ihr die magische Formel, sie kündigt bei ihrem Geheimdienst und rettet selbst die Welt, während er ihr bewundernd zuschaut.
»No way!«, sagte ich. »Auf gar – keinen – Fall!«
»Aber es ist richtig ordentlich spannend so«, wandte Chris ein.
Spannend auf meine Kosten! Ich hatte keine Lust, in diesem Film den totalen Loser zu geben. Am Anfang ja, okay, schließlich wandelt sich jede gute Hauptfigur und entdeckt ihre wahren Stärken und so weiter. Aber doch nicht am Schluss! »Wenn das so bleibt, kannst du die Hauptrolle jemand anders geben«, sagte ich und schob ebenfalls meinen Spaghettiteller weg.
»Muss das sein, dass er Ella küsst?« Shari sah sehr beunruhigt aus.
»Ich darf ein Killerdelfin sein?«, freute sich Noah währenddessen. »Das ist cool, ich wollte sowieso einen Schurken spielen. Die Guten sind oft total öde.«
»Also, was ist?« Ich beugte mich über den Tisch in Chris’ Richtung, schob mein Gesicht näher an seines heran und setzte einen finsteren Blick auf. Ein kleines bisschen hatte dieser Gangsterstyle wohl auf mich abgefärbt. Eins war klar, Chris hatte das alles mit Absicht gemacht – hatte er noch immer nicht überwunden, dass sich Shari für mich entschieden hatte? Wieso hatte ich nur das mit dem »Gott spielen« gesagt!
»Na gut.« Chris nahm das Tablet, löschte den letzten Absatz und schrieb stattdessen hin: Sie retten zusammen die Welt. »Besser?«
»Ein bisschen«, sagte ich. Leider merkte ich, dass ich inzwischen wirklich Lust hatte, der Star eines Films zu sein. Schlecht! Richtig gut kann man nur verhandeln, wenn einem das Ergebnis egal ist und man bereit ist, die ganze Sache abzublasen, wenn der andere nicht einlenkt. »Hast du Mr García schon gefragt, ob der überhaupt mitmachen will?« Es war ein komisches, aber auch irgendwie gutes Gefühl, dass er meinen Vater spielen sollte.
»Der sagt bestimmt Ja. Wenn er freihat, macht er jeden Spaß mit«, versicherte uns Shari. »Ehrensache, schließlich ist er ein Delfin!«
»Er benimmt sich im Unterricht nur manchmal wie ein Hai – sorry, Tiago«, meinte Noah.
Ich zog eine schreckliche Grimasse in seine Richtung.
Am Nebentisch war Ella gerade dabei zu prahlen, wie toll sie die Hauptrolle spielen würde. Ihre Fans lauschten andächtig und äußerten hin und wieder ein Kompliment. »Du wirst es garantiert super machen«, hörte ich Barry sagen.
»Zeit, auch die weibliche Hauptperson einzuweihen«, raunte Chris, nickte uns zu und ging rüber zum anderen Tischboot, um auch Ella & Co seine Story zu präsentieren. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Ellas Reaktion auf den Inhalt des Films. Keinerlei Protest, was die Lovestory anging. Seltsam. Ich war absolut sicher, dass sie mich nach wie vor nicht ausstehen konnte.
Eins war klar, es würden interessante Dreharbeiten werden – furchtbar interessant.
Plötzlich Playboy
Es ließ mir keine Ruhe, was Wave erzählt hatte. Wir mussten herausfinden, ob jemand von den Schülern sich für kriminelle Machenschaften hatte anheuern lassen! Am Montag, in der ersten Pause nach Mathe und Sei dein Tier, begannen Jasper, Shari und ich mit unseren Nachforschungen. »Ich bin dafür, dass wir uns als Erstes Vincent vornehmen«, meinte ich.
»Meinste diesen Moskito-Wandler aus dem zweiten Schuljahr?«, fragte Jasper.
»Logisch. Solche Insekten sind erstklassige Spione«, sagte ich und Shari nickte – sie erinnerte sich genauso gut wie ich daran, wie er uns bei der Lernexpedition absolut unsichtbar beschattet hatte. »Wahrscheinlich haben schon ein halbes Dutzend dunkle Mächte versucht, ihn auf ihre Seite zu ziehen.«
In der Cafeteria war Vincent nicht, dort fanden wir nur Shelby, die gerade Noemi – oh, mal wieder als Mädchen mit langen schwarzen Locken! – Nachhilfe gab, die beiden beugten sich konzentriert über ein Übungsheft.
Auch in der Eingangshalle, die gleichzeitig als Aula diente und in der viele Leute aus meiner Klasse jetzt chillten, war der Stechmücken-Wandler nicht in Sicht. Stattdessen bemerkten wir Miss Bennett, die ins riesige Aquarium der Eingangshalle starrte – auf eine Stelle, an der überhaupt nichts zu sehen war. Natürlich gab Shari ihrer Neugier nach. »Was ist denn da?«, fragte sie und spähte durch die Glasscheiben.
»Etwas sehr, sehr Niedliches.« Miss Bennett seufzte verzückt. Als sie auf eine bestimmte Stelle deutete, sah ich es auch … dort schwammen die drei kleinen Seepferdchen herum, Linus’ Kinder. Das vierte war ja leider während des Hurrikans eingegangen. »Ich versuche gerade festzustellen, wie viele davon Seawalker sind. Sprechen können die Kleinen leider noch nicht, obwohl sie sehr schnell wachsen.«
Und ob sie schnell wachsen. Stolzgeschwellt schoss Nox heran, flösselte um seine drei Schützlinge herum und rief ihnen zu: Seid vorsichtig mit der Strömung an der Pumpe, die ist stark!
Ein feines Huiiii ertönte, als zwei der Seepferdchen sich von der Strömung durchwirbeln und wegschwemmen ließen. Skeptisch schaute das dritte zu.
»Also ich wette, die beiden gehören zu uns«, sagte ich und deutete auf die winzigen Action-Junkies. »Kannst du sie eigentlich unterscheiden, Nox?«
Natürlich! Empört wandte sich unser Papageifisch-Wandler mir zu und glotzte mich durch die Scheibe an. Das sind Lox und Tox, der etwas Schüchterne ist Mox.
»Hallo, ihr drei Süßen.« Ivy Bennett hauchte ihnen einen Kuss zu, was alle drei Seepferdchen völlig ignorierten.
»Man sieht sich«, meinte Jasper, winkte allen zu und zog mich weiter. »Komm, lass uns endlich Vincent suchen, sonst ist die Pause rum.«
Wir fanden Vincent in einem der Projekträume im ersten Stock, wo er irgendwas am Computer machte. Als er uns kommen hörte, wandte er sich um.
»Hi«, sagte Shari so betont lässig, dass ich an Vincents Stelle sofort misstrauisch geworden wäre. Wurde er auch.
»Wollt ihr an die Computer? Ich hab den einen aber gebucht.« Sein Mundgeruch wehte bis zu mir rüber.
»Nee, nee, alles gut«, sagte Jasper. »Wir wollen nur was fragen.«
»Hast du schon mal übers Geldverdienen nachgedacht?«, fragte Shari ernsthaft.
»Was?« Vincent starrte uns an.
»Na ja, was ich eigentlich fragen wollte, ist, hat dich in letzter Zeit jemand etwas Ungewöhnliches gefragt?«, fügte ich schnell hinzu.
»Ja ihr!«
»Ähm, ja, aber ich meinte, eher jemand von außerhalb der Schule? Zum Beispiel, ob du ihm helfen kannst oder so. Jemand, der wusste, was du in zweiter Gestalt bist.«
»Nein, und es wäre echt super, wenn ihr mich jetzt in Ruhe lassen würdet«, knurrte Vincent und drehte sich wieder zum Monitor. »Ich muss noch was nachschauen für mein Referat nachher.«
»Okay, sorry, und viel Erfolg.« Wir traten den Rückzug an … und liefen Chris in die Arme, der mir ein paar Seiten in die Hand drückte. »Da, deine erste Szene. Lernst du das bitte bis nachher auswendig? Ella hat ihre Szene auch schon bekommen. Drehbeginn ist heute nach der Schule, so gegen drei.«
Neugierig blätterte ich die Seiten durch. Es gab eine Strand-Szene mit mir und zwei Mädchen, dann eine mit Finny als Wahrsagerin.
»Bis heute Nachmittag! Wie soll ich das denn schaffen?«, ächzte ich. »Das ist ganz schön viel!«
»Dein Problem«, sagte Chris. »Und wenn du noch weiter rumjammerst, dann …«
»Schon gut, ich krieg das hin.« Ich wollte die Hauptrolle nicht wieder verlieren.