auch zu Hannah Arendt finden?

      In der vorliegenden Sammlung von drei Essays wird Hannah Arendt nicht ein weiteres Mal als die große politische Denkerin gefeiert, als die sie vor allem durch „Vita activa“, das „philosophischste“ ihrer Bücher, bekannt geworden ist. Das Ziel des Bändchens ist sowohl bescheidener als auch subjektiver: Der Verfasser möchte an Hannah Arendts erstes Buch von 1951 heranführen und greift dafür auf zwei ältere Aufsätze und einen jüngeren Essay zurück; und er möchte durch ihre leicht modifizierte Neupublikation Rechenschaft darüber geben, warum es für seine Generation, bei aller Faszination durch Hannah Arendts späteren Denkweg, eine Art von Zwang gegeben hat, immer wieder zu dessen Ausgangslage zurückzukehren. Was sagt das über die intellektuellen Fixierungen der Nachgeborenen, zumal derer, die im Umkreis von „1968“ politisch aufgewachsen sind? Für Hannah Arendt selber war das Totalitarismus-Buch von offensichtlicher Bedeutung, es machte sie, wie es oft heißt, „über Nacht berühmt“. Und was die „geistige Situation der Zeit“ betrifft, so lässt sich der bekannte Titel von Karl Jaspers aus den Krisenjahren der Weimarer Republik ohne Umschweife auf die spätere Prominenz seiner ehemaligen Doktorandin ummünzen: ihr publizistischer Erstling steht am Eingangstor der Epoche „nach Hitler“.

      Wenn man also „The Origins of Totalitarianism“ als „modernen Klassiker“ des politischen Denkens bezeichnen möchte – was kann damit gemeint sein? Offensichtlich war es weder das Bekannte oder zeitlos Gültige noch die abgerundete Form der Darstellung, was das Totalitarismus-Buch so sensationell gemacht hat, vielmehr muss man eher vom Gegenteil ausgehen: Dieses Buch hatte nicht nur eine lange Inkubationszeit durchlaufen, bis es 1951 ans Licht der Öffentlichkeit trat, sondern es ließ die Spuren seiner wechselvollen Entstehung noch an seiner Endgestalt deutlich hervortreten, was seiner inneren Geschlossenheit, wie manche Kritiker meinten, eher abträglich war. Dieser Einwand wird im Folgenden aufgenommen und ins Positive gewendet:

      Ist Hannah Arendts Totalitarismus-Buch etwa deswegen ein „moderner Klassiker“ des politischen Denkens geworden, weil sich in ihm intellektuelle und politische Ungleichzeitigkeiten der stärksten Art versammelt haben? Als Jüdin verfolgt und zur Flucht gezwungen, begibt sich eine junge Philosophin auf eine intellektuelle Reise, die sie in ganz unphilosophische Gegenden führt. Den widrigen Umständen zum Trotz geht daraus ein so eigenwilliges wie freistehendes Gedankengebäude hervor, das eines entschieden auszeichnet: es stemmt sich gegen die zeitgeschichtliche Katastrophendynamik. Das Ergebnis der weitläufigen Studien ist ein historisch-philosophischer Zwitter, ein Mammutwerk, das eine Unmenge an historischen Details transportiert, aber auch dezidierte politische Urteile fällt und dafür eine ganz eigene philosophische Sprache erfindet. Dieses Buch schlägt wie ein rätselhafter Meteorit in das Amerika der frühen 1950er Jahre ein, weil es Vergangenheit und Gegenwart auf eine Weise miteinander vermittelt, die so schockierend wie vieldeutig ist.

      Das bedeutet nicht, dass das Totalitarismus-Buch ein Werk ohne Zentrum ist, vielmehr gibt es ein durchgehendes Leitmotiv, das das gesamte Werk durchdringt und auch dort präsent bleibt, wo sich die Erzählung, wie in den ersten