Jaroslaw Stezko, geb. 1912, gehörte bereits seit 1932 zum Führungskader der OUN. Zunächst Anhänger Melniks, wechselte er nach dem deutschen überfall auf Polen, der das deutsch-sowjetische Arrangement deutlich zutage treten ließ, auf die Seite Banderas. Trotzdem gehörte er zu dem ausgewählten OUN-Kampfgruppenpersonal, das zusammen mit Einheiten der Abwehr in Ostgalizien eindrang. Bei der Siegesfeier nach der Eroberung Lembergs proklamierte eine improvisierte Nationalversammlung die Gründung der Unabhängigen Ukraine. Sie wählte Stezko zu deren ersten Ministerpräsidenten, der mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Von diesen Vorgängen völlig überrascht, reagierte die Sipo erst am 11.7.1941, als sie Stezko verhaftete u. als privilegierten Häftling ins KL Sachsenhausen verschleppte. Zusammen mit Bandera betrat er – ohne Erfolg – in der Endphase des Dritten Reiches wieder die politische Bühne. 1945 wurde er von der Exil-OUN in das Führungsgremium gewählt u. stand seit 1946 dem „Antibolschewistischen Block der Nationen“, der im Zuge des Kalten Krieges beträchtlichen Einfluß erlangte, als dessen Präsident vor. Stezko starb 1986 in München; Biographie nach: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 508–511.; auf die Lemberger Ereignisse geht er ausführlich in seinen autobiographischen Aufzeichnungen ein: Jaroslaw Stezko: 30 tscherwnja 1941: Proholoschennja wydnowlennja dershawnosty Ukrainy, Toronto 1967.
5 Das SK 7a stand anfangs unter der Führung von Dr. Walter Blume, geb. 1906, Jurastudium, 1929 Referendarexamen, 1932 Assessorexamen, 1933 Dr.jur., NSDAP u. SA, März 1933 Leiter der Politischen Abt. des Polizeipräsidiums Dortmund, dann der Stapo-Stelle Dortmund, Herbst 1934 Gestapa, 1935 SS, Frühjahr 1935 Leiter Stapo-Stelle Halle, Herbst 1937 dto. Stapo-Leitstelle Hannover, Dez. 1939 dto. Stapo-Leitstelle Berlin, 1940 Ostubaf., Chef SK 7a bis Sept. 1941, danach als Staf. Gruppenleiter I A (Personal) im RSHA, Juni 1942 BdS für die besetzten Gebiete Kärntens, Krains u. der Untersteiermark in Veldes, Spätsommer 1942 IdS Düsseldorf, Okt. 1943 BdS Griechenland, Ende 1944 wieder RSHA, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1953 Haftentlassung, gest. 1974; BAB, BDC, SSO Dr. Walter Blume; Personalakte, BA-ZA, ZR 106; Anschriften BdS/IdS, Stand: 15.7.1942, BAB, R 58/241; Affidavit v. 29.6.1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4145; BAL, ZK: Dr. Walter Blume; Hey: Zur Geschichte der westfälischen Staatspolizeistellen und der Gestapo, S. 88; Hermann-J. Rupieper/Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933–1936. Bd. 2: Regierungsbezirk Merseburg, Halle 2004, S. 21 f.
6 Wilna (Vilnius/Wilno) – von 1920 bis 1939 unter polnischer Herrschaft, am 19.9.1939 von der Roten Armee erobert u. im Okt. den Litauern übergeben – wurde von diesen als Hauptstadt reklamiert, obwohl sie dort nur eine Minderheit neben Polen u. Juden stellten. 1941 hatte die Stadt etwa 200000 Einwohner, darunter schätzungsweise 60000 Juden; EdH, Bd. 3, S. 1599. Am Abend des 23.6. übernahm dort ein litauisches Bürgerkomitee nach dem Abzug der Roten Armee die Macht. Am Morgen des 24.6. eroberte die 7. Pz.Div. Wilna. Am 29.6. schrieb deren Soldatenzeitung „Panzerfaust“ unter dem Titel „GPU-Terror in Wilna“: „Hinter dem Sowjetstern lauerte die Fratze des ewigen Juden östlicher Prägung. Seine Glanzzeit war gekommen, als die Bolschewiki kamen. In den staatlichen Verkaufsstellen war er stets als Leiter anzutreffen. Wo leitende Wirtschaftsposten zu vergeben waren, besetzte der Jude sie. Viele tausend dieser Parasiten wohnen in Wilna. Wir haben ihre Wohnhöhlen kurz besichtigt. Es ist wie immer ein Bild entsetzlicher Unsauberkeit, eines unbegreiflichen Durcheinanders in diesen Wohnungen, die eher Ställen denn menschlichen Behausungen gleichen“, Ausgabe Nr. 5, BA-MA, RH 53–58/2. Einen Tag später notierte das KTB Sich.Div. 403/Ia: „Eintreffen des Sonderkommandos der Sicherheitspolizei–Einsatz in Grodno, Lida und Wilna“, ebd., RH 26–403/2. Dabei handelte es sich zunächst um das SK 7a; vgl. Kim C. Priemel: Sommer 1941. Die Wehrmacht in Litauen, in: Bartusevicˇius/Tauber/Witte: Holocaust in Litauen, S. 26–39.
7 VO der EG C bzw. der späteren EG B zum HSSPF u. Berück Rußland-Mitte war Stubaf. Rudolf Schröder, geb. 1903, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1934 nach Assessorprüfung zum Gestapa Dresden u. SS, 1935 Stabsfhr. SD-OA Elbe, 1936 zum SD-OA Süd, 1937 zur Stapo-Leitstelle Stuttgart, 1939/40 stellv. Leiter Stapo-Stellen Köslin u. Hildesheim, 1940 Leiter Stapo-Stelle Bielefeld, VO bis Dez. 1941, dann Chef Stapo-Leitstelle Reichenberg, 1944 als Ostubaf. Leiter Stapo-Stelle Weimar, 1962 durch LG Paderborn zu einem Jahr Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Rudolf Schröder; Vern. v. 21.1.1960, BAL, B 162/21014, Bl. 5 ff.; Urteil LG Paderborn v. 13.11.1962, BAL, B 162/14144; BAL, ZK: Rudolf Schröder.
8 Das EK 9 stand anfangs unter der Führung von Dr. Alfred Filbert, geb. 1905, Banklehre, dann Jurastudium, 1932 NSDAP u. SS, 1933 Referendarexamen, 1934 Dr.jur., 1935 SD-HA, 1936 Ustuf. u. Leiter Hauptabt. III 22, 1938 Stubaf., 1939 Ostubaf., Gruppenleiter VI A (Allgemeine auslandsnachrichtendienstliche Aufgaben) u. stellv. Amtschef VI im RSHA, Kdr. EK 9 bis Okt. 1941, dann zurück zum RSHA, 1944 Gruppenleiter V Wi (Wirtschaftskriminalität), 1962 vom LG Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt, 1975 wegen Haftunfähigkeit entlassen; BAB, BDC, SSO Dr. Alfred Filbert; GVP RSHA Stand 1.3.1941 u. Erlaß RSHA V v. 4.7.1944, BAB, R 58/240; Vern. v. 25.2. u. 11.5.1959, BAL, B 162/2400, Bl. 1ff., 9 ff.; Urteil LG Berlin v. 22.6.1962, BAL, B 162/14138; BAL, ZK: Dr. Alfred Filbert.
9 Himmler u. Heydrich hatten bereits am 30.6. die Lage in Grodno inspiziert, in der Stadt allerdings keine sicherheitspolizeilichen Kräfte vorgefunden. In einem eigens angefertigten Befehl ermahnte Heydrich tags darauf die EG, „mit der militärischen Entwicklung Schritt zu halten“ u. forderte „größte Beweglichkeit in der taktischen Einsatzgestaltung“, CdS-Einsatzbefehl Nr. 3 v. 1.7.1941, RGVA, 500– 1–25; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 181.
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD | Berlin, den 3. Juli 1941 |
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. | [Stempel: Geheime Reichssache!] |
25 Ausfertigungen, [Zahl fehlt] Ausfertigung
Ereignismeldung UdSSR Nr. 11
I) Politische Übersicht:
a) Im Reich:
Stapo Oppeln berichtet über die Festnahme von 74 ehemaligen polnischen Kommunisten in den Kreisen Warthenau und Blachstädt aus präventivpolizeilichen Gründen. Ebenfalls aus präventivpolizeilichen Gründen hat die Stapoleitstelle Königsberg 12 und die Stapostelle Köln 15 Kommunisten festgenommen. Stapostelle Brünn meldet Verbreitung von kommunistischen Streuzetteln, mit welchen zum Streik und Sabotage aufgefordert wird. Stapostelle Frankfurt/Main berichtet über kommunistische Aufforderungen zum Eisenbahnerstreik (Plakat aus dem Jahre 1922). Stapoleitstelle Wien berichtet über die Verbreitung von Streuzetteln und Flugblättern mit der Aufforderung zur Zersetzung der inneren Front und zu Sabotagehandlungen. „Genossen, die Stunde der Opfer ist gekommen. Für uns gibt es nur mehr eins: kämpfen und siegen! Es lebe die Weltrevolution!“ In Durchführung der Aktion gegen die KPÖ wurden von der Stapoleitstelle Wien weiterhin 73 Personen festgenommen (darunter 16 Angestellte der Wiener Straßenbahn). Polizeipräsident Berlin teilt die Erfassung von 4995 Personen sowjetrussischer Staatsangehörigkeit (darunter 3114 Personen im Alter von 16–45 Jahren) mit. Stapoleitstelle Berlin hat bisher 603 Sowjetrussen (370 Männer, 218 Frauen) festgenommen.
Nr. 6: Kriegsgefangene Kommissare der Roten Armee
b) Im Generalgouvernement:
Einsatzgruppe B berichtete am 2. und 3. Juli 41 über die Versuche der unter der Führung Banderas stehenden Nationalukrainer, durch Ausrufung einer ukrainischen Republik, Bildung von Milizen die deutschen Stellen vor vollendete Tatsache zu stellen. Darüber hinaus hat die Bandera-Gruppe bereits in der letzten Zeit besondere Aktivität hinsichtlich der Verteilung von Flugblättern usw. entwickelt. In einem dieser Flugblätter heisst es u.a., dass die ukrainische Freiheitsbewegung ehemals von der polnischen, nunmehr von der deutschen Polizei unterdrückt werden würde. Weiter hat Bandera, um sich als den Führer der ukrainischen Freiheitsbewegung herauszustellen, ein ukrainisches Nationalkomitee gebildet, wobei er es verstanden hat, fast sämtliche Emigrantengruppen, die sich sowohl weltanschaulich als auch politisch entgegenstanden, zu vereinigen. Lediglich die unter der Führung des Oberst