Walter Brendel

Ein König und seine Frauen


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Heinrich, neun Jahre alt, bereits mit einem gewissen königlichen Auftreten ausgestattet, ich meine einer Geistesgröße, kombiniert mit erstaunlicher Höflichkeit“.

      Heinrich sollte dieses Treffen nie vergessen. Beide führten eine umfangreiche Korrespondenz in lateinischer Sprache, die den Intellekt des jungen Prinzen viele Jahre prägen und stimulieren sollte.

      Außer Heinrich waren in Eltham Palace auch seine Geschwister Margaret, die später Jakob, König von Schottland, ehelichte, Mary und Edmund.

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      Heinrich und seine Schwester Margaret beim Besuch von Erasmus (moderne Darstellung des 19. Jahrhunderts in Westminster Hall)

      Heinrichs erster Lehrer war ab 1496 der Hofpoet John Skelton, von dem er die typische Renaissanceausbildung der Zeit erhielt, mit besonderem Augenmerk auf Latein, Geschichte und antike Autoren neben Musik und Poesie. Später setzte Heinrich seine Ausbildung mit einem anderen Lehrer, William Hone, fort, zu dem sich noch der Französischlehrer Giles Duwes und ein Musik- und Waffenlehrer gesellten. Mit dieser Ausbildung wurde der junge Prinz später der erste König Englands mit einer umfassenden humanistischen Bildung, der fließend Latein und Französisch sprach, Musik komponierte und Gedichte verfasste.

      Arthur unterdessen entwickelte sich zum Ebenbild des Vaters. Der Kronprinz lebte in einem eigenen Haushalt in Ludlow in Wales. Sein Vater war schon auf Brautschau gegangen, um die nächste Generation der Tudors zu sichern. In Spanien wurde er fündig. Das Ziel war der Abschluss eines Paktes mit Spanien. Dazu sollte Arthur nun Katharina von Aragon heiraten.

      Um deren Eignung zu prüfen, traf Heinrich Tudor die zukünftige Braut seines Thronerben bei ihrer Ankunft im Oktober 1501. Das erste Treffen gestaltete sich zwar etwas unbeholfen, weil keiner die Sprache des anderen verstand, aber zufrieden war Heinrich dennoch.

      Die künftige Mutter vieler Tudors hatte gerade ihren 16. Geburtstag gefeiert. Ausnehmend hübsch ist sie gewesen. Mit erdbeerblonden Haar und einen farbig blassen Teint. Ihr Name war Katharina von Aragon. Sie war die Tochter der katholischen Majestäten Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien. Ihre Urgroßmutter, Katharina von Lancaster, nach der sie benannt wurde, war eine Enkelin des englischen Königs Eduards III. Sie war ein unglaublicher Fand, den die Tudors dringend brauchten und die den englischen Thronfolger Arthur heiraten sollte.

      An ihren Hochzeitstag sahen tausende Menschen eine der prächtigsten Prozessionen in der Geschichte der englischen Krone auf Londons Straßen.

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      Flämischer Wandteppich, Katharina und Arthur bei ihrer Hochzeit, ca. 1500

      Und nicht nur die Braut trug ein cremefarbiges Kleid, auch Prinz Arthur war im hellen Gewand gekleidet, als Symbol für seine Jugend und Reinheit. Für Heinrich Tudor war es die perfekte Verbindung, denn diese Ehe festigte das Verhältnis zwischen England und Spanien und sicherte sein Haus.

      Für Prinz Heinrich dagegen war es eine weitere Gelegenheit, an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Er war gerade zehn Jahre alt bei der Hochzeit seines Bruders und wie jeder kleine Bruder wirkte er wie ein frühreifer Gentleman und wollte etwas von der Aufmerksamkeit haben. Praktisch stahl er dem Brautpaar die Show. Ganz Europa blickte zu diesem Zeitpunkt auf England.

      Wir wissen heute, dass Heinrich ein geborener Schauspieler war, eigentlich ein Angeber. Körperlich gut gewachsen zeigte er sich gern beim Tanz und war sehr gut darin. Es gibt Hinweise dafür aus der Zeit von Arthurs Hochzeit, wo er sich in den Vordergrund spielte. Er zieht seine luxuriöse Robe aus und tanzt einfach in seiner Strumpfhose und den Wams vor König und Königin, zusammen mit seiner Schwester Margaret und alle erfreuen sich an diesen charmanten jungen Mann.

      Heinrichs Begeisterung steht im krassen Gegensatz zu seinem Bruder Arthur, den die Feierlichkeiten bald langweilen. Ob Arthur über seinen jüngeren Bruder so erfreut war, plötzlich im Schatten zu stehen, bleibt dahingestellt. Arthurs Hochzeit hatte seinen kleinen Bruder vorübergehend ins Rampenlicht gerückt, aber das war gar nichts, was bald darauf geschah.

      Nach dem anschließenden Gelage wurde das Brautpaar am Abend von einem großen Gefolge, zeremoniell zu Bett gebracht, um die Ehe zu vollziehen. „Und so beschlossen und vollzogen diese ehrenwerten Personen die Wirkung und Vervollständigung des Ehebunds.“ schrieb der offizielle Herold. Laut Zeugen, die beinahe 30 Jahre später dazu befragt wurden, befahl Arthur am nächsten Morgen seinem Diener Anthony Willoughby, ihm einen Becher Ale zu bringen, „denn ich war diese Nacht inmitten Spaniens.“ Später soll der Prinz offen gesagt haben: „Meine Herren, es ist ein guter Zeitvertreib eine Frau zu haben.“ Zunächst einmal ließen sich Arthur und Katharina am 21. Dezember auf Schloss Ludlow an der englisch-walisischen Grenze und dort erkrankte Arthur schwer.

      Am Ostertag 1502, dem 27. März, erkrankte Arthur plötzlich schwer. Innerhalb weniger Tage verschlechterte sich sein Zustand. Auch Katharina soll daran erkrankt sein. Doch während sie überlebte, erholte sich der Thronfolger nicht. Die Ehe dauerte insgesamt nur vier Monate, denn am 2. April 1502 starb Arthur. Die Ursache seines Todes ist heute bei der spärlichen Quellenlage und dem unterentwickelten medizinischen Wissen der Zeit nicht mehr nachvollziehbar. Die lange gehegte Theorie, dass er an Tuberkulose starb, gilt als überholt, andere mögliche Todesursachen sind die damals gefürchtete Schweißkrankheit und die Pest, die im Frühling 1502 beide in der Umgebung von Ludlow grassierten. Laut einer Theorie des Historikers David Starkey starb Arthur dagegen an Hodenkrebs, der häufigsten Krebsart bei 15- bis 19-jährigen Jungen. Gerade einmal 15 Jahre war er alt geworden.

      Heinrich Tudor war erschüttert. Er hatte nicht nur ein Kind verloren, auch seine klugen Pläne waren zunichte gemacht. All das spiegelt die heikle Lage wieder, in der sich die Tudor-Dynastie befand. Sie hatten nicht ihren Sohn, sondern auch ihren Erben verloren. Das war der Junge, in dem Heinrich investiert hatte, alles war auf Arthur ausgerichtet. Jetzt mussten sie neu anfangen.

      Zu Lebzeiten von Arthur wurde wenig Einfluss auf den jungen Heinrich ausgeübt. Erst dieser unzeitige Tod sollte Prinz Heinrichs Leben tiefgreifend verändern. Der zehnjährige Prinz war jetzt der Erbe des Throns.

      Mit großer Sorgfalt hatte Heinrich Tudor den Erstgeborenen auf seine Position als zukünftigen König vorbereitet. Mit einem Schlag lag jetzt die Zukunft seiner Dynastie in den Händen seines Sohnes Heinrich, der dafür nie erzogen worden war. Man darf nicht vergessen, dass Heinrich VII. alles auf Arthur gesetzt hatte, der in der Kunst des Regierens ausgebildet wurde. Jetzt richteten sich alle Augen auf dem Reserveprinz, den verwöhnten Heinrich. Sollte dieser kleine Junge jemals König werden?

      Zehn Jahre lang hatte Heinrich Tudor seinen jüngeren Sohn praktisch ignoriert. Doch jetzt musste der kalte Vater-König den Versuch unternehmen, den sorglosen Prinzen zu seinem klugen Ebenbild zu formen.

      Trotz ihrer Differenzen ließ sich alles zunächst gut an. Sofort nach Arthurs Tod begannen Verhandlungen mit Katharinas Vater, um sie an den neuen Thronfolger zu transferieren. Heinrich selbst schien einzuwilligen. Eine schöne spanische Prinzessin zu heiraten, gefiel ihm sehr. Der nächste Schritt seines Vaters kam bei Heinrich ebenfalls gut an. Es kamen mehr Männer in das Gefolge des nun Elfjährigen. Dieser war froh, nun ein paar Männer um sich zu haben. Identifikationsfiguren, den er nacheifern konnte.

      War dies alles bei seinem Sohn hoch willkommen, zeigte Heinrich Tudor allerdings sein wahres Gesicht kurz darauf. Boten des Königs brachten im Februar 1503 eine furchtbare Nachricht. Seine Mutter Elisabeth war gestorben. Da sein Vater ihm nicht persönlich vom Tod seiner Mutter unterrichtet hatte, musste den jungen Prinzen sehr verletzt haben. Von da an sollte sich die Beziehung der beiden verschlechtern.

      Die Nachricht vom Tod seiner Mutter wurde ihm auf so unpersönliche Weise überbracht und das sprach Bände über ihre Beziehung und zeigte, wie fremd sich Vater und Sohn waren. Ein Gemälde ist das