Seele selbst ist eine innere Gottheit, größer als Mental oder Leben oder Körper. Sie ist etwas, das, wenn es einmal aus der Verfinsterung durch seine Instrumente entlassen ist, sofort einen direkten Kontakt mit dem Göttlichen und dem Selbst und Spirit herstellt.
SRI AUROBINDO (Archives and Research 3:202)
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Das, was man in der Terminologie des Yoga unter „seelisch“ versteht, ist das Element der Seele in der Natur, die reine Seele oder der göttliche Nukleus, der hinter dem Mental, Leben und Körper steht (er ist nicht das Ego), und dessen wir uns nur undeutlich bewusst sind. Er ist ein Teil des Göttlichen, und besteht fort von Leben zu Leben, wobei er die Lebenserfahrung durch seine äußeren Instrumente empfängt. In dem Maße wie diese Erfahrung wächst, offenbart er eine sich entfaltende seelische Persönlichkeit, die immer auf dem Guten und Wahren und Schönen beharrt, und schließlich bereit und stark genug wird, die [menschliche] Natur dem Göttlichen zuzuwenden. Sie kann dann gänzlich hervortreten und den mentalen, vitalen und physischen Schirm durchbrechen, die Instinkte beherrschen und die Menschennatur wandeln. Die Natur drängt sich nicht länger mehr der Seele auf; vielmehr ist es die Seele, der purusa, der der Natur seine Befehle auferlegt.
SRI AUROBINDO (24:1605)
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Die Menschen verstehen deshalb nicht, was ich mit dem Ausdruck „seelisches Wesen“ meine, da das Wort „Seele“ im Englischen für alles gebraucht wird, was sich auf das innere Mental, das innere Vital oder das innere Physische bezieht, oder auch auf alles Anormale oder Okkulte, sogar auf die feineren Regungen des äußeren Wesens – alles in kunterbuntem Durcheinander; selbst okkulte Phänomene werden häufig als seelisch bezeichnet. Eine Unterscheidung dieser verschiedenen Teile des Wesens ist unbekannt. Selbst in Indien ist das alte Wissen der Upanishaden, das diese Unterscheidung kannte, verloren gegangen. Der jivatman, das seelische Wesen (purusa antaratman), der manomaya purusa, der pranamaya purusa – alles wird miteinander verwechselt.
SRI AUROBINDO (22:290)
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Unser seelischer Wesensteil ist etwas, das direkt vom Göttlichen stammt und in Kontakt mit dem Göttlichen steht. Seinem Ursprung nach ist er ein Zentrum voller göttlicher Möglichkeiten, das diese niedere dreifache Manifestation von Mental, Leben und Körper trägt. Es gibt dieses göttliche Element in allen lebenden Wesen, doch ist es hinter dem gewöhnlichen Bewusstsein verborgen, ist zunächst nicht entwickelt, und selbst wenn es entwickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wächst an Bewusstsein durch die auf Gott gerichtete Erfahrung und gewinnt jedes Mal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die Anhäufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seelische Individualität entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen. Das seelische Wesen ist immer die wahre, doch oft verborgene Ursache dafür, dass sich ein Mensch dem spirituellen Leben zuwendet, und es ist für diesen Schritt seine größte Hilfe. Aus diesem Grund müssen wir es im Yoga aus dem Hintergrund nach vorne bringen.
Das Wort „Seele“ und „seelisch“ wird in der englischen Sprache sehr unbestimmt und mit ganz unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Sehr häufig wird in der gewöhnlichen Umgangssprache kein deutlicher Unterschied zwischen Mental und Seele gemacht, und ein noch ernster zu nehmendes Durcheinander entsteht dadurch, dass das vitale Begierdenwesen – die falsche Seele oder Begierdenseele – mit dem Wort „Seele“ bezeichnet wird, und nicht die wahre Seele, das seelische Wesen. Das seelische Wesen ist vom Mental oder Vital völlig verschieden; es steht hinter ihnen, dort wo diese sich im Herzen treffen. Dies ist sein zentraler Ort, doch eher hinter dem Herzen als im Herzen; denn was die Menschen gewöhnlich das Herz nennen, ist der Sitz des Gefühls, und menschliche Gefühle sind mental-vitale Impulse und im Allgemeinen nicht von seelischer Natur. Diese meist verborgene Macht im Hintergrund ist von Mental und Lebenskraft verschieden, sie ist die wahre Seele, das seelische Wesen in uns. Die Macht der Seele besteht darin, auf Mental, Vital und Körper einzuwirken, sie vermag das Denken, die Wahrnehmung, das Gefühl (welches dann ein seelisches Gefühl wird) sowie die Empfindung und Tat und alles übrige in uns zu läutern, und sie auf diese Weise darauf vorzubereiten, zu göttlichen Regungen zu werden.
Das seelische Wesen würde in der indischen Sprache als der purusa im Herzen bezeichnet werden, als caitya purusa;1 doch mit Herz ist das innere oder geheime Herz gemeint, hrdaye guhayam, und nicht das äußere vital-emotionale Zentrum.
SRI AUROBINDO (22:288)
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Im Allgemeinen werden die mehr innerlichen und die anormalen seelischen Erfahrungen mit „seelisch“ bezeichnet. Ich gebrauche das Wort „seelisch“ in Zusammenhang mit der Seele und zum Unterschied von Mental und Vital. Alle Regungen und Erfahrungen der Seele würden in diesem Sinne seelisch genannt werden, also jene, die sich aus dem seelischen Wesen erheben oder es direkt berühren; wo hingegen Mental und Vital das Übergewicht haben, würde man die Erfahrung als psychologisch bezeichnen (oberflächlich oder verborgen).
SRI AUROBINDO (22:75)
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Das Wort Seele hat je nach dem Zusammenhang verschiedene Bedeutungen; es kann der purusa sein, der die Gestaltungen der prakrti stützt – das, was wir das Sein nennen, obwohl das richtige Wort dafür das Werden wäre; es kann aber auch speziell das seelische Wesen in einem evolutionären Geschöpf wie dem Menschen bedeuten; es kann der göttliche Funke sein, der in die Materie durch die Herabkunft des Göttlichen in die stoffliche Welt gelangte, und hier alle sich entwickelnden Formierungen aufrecht erhält. Es gibt kein seelisches Wesen in einem nicht-evolutionären Geschöpf wie dem asura, und kann auch keines geben, ebensowenig in einem Gott, der es für sein Dasein nicht braucht. Im Gott gibt es jedoch einen purusa und eine prakrti oder die Energie der Natur dieses purusa. Wenn ein Wesen der fixierten Welten sich entwickeln will, muss es zur Erde herabkommen, einen menschlichen Körper annehmen und willens sein, an der Evolution teilzuhaben. Die vitalen Wesen wollen aber diese Zustimmung nicht erteilen und versuchen daher, von den Menschen Besitz zu ergreifen, damit sie die Stofflichkeit des physischen Lebens genießen können, ohne die Bürde der Evolution auf sich zu nehmen oder sich dem Vorgang der Wandlung, in dem jene kulminiert, zu unterziehen.
SRI AUROBINDO (22:386)
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Was genau ist die Seele oder das seelische Wesen? Und was ist mit der Evolution des seelischen Wesens gemeint? Worin besteht seine Beziehung zum Höchsten?
Die Seele und das seelische Wesen sind nicht genau das gleiche, obwohl ihre Essenz die gleiche ist.
Die Seele ist der göttliche Funken, der im Zentrum jedes Wesens wohnt; sie ist identisch mit ihrem Göttlichen Ursprung; sie ist das Göttliche im Menschen.
Das seelische Wesen wird im Laufe seiner unzähligen Leben in der Erdevolution fortschreitend um dieses göttliche Zentrum, die Seele, geformt, bis die Zeit kommt, da das seelische Wesen, voll gestaltet und gänzlich erweckt, die bewusste Hülle der Seele wird, um die es geformt ist.
Derart mit dem Göttlichen identifiziert, wird sie zu Seinem vollendeten Instrument in der Welt.
DIE MUTTER (16:247)
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Ist im Menschen das seelische Wesen die ganze Seele oder existieren beide, die Seele (in ihrer Essenz als ein göttlicher Funke in allen Geschöpfen) und das seelische Wesen Seite an Seite?
Die Seele ist die ewige Essenz im Zentrum des seelischen Wesens. Sie gleicht tatsächlich einem göttlichen Funken, der viele Seinszustände von zunehmender Dichte annimmt, bis hinab zum ganz Stofflichen; sie ist innerhalb des Körpers, gleichsam innerhalb des Solar Plexus.2 Diese Seinszustände nehmen Form an, sie entwickeln sich, schreiten fort und werden im Laufe vieler Erdenleben individualisiert und vervollkommnet, um das seelische Wesen zu bilden. Wenn das seelische Wesen voll geformt ist, erkennt es das Bewusstsein der Seele und verkörpert sie in vollendeter Weise.